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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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ihm. Alles weich, aufgelöst. Thränen und
Schluchzen.

Er ging weiter.

Von oben her, wo die Buchen anfingen,
traf das Geschrei des Kuckucks sein Ohr: jene
zwei Noten, die sich wiederholen, aussetzen, um
dann wieder und wieder zu beginnen. Er ging
weiter, nunmehr für sich und grüblerisch.

Mysteriöse Rührungen waren ihm angesichts
der Natur nichts ungewöhnliches, so stark und
jäh, wie diesmal indes, hatten sie ihn noch
niemals befallen. -- Es war eben sein Naturge¬
fühl, das stärker und tiefer wurde. Nichts war
begreiflicher, und es that nicht Not, sich darüber
hypochondrische Gedanken zu machen. Übrigens
fing es an, sich in ihm zu verdichten, zu ge¬
stalten, zu erbauen. Kaum, daß Minuten ver¬
gingen, und alles in ihm war gebunden und fest.

Er stand still, wieder schauend. Nun war
es die Stadt unten, die ihn anzog und abstieß.
Wie ein grauer, widerlicher Schorf erschien sie
ihm, wie ein Grind, der weiter fressen würde,
in dies Paradies hineingeimpft: Steinhaufen an
Steinhaufen, spärliches Grün dazwischen. Er
begriff, daß der Mensch das allergefährlichste
Ungeziefer sei. Ja wohl das stand außer Zweifel:

ihm. Alles weich, aufgelöſt. Thränen und
Schluchzen.

Er ging weiter.

Von oben her, wo die Buchen anfingen,
traf das Geſchrei des Kuckucks ſein Ohr: jene
zwei Noten, die ſich wiederholen, ausſetzen, um
dann wieder und wieder zu beginnen. Er ging
weiter, nunmehr für ſich und grübleriſch.

Myſteriöſe Rührungen waren ihm angeſichts
der Natur nichts ungewöhnliches, ſo ſtark und
jäh, wie diesmal indes, hatten ſie ihn noch
niemals befallen. — Es war eben ſein Naturge¬
fühl, das ſtärker und tiefer wurde. Nichts war
begreiflicher, und es that nicht Not, ſich darüber
hypochondriſche Gedanken zu machen. Übrigens
fing es an, ſich in ihm zu verdichten, zu ge¬
ſtalten, zu erbauen. Kaum, daß Minuten ver¬
gingen, und alles in ihm war gebunden und feſt.

Er ſtand ſtill, wieder ſchauend. Nun war
es die Stadt unten, die ihn anzog und abſtieß.
Wie ein grauer, widerlicher Schorf erſchien ſie
ihm, wie ein Grind, der weiter freſſen würde,
in dies Paradies hineingeimpft: Steinhaufen an
Steinhaufen, ſpärliches Grün dazwiſchen. Er
begriff, daß der Menſch das allergefährlichſte
Ungeziefer ſei. Ja wohl das ſtand außer Zweifel:

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[72/0086] ihm. Alles weich, aufgelöſt. Thränen und Schluchzen. Er ging weiter. Von oben her, wo die Buchen anfingen, traf das Geſchrei des Kuckucks ſein Ohr: jene zwei Noten, die ſich wiederholen, ausſetzen, um dann wieder und wieder zu beginnen. Er ging weiter, nunmehr für ſich und grübleriſch. Myſteriöſe Rührungen waren ihm angeſichts der Natur nichts ungewöhnliches, ſo ſtark und jäh, wie diesmal indes, hatten ſie ihn noch niemals befallen. — Es war eben ſein Naturge¬ fühl, das ſtärker und tiefer wurde. Nichts war begreiflicher, und es that nicht Not, ſich darüber hypochondriſche Gedanken zu machen. Übrigens fing es an, ſich in ihm zu verdichten, zu ge¬ ſtalten, zu erbauen. Kaum, daß Minuten ver¬ gingen, und alles in ihm war gebunden und feſt. Er ſtand ſtill, wieder ſchauend. Nun war es die Stadt unten, die ihn anzog und abſtieß. Wie ein grauer, widerlicher Schorf erſchien ſie ihm, wie ein Grind, der weiter freſſen würde, in dies Paradies hineingeimpft: Steinhaufen an Steinhaufