Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Romans II. Buch.
entgegen/ der König wolte es besehen/ als er nun fand
daß Heraclides das Buch Ponos, oder die Arbeit ge-
nennet/ kratzte er den ersten Buchstaben auß/ so hiesse
es Onos, ein Esel; Viel Bücher sind keines bessern
Tituls würdig.

Worauf der Geistliche: Um der Ursachen wil-
len wolte Käyser Augustus nicht von einem Jeden ge-
lobet seyn/ sondern er verlangte/ daß nur treffliche und
berühmte Männer sein Leben und Thaten beschreiben
solten/ er selbst machte ein Buch von Ajace, welches
er lang unter Händen hatte/ weil es ihm aber nicht
nach seinem Sinn fortgehen wolte/ thäte er alles auß.
Als er gefraget ward/ wie es mit seinem Ajace gienge?
Gab er zur Antwort: Er hat mit dem Schwamm
gefochten. Unsere Zeit wäre glückseeliger/ wann es
mit vielen Büchern also hergangen wäre/ bevorab
aber zu unsern jetzigen Zeiten/ da deß Schreibens kein
Ende ist/ und man mit dem Demosthene wol sagen
mag/ daß nicht Scripta geschriebene/ sondern Sculpta,
geschnittene Sachen herauß kommen.

Man kan nicht Jedem/ sagte Cavina, nach sei-
nem Sinn und Kopff schreiben/ wiewol auf eines
Jeden Urtheil nicht viel zu geben ist. Als Cato ein
gewisses Buch außgeben wolte/ sagte er: Jch weiß/
daß meine Schrifften von vielen werden durchhechelt
und getadelt werden; Aber das werden die Jenige
thun/ die selbst keine Ehre bey sich haben. Solcher
Leute Reden laß ich als den Wind vorbey wehen.

Worauf der Geistliche: An dem Durchziehen
und Tadlen ist wenig gelegen/ die beste und nützlichste
Sachen müssen das Meiste leyden/ wie wir dieses in
unsern Predigten täglich gewahr werden. Die Ursach
dessen ist manchmahl der blosse Neyd/ welcher Fehler
unter den Gelehrten sehr gemein ist. Plato und Xe-

nophon

Romans II. Buch.
entgegen/ der Koͤnig wolte es beſehen/ als er nun fand
daß Heraclides das Buch Ponos, oder die Arbeit ge-
nennet/ kratzte er den erſten Buchſtaben auß/ ſo hieſſe
es Onos, ein Eſel; Viel Buͤcher ſind keines beſſern
Tituls wuͤrdig.

Worauf der Geiſtliche: Um der Urſachen wil-
len wolte Kaͤyſer Auguſtus nicht von einem Jeden ge-
lobet ſeyn/ ſondern er verlangte/ daß nur treffliche und
beruͤhmte Maͤnner ſein Leben und Thaten beſchreiben
ſolten/ er ſelbſt machte ein Buch von Ajace, welches
er lang unter Haͤnden hatte/ weil es ihm aber nicht
nach ſeinem Sinn fortgehen wolte/ thaͤte er alles auß.
Als er gefraget ward/ wie es mit ſeinem Ajace gienge?
Gab er zur Antwort: Er hat mit dem Schwamm
gefochten. Unſere Zeit waͤre gluͤckſeeliger/ wann es
mit vielen Buͤchern alſo hergangen waͤre/ bevorab
aber zu unſern jetzigen Zeiten/ da deß Schreibens kein
Ende iſt/ und man mit dem Demoſthene wol ſagen
mag/ daß nicht Scripta geſchriebene/ ſondern Sculpta,
geſchnittene Sachen herauß kommen.

Man kan nicht Jedem/ ſagte Cavina, nach ſei-
nem Sinn und Kopff ſchreiben/ wiewol auf eines
Jeden Urtheil nicht viel zu geben iſt. Als Cato ein
gewiſſes Buch außgeben wolte/ ſagte er: Jch weiß/
daß meine Schrifften von vielen werden durchhechelt
und getadelt werden; Aber das werden die Jenige
thun/ die ſelbſt keine Ehre bey ſich haben. Solcher
Leute Reden laß ich als den Wind vorbey wehen.

Worauf der Geiſtliche: An dem Durchziehen
und Tadlen iſt wenig gelegen/ die beſte und nuͤtzlichſte
Sachen muͤſſen das Meiſte leyden/ wie wir dieſes in
unſern Predigten taͤglich gewahr werden. Die Urſach
deſſen iſt manchmahl der bloſſe Neyd/ welcher Fehler
unter den Gelehrten ſehr gemein iſt. Plato und Xe-

nophon
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0833" n="813"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Romans <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
entgegen/ der Ko&#x0364;nig wolte es be&#x017F;ehen/ als er nun fand<lb/>
daß <hi rendition="#aq">Heraclides</hi> das Buch <hi rendition="#aq">Ponos,</hi> oder die Arbeit ge-<lb/>
nennet/ kratzte er den er&#x017F;ten Buch&#x017F;taben auß/ &#x017F;o hie&#x017F;&#x017F;e<lb/>
es <hi rendition="#aq">Onos,</hi> ein E&#x017F;el; Viel Bu&#x0364;cher &#x017F;ind keines be&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Tituls wu&#x0364;rdig.</p><lb/>
          <p>Worauf der Gei&#x017F;tliche: Um der Ur&#x017F;achen wil-<lb/>
len wolte Ka&#x0364;y&#x017F;er <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tus</hi> nicht von einem Jeden ge-<lb/>
lobet &#x017F;eyn/ &#x017F;ondern er verlangte/ daß nur treffliche und<lb/>
beru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner &#x017F;ein Leben und Thaten be&#x017F;chreiben<lb/>
&#x017F;olten/ er &#x017F;elb&#x017F;t machte ein Buch von <hi rendition="#aq">Ajace,</hi> welches<lb/>
er lang unter Ha&#x0364;nden hatte/ weil es ihm aber nicht<lb/>
nach &#x017F;einem Sinn fortgehen wolte/ tha&#x0364;te er alles auß.<lb/>
Als er gefraget ward/ wie es mit &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Ajace</hi> gienge?<lb/>
Gab er zur Antwort: Er hat mit dem Schwamm<lb/>
gefochten. Un&#x017F;ere Zeit wa&#x0364;re glu&#x0364;ck&#x017F;eeliger/ wann es<lb/>
mit vielen Bu&#x0364;chern al&#x017F;o hergangen wa&#x0364;re/ bevorab<lb/>
aber zu un&#x017F;ern jetzigen Zeiten/ da deß Schreibens kein<lb/>
Ende i&#x017F;t/ und man mit dem <hi rendition="#aq">Demo&#x017F;thene</hi> wol &#x017F;agen<lb/>
mag/ daß nicht <hi rendition="#aq">Scripta</hi> ge&#x017F;chriebene/ &#x017F;ondern <hi rendition="#aq">Sculpta,</hi><lb/>
ge&#x017F;chnittene Sachen herauß kommen.</p><lb/>
          <p>Man kan nicht Jedem/ &#x017F;agte <hi rendition="#aq">Cavina,</hi> nach &#x017F;ei-<lb/>
nem Sinn und Kopff &#x017F;chreiben/ wiewol auf eines<lb/>
Jeden Urtheil nicht viel zu geben i&#x017F;t. Als <hi rendition="#aq">Cato</hi> ein<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;es Buch außgeben wolte/ &#x017F;agte er: Jch weiß/<lb/>
daß meine Schrifften von vielen werden durchhechelt<lb/>
und getadelt werden; Aber das werden die Jenige<lb/>
thun/ die &#x017F;elb&#x017F;t keine Ehre bey &#x017F;ich haben. Solcher<lb/>
Leute Reden laß ich als den Wind vorbey wehen.</p><lb/>
          <p>Worauf der Gei&#x017F;tliche: An dem Durchziehen<lb/>
und Tadlen i&#x017F;t wenig gelegen/ die be&#x017F;te und nu&#x0364;tzlich&#x017F;te<lb/>
Sachen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en das Mei&#x017F;te leyden/ wie wir die&#x017F;es in<lb/>
un&#x017F;ern Predigten ta&#x0364;glich gewahr werden. Die Ur&#x017F;ach<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t manchmahl der blo&#x017F;&#x017F;e Neyd/ welcher Fehler<lb/>
unter den Gelehrten &#x017F;ehr gemein i&#x017F;t. <hi rendition="#aq">Plato</hi> und <hi rendition="#aq">Xe-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">nophon</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[813/0833] Romans II. Buch. entgegen/ der Koͤnig wolte es beſehen/ als er nun fand daß Heraclides das Buch Ponos, oder die Arbeit ge- nennet/ kratzte er den erſten Buchſtaben auß/ ſo hieſſe es Onos, ein Eſel; Viel Buͤcher ſind keines beſſern Tituls wuͤrdig. Worauf der Geiſtliche: Um der Urſachen wil- len wolte Kaͤyſer Auguſtus nicht von einem Jeden ge- lobet ſeyn/ ſondern er verlangte/ daß nur treffliche und beruͤhmte Maͤnner ſein Leben und Thaten beſchreiben ſolten/ er ſelbſt machte ein Buch von Ajace, welches er lang unter Haͤnden hatte/ weil es ihm aber nicht nach ſeinem Sinn fortgehen wolte/ thaͤte er alles auß. Als er gefraget ward/ wie es mit ſeinem Ajace gienge? Gab er zur Antwort: Er hat mit dem Schwamm gefochten. Unſere Zeit waͤre gluͤckſeeliger/ wann es mit vielen Buͤchern alſo hergangen waͤre/ bevorab aber zu unſern jetzigen Zeiten/ da deß Schreibens kein Ende iſt/ und man mit dem Demoſthene wol ſagen mag/ daß nicht Scripta geſchriebene/ ſondern Sculpta, geſchnittene Sachen herauß kommen. Man kan nicht Jedem/ ſagte Cavina, nach ſei- nem Sinn und Kopff ſchreiben/ wiewol auf eines Jeden Urtheil nicht viel zu geben iſt. Als Cato ein gewiſſes Buch außgeben wolte/ ſagte er: Jch weiß/ daß meine Schrifften von vielen werden durchhechelt und getadelt werden; Aber das werden die Jenige thun/ die ſelbſt keine Ehre bey ſich haben. Solcher Leute Reden laß ich als den Wind vorbey wehen. Worauf der Geiſtliche: An dem Durchziehen und Tadlen iſt wenig gelegen/ die beſte und nuͤtzlichſte Sachen muͤſſen das Meiſte leyden/ wie wir dieſes in unſern Predigten taͤglich gewahr werden. Die Urſach deſſen iſt manchmahl der bloſſe Neyd/ welcher Fehler unter den Gelehrten ſehr gemein iſt. Plato und Xe- nophon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/833
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 813. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/833>, abgerufen am 22.11.2024.