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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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blaues Auge sinnend auf den vergelbten Blät¬
tern seines Stammbuchs weilen; und wie deut¬
lich sehe ich, wie dieses Auge nach und nach
sich füllt, wie eine Thräne in den grauen Wim¬
pern zittert, wie der gebietende Mund sich zu¬
sammenpreßt, wie der alte Herr langsam und
zögernd die Feder ergreift und "einem seiner
Brüder, der geschieden," das schwarze Kreuz
unter den Namen malt.

"Der Herr hält seinen Schalttag," pflegten
die Diener uns zuzuwispern, wenn wir Enkel
laut und fröhlich wie gewöhnlich die Treppe
hinanstürmten; "der Großvater hält seinen
Schalttag," flüsterten wir uns zu, und glaub¬
ten nicht anders, als er bescheere sich selbst
den heiligen Christ, weil er ja doch niemand
habe, der ihm den Christbaum anzünde. Und
war es nicht so, wie wir in kindischer Einfalt
glaubten? Zündete er nicht den Christbaum
seiner Erinnerung an, flammten nicht tausend

blaues Auge ſinnend auf den vergelbten Blaͤt¬
tern ſeines Stammbuchs weilen; und wie deut¬
lich ſehe ich, wie dieſes Auge nach und nach
ſich fuͤllt, wie eine Thraͤne in den grauen Wim¬
pern zittert, wie der gebietende Mund ſich zu¬
ſammenpreßt, wie der alte Herr langſam und
zoͤgernd die Feder ergreift und „einem ſeiner
Bruͤder, der geſchieden,“ das ſchwarze Kreuz
unter den Namen malt.

„Der Herr haͤlt ſeinen Schalttag,“ pflegten
die Diener uns zuzuwiſpern, wenn wir Enkel
laut und froͤhlich wie gewoͤhnlich die Treppe
hinanſtuͤrmten; „der Großvater haͤlt ſeinen
Schalttag,“ fluͤſterten wir uns zu, und glaub¬
ten nicht anders, als er beſcheere ſich ſelbſt
den heiligen Chriſt, weil er ja doch niemand
habe, der ihm den Chriſtbaum anzuͤnde. Und
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[11/0017] blaues Auge ſinnend auf den vergelbten Blaͤt¬ tern ſeines Stammbuchs weilen; und wie deut¬ lich ſehe ich, wie dieſes Auge nach und nach ſich fuͤllt, wie eine Thraͤne in den grauen Wim¬ pern zittert, wie der gebietende Mund ſich zu¬ ſammenpreßt, wie der alte Herr langſam und zoͤgernd die Feder ergreift und „einem ſeiner Bruͤder, der geſchieden,“ das ſchwarze Kreuz unter den Namen malt. „Der Herr haͤlt ſeinen Schalttag,“ pflegten die Diener uns zuzuwiſpern, wenn wir Enkel laut und froͤhlich wie gewoͤhnlich die Treppe hinanſtuͤrmten; „der Großvater haͤlt ſeinen Schalttag,“ fluͤſterten wir uns zu, und glaub¬ ten nicht anders, als er beſcheere ſich ſelbſt den heiligen Chriſt, weil er ja doch niemand habe, der ihm den Chriſtbaum anzuͤnde. Und war es nicht ſo, wie wir in kindiſcher Einfalt glaubten? Zuͤndete er nicht den Chriſtbaum ſeiner Erinnerung an, flammten nicht tauſend

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/17>, abgerufen am 23.11.2024.