Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893.Fontevrault beweisen), in Uebung waren. Sie können auch gar keine besondere, aus Erfordernissen des albigensischen Gottesdienstes hervorgegangene Form sein, da man sie in Italien, wo die Albigenser als Katharer, Patarener usw. zur gleichen Zeit viel verbreiteter waren und wo sie sich viel länger gehalten haben, nicht findet. Diese einzige Eigentümlichkeit des Languedoc nun ist aber gerade weder von Matthias von Arras noch von Peter Parler nach "dem Lande der Hussiten" gebracht worden; denn alle ihre Kirchen sind wie die aller ihrer nächsten Nachfolger drei- und mehrschiffig (die Karlshofer Kirche ausgenommen, deren Grundriß aber ein großes Achteck bildet). Wie bringt nun Gurlitt eine Verbindung dieser einschiffigen Kirchen des Languedoc mit den dreischiffigen Böhmens -- die übrigens gerade so sind wie in der ganzen übrigen Christenheit -- zu Stande? Er nennt die einschiffige Anlage eine Halle. Die dreischiffigen, nicht basilicalen Anlagen heißen Hallenkirchen -- folglich sind sie gleichartig, und folglich sind die drei- und mehrschiffigen Hallenkirchen ebenfalls "Gemeindekirchen"! Nun ist es aber für die Versammlung einer Gemeinde, sei es daß sie die Predigt oder die Messe hören will, ganz gleichgiltig, ob über dem dreischiffigen Grundriß eine Basilika oder eine Hallenkirche aufgeführt ist; unten, in Augenhöhe, bleibt die Kirche ganz dieselbe. Warum sollen also gerade Hallenkirchen im Gegensatze zu Basiliken Gemeindekirchen sein? Noch dazu, da es sich in Hallenkirchen meistens viel schlechter hört und predigt als in Basiliken. Sind Hallenkirchen "Gemeindekirchen", so sind es Basiliken über demselben Grundriß genau ebenso. So ist es auch thatsächlich: auch die dreischiffigen basilicalen Pfarrkirchen sind Gemeindekirchen. Um ein Beispiel anzuführen, finden sich über demselben Grundriß (dem der Theynkirche in Prag) drei verschiedene Querschnitte aufgebaut. Vollständige Hallenkirche: die Theynkirche; die Seitenschiffe etwas niedriger als das Mittelschiff, jedoch ohne basilicales Licht: Emmaus in Prag; eine richtige Basilika: die Stadtpfarrkirche in Glatz. Alle drei Kirchen zeigen, wie selbstverständlich, unten ganz denselben Durchblick. Die drei Grundrisse Fontevrault beweisen), in Uebung waren. Sie können auch gar keine besondere, aus Erfordernissen des albigensischen Gottesdienstes hervorgegangene Form sein, da man sie in Italien, wo die Albigenser als Katharer, Patarener usw. zur gleichen Zeit viel verbreiteter waren und wo sie sich viel länger gehalten haben, nicht findet. Diese einzige Eigentümlichkeit des Languedoc nun ist aber gerade weder von Matthias von Arras noch von Peter Parler nach „dem Lande der Hussiten“ gebracht worden; denn alle ihre Kirchen sind wie die aller ihrer nächsten Nachfolger drei- und mehrschiffig (die Karlshofer Kirche ausgenommen, deren Grundriß aber ein großes Achteck bildet). Wie bringt nun Gurlitt eine Verbindung dieser einschiffigen Kirchen des Languedoc mit den dreischiffigen Böhmens — die übrigens gerade so sind wie in der ganzen übrigen Christenheit — zu Stande? Er nennt die einschiffige Anlage eine Halle. Die dreischiffigen, nicht basilicalen Anlagen heißen Hallenkirchen — folglich sind sie gleichartig, und folglich sind die drei- und mehrschiffigen Hallenkirchen ebenfalls „Gemeindekirchen“! Nun ist es aber für die Versammlung einer Gemeinde, sei es daß sie die Predigt oder die Messe hören will, ganz gleichgiltig, ob über dem dreischiffigen Grundriß eine Basilika oder eine Hallenkirche aufgeführt ist; unten, in Augenhöhe, bleibt die Kirche ganz dieselbe. Warum sollen also gerade Hallenkirchen im Gegensatze zu Basiliken Gemeindekirchen sein? Noch dazu, da es sich in Hallenkirchen meistens viel schlechter hört und predigt als in Basiliken. Sind Hallenkirchen „Gemeindekirchen“, so sind es Basiliken über