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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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Keiner der Arbeiter wagte ihn anzureden,
obgleich sie ihn alle kannten.

Aus dem letzten Wagen hob man soeben
das kleine Tobiäschen.

Es war tot.

Lene folgte ihm, ihr Gesicht war bläulich¬
weiß, braune Kreise lagen um ihre Augen.

Thiel würdigte sie keines Blickes, sie aber
erschrak beim Anblick ihres Mannes. Seine
Wangen waren hohl, Wimpern und Barthaare
verklebt, der Scheitel, so schien es ihr, ergrauter
als bisher, Die Spuren vertrockneter Thränen
überall auf dem Gesicht; dazu ein unstetes Licht
in seinen Augen, davor sie ein Grauen ankam.

Auch die Tragbahre hatte man wieder mit¬
gebracht, um die Leiche transportieren zu können.

Eine Weile herrschte unheimliche Stille. Eine
tiefe, entsetzliche Versonnenheit hatte sich Thiels
bemächtigt. Es wurde dunkler. Ein Rudel
Rehe setzte seitab auf den Bahndamm. Der
Bock blieb stehen mitten zwischen den Geleisen.
Er wandte seinen gelenken Hals neugierig her¬
um, da pfiff die Maschine, und blitzartig ver¬
schwand er samt seiner Herde.

In dem Augenblick, als der Zug sich in
Bewegung setzen wollte, brach Thiel zusammen.

Keiner der Arbeiter wagte ihn anzureden,
obgleich ſie ihn alle kannten.

Aus dem letzten Wagen hob man ſoeben
das kleine Tobiäschen.

Es war tot.

Lene folgte ihm, ihr Geſicht war bläulich¬
weiß, braune Kreiſe lagen um ihre Augen.

Thiel würdigte ſie keines Blickes, ſie aber
erſchrak beim Anblick ihres Mannes. Seine
Wangen waren hohl, Wimpern und Barthaare
verklebt, der Scheitel, ſo ſchien es ihr, ergrauter
als bisher, Die Spuren vertrockneter Thränen
überall auf dem Geſicht; dazu ein unſtetes Licht
in ſeinen Augen, davor ſie ein Grauen ankam.

Auch die Tragbahre hatte man wieder mit¬
gebracht, um die Leiche transportieren zu können.

Eine Weile herrſchte unheimliche Stille. Eine
tiefe, entſetzliche Verſonnenheit hatte ſich Thiels
bemächtigt. Es wurde dunkler. Ein Rudel
Rehe ſetzte ſeitab auf den Bahndamm. Der
Bock blieb ſtehen mitten zwiſchen den Geleiſen.
Er wandte ſeinen gelenken Hals neugierig her¬
um, da pfiff die Maſchine, und blitzartig ver¬
ſchwand er ſamt ſeiner Herde.

In dem Augenblick, als der Zug ſich in
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[58/0070] Keiner der Arbeiter wagte ihn anzureden, obgleich ſie ihn alle kannten. Aus dem letzten Wagen hob man ſoeben das kleine Tobiäschen. Es war tot. Lene folgte ihm, ihr Geſicht war bläulich¬ weiß, braune Kreiſe lagen um ihre Augen. Thiel würdigte ſie keines Blickes, ſie aber erſchrak beim Anblick ihres Mannes. Seine Wangen waren hohl, Wimpern und Barthaare verklebt, der Scheitel, ſo ſchien es ihr, ergrauter als bisher, Die Spuren vertrockneter Thränen überall auf dem Geſicht; dazu ein unſtetes Licht in ſeinen Augen, davor ſie ein Grauen ankam. Auch die Tragbahre hatte man wieder mit¬ gebracht, um die Leiche transportieren zu können. Eine Weile herrſchte unheimliche Stille. Eine tiefe, entſetzliche Verſonnenheit hatte ſich Thiels bemächtigt. Es wurde dunkler. Ein Rudel Rehe ſetzte ſeitab auf den Bahndamm. Der Bock blieb ſtehen mitten zwiſchen den Geleiſen. Er wandte ſeinen gelenken Hals neugierig her¬ um, da pfiff die Maſchine, und blitzartig ver¬ ſchwand er ſamt ſeiner Herde. In dem Augenblick, als der Zug ſich in Bewegung ſetzen wollte, brach Thiel zuſammen.

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/70>, abgerufen am 04.12.2024.