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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans I. Buch.
er ihm nur die Schönheit der Jannetine in seiner Ein-
bildung desto lebhaffter vorstellen möchte.

Jn der nächsten Unterredung/ welche in ihrem
Zimmer/ da hinein sie ihn führete/ gehalten ward/ gab
sie ihm/ auf ein hefftiges Wehklagen/ zu verstehen/
daß sie ihr Hertz gegen ihm erschlossen/ aber resolviret
sey/ nimmermehr wieder in den Ehestand zu tretten/
welches ihm so viel lieber/ und nachdem er darauf
Vergünstigung erlanget/ ihren Mund 2. mahl zu küs-
sen/ schied er viel vergnügter/ aber darneben auch viel
verwirreter/ als zum vorigen mahl/ von ihr. Und gieng
seine Plage und hertzliches Leyden allererst recht an.
Er wuste ihm ohnmöglich selber zu helffen/ dannen-
hero setzete er sich nieder/ und schriebe einen Brieff/
ohngefähr dieses Einhalts:

Schönste Jannetine.

KEin Wunder wäre es/ wann die unvernünfftigen Creatu-
ren/ und die steinerne Bild-Säulen/ durch eure Holdsee-
ligkeit beweget würden. Jetzo kan ich euch wol mit
Warheit sagen/ daß ich elender bin/ als ein steinern Bild/
oder eine unvernünfftige Creatur/ als der ich durch eure
Holdseeligkeit in solche Unruhe gebracht/ daß es mir ohn-
möglich ist/ ohne euer freundliches Antlitz zu sehen/ eine Mi-
nnte zu leben. Wann aber ich gerne gantz allein bey euch
seyn möchte/ um euch von meiner Liebe den rechten Kern zu
erkennen zu geben; Als bitte ich/ ihr wollet mir vergönnen/
daß ich 2. Stunden nach dieser Mittags-Zeit bey euch erschei-
ne/ und der Zeit und Gelegenheit halben mit euch Abrede
nehme.

Diesen Brieff warff er im Vorbeygehen in der
Jannetine Hauß/ weil dieselbe mit der Magd/ die
um alle ihre Heimlichkeiten genaue Wissenschafft
hatte/ gantz allein darinnen war. Es begab sich aber zu
allem Glück/ oder Unglück/ (es gilt hier gleiche viel/)
daß Jaques, ein schöner Kauffmanns-Gesell/ in wel-
chen die Jannetine schon vorher sich gewaltig verlie-

bet
X 5

Romans I. Buch.
er ihm nur die Schoͤnheit der Jannetine in ſeiner Ein-
bildung deſto lebhaffter vorſtellen moͤchte.

Jn der naͤchſten Unterredung/ welche in ihrem
Zimmer/ da hinein ſie ihn fuͤhrete/ gehalten ward/ gab
ſie ihm/ auf ein hefftiges Wehklagen/ zu verſtehen/
daß ſie ihr Hertz gegen ihm erſchloſſen/ aber reſolviret
ſey/ nimmermehr wieder in den Eheſtand zu tretten/
welches ihm ſo viel lieber/ und nachdem er darauf
Verguͤnſtigung erlanget/ ihren Mund 2. mahl zu kuͤſ-
ſen/ ſchied er viel vergnuͤgter/ aber darneben auch viel
verwirreter/ als zum vorigen mahl/ von ihr. Und gieng
ſeine Plage und hertzliches Leyden allererſt recht an.
Er wuſte ihm ohnmoͤglich ſelber zu helffen/ dannen-
hero ſetzete er ſich nieder/ und ſchriebe einen Brieff/
ohngefaͤhr dieſes Einhalts:

Schoͤnſte Jannetine.

KEin Wunder waͤre es/ wann die unvernuͤnfftigen Creatu-
ren/ und die ſteinerne Bild-Saͤulen/ durch eure Holdſee-
ligkeit beweget wuͤrden. Jetzo kan ich euch wol mit
Warheit ſagen/ daß ich elender bin/ als ein ſteinern Bild/
oder eine unvernuͤnfftige Creatur/ als der ich durch eure
Holdſeeligkeit in ſolche Unruhe gebracht/ daß es mir ohn-
moͤglich iſt/ ohne euer freundliches Antlitz zu ſehen/ eine Mi-
nnte zu leben. Wann aber ich gerne gantz allein bey euch
ſeyn moͤchte/ um euch von meiner Liebe den rechten Kern zu
erkennen zu geben; Als bitte ich/ ihr wollet mir vergoͤnnen/
daß ich 2. Stunden nach dieſer Mittags-Zeit bey euch erſchei-
ne/ und der Zeit und Gelegenheit halben mit euch Abrede
nehme.

Dieſen Brieff warff er im Vorbeygehen in der
Jannetine Hauß/ weil dieſelbe mit der Magd/ die
um alle ihre Heimlichkeiten genaue Wiſſenſchafft
hatte/ gantz allein darinnen war. Es begab ſich aber zu
allem Gluͤck/ oder Ungluͤck/ (es gilt hier gleiche viel/)
daß Jaques, ein ſchoͤner Kauffmanns-Geſell/ in wel-
chen die Jannetine ſchon vorher ſich gewaltig verlie-

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[329/0343] Romans I. Buch. er ihm nur die Schoͤnheit der Jannetine in ſeiner Ein- bildung deſto lebhaffter vorſtellen moͤchte. Jn der naͤchſten Unterredung/ welche in ihrem Zimmer/ da hinein ſie ihn fuͤhrete/ gehalten ward/ gab ſie ihm/ auf ein hefftiges Wehklagen/ zu verſtehen/ daß ſie ihr Hertz gegen ihm erſchloſſen/ aber reſolviret ſey/ nimmermehr wieder in den Eheſtand zu tretten/ welches ihm ſo viel lieber/ und nachdem er darauf Verguͤnſtigung erlanget/ ihren Mund 2. mahl zu kuͤſ- ſen/ ſchied er viel vergnuͤgter/ aber darneben auch viel verwirreter/ als zum vorigen mahl/ von ihr. Und gieng ſeine Plage und hertzliches Leyden allererſt recht an. Er wuſte ihm ohnmoͤglich ſelber zu helffen/ dannen- hero ſetzete er ſich nieder/ und ſchriebe einen Brieff/ ohngefaͤhr dieſes Einhalts: Schoͤnſte Jannetine. KEin Wunder waͤre es/ wann die unvernuͤnfftigen Creatu- ren/ und die ſteinerne Bild-Saͤulen/ durch eure Holdſee- ligkeit beweget wuͤrden. Jetzo kan ich euch wol mit Warheit ſagen/ daß ich elender bin/ als ein ſteinern Bild/ oder eine unvernuͤnfftige Creatur/ als der ich durch eure Holdſeeligkeit in ſolche Unruhe gebracht/ daß es mir ohn- moͤglich iſt/ ohne euer freundliches Antlitz zu ſehen/ eine Mi- nnte zu leben. Wann aber ich gerne gantz allein bey euch ſeyn moͤchte/ um euch von meiner Liebe den rechten Kern zu erkennen zu geben; Als bitte ich/ ihr wollet mir vergoͤnnen/ daß ich 2. Stunden nach dieſer Mittags-Zeit bey euch erſchei- ne/ und der Zeit und Gelegenheit halben mit euch Abrede nehme. Dieſen Brieff warff er im Vorbeygehen in der Jannetine Hauß/ weil dieſelbe mit der Magd/ die um alle ihre Heimlichkeiten genaue Wiſſenſchafft hatte/ gantz allein darinnen war. Es begab ſich aber zu allem Gluͤck/ oder Ungluͤck/ (es gilt hier gleiche viel/) daß Jaques, ein ſchoͤner Kauffmanns-Geſell/ in wel- chen die Jannetine ſchon vorher ſich gewaltig verlie- bet X 5

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/343>, abgerufen am 22.11.2024.