demselben Grundriß genau ebenso. So ist es auch thatsächlich: auch die dreischiffigen basilicalen Pfarrkirchen sind Gemeindekirchen. Um ein Beispiel anzuführen, finden sich über demselben Grundriß (dem der Theynkirche in Prag) drei verschiedene Querschnitte aufgebaut. Vollständige Hallenkirche: die Theynkirche; die Seitenschiffe etwas niedriger als das Mittelschiff, jedoch ohne basilicales Licht: Emmaus in Prag; eine richtige Basilika: die Stadtpfarrkirche in Glatz. Alle drei Kirchen zeigen, wie selbstverständlich, unten ganz denselben Durchblick. Die drei Grundrisse <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="27"/> Fontevrault beweisen), in Uebung waren. Sie können auch gar keine besondere, aus Erfordernissen des albigensischen Gottesdienstes hervorgegangene Form sein, da man sie in Italien, wo die Albigenser als Katharer, Patarener usw. zur gleichen Zeit viel verbreiteter waren und wo sie sich viel länger gehalten haben, nicht findet. Diese einzige Eigentümlichkeit des Languedoc nun ist aber gerade weder von Matthias von Arras noch von Peter Parler nach „dem Lande der Hussiten“ gebracht worden; denn alle ihre Kirchen sind wie die aller ihrer nächsten Nachfolger drei- und mehrschiffig (die Karlshofer Kirche ausgenommen, deren Grundriß aber ein großes Achteck bildet).</p> <p>Wie bringt nun Gurlitt eine Verbindung dieser einschiffigen Kirchen des Languedoc mit den dreischiffigen Böhmens — die übrigens gerade so sind wie in der ganzen übrigen Christenheit — zu Stande? Er <hi rendition="#g">nennt</hi> die einschiffige Anlage eine Halle. 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Fontevrault beweisen), in Uebung waren. Sie können auch gar keine besondere, aus Erfordernissen des albigensischen Gottesdienstes hervorgegangene Form sein, da man sie in Italien, wo die Albigenser als Katharer, Patarener usw. zur gleichen Zeit viel verbreiteter waren und wo sie sich viel länger gehalten haben, nicht findet. Diese einzige Eigentümlichkeit des Languedoc nun ist aber gerade weder von Matthias von Arras noch von Peter Parler nach „dem Lande der Hussiten“ gebracht worden; denn alle ihre Kirchen sind wie die aller ihrer nächsten Nachfolger drei- und mehrschiffig (die Karlshofer Kirche ausgenommen, deren Grundriß aber ein großes Achteck bildet).
Wie bringt nun Gurlitt eine Verbindung dieser einschiffigen Kirchen des Languedoc mit den dreischiffigen Böhmens — die übrigens gerade so sind wie in der ganzen übrigen Christenheit — zu Stande? Er nennt die einschiffige Anlage eine Halle. Die dreischiffigen, nicht basilicalen Anlagen heißen Hallenkirchen — folglich sind sie gleichartig, und folglich sind die drei- und mehrschiffigen Hallenkirchen ebenfalls „Gemeindekirchen“!
Nun ist es aber für die Versammlung einer Gemeinde, sei es daß sie die Predigt oder die Messe hören will, ganz gleichgiltig, ob über dem dreischiffigen Grundriß eine Basilika oder eine Hallenkirche aufgeführt ist; unten, in Augenhöhe, bleibt die Kirche ganz dieselbe. Warum sollen also gerade Hallenkirchen im Gegensatze zu Basiliken Gemeindekirchen sein? Noch dazu, da es sich in Hallenkirchen meistens viel schlechter hört und predigt als in Basiliken. Sind Hallenkirchen „Gemeindekirchen“, so sind es Basiliken über demselben Grundriß genau ebenso. So ist es auch thatsächlich: auch die dreischiffigen basilicalen Pfarrkirchen sind Gemeindekirchen. Um ein Beispiel anzuführen, finden sich über demselben Grundriß (dem der Theynkirche in Prag) drei verschiedene Querschnitte aufgebaut. Vollständige Hallenkirche: die Theynkirche; die Seitenschiffe etwas niedriger als das Mittelschiff, jedoch ohne basilicales Licht: Emmaus in Prag; eine richtige Basilika: die Stadtpfarrkirche in Glatz. Alle drei Kirchen zeigen, wie selbstverständlich, unten ganz denselben Durchblick. Die drei Grundrisse
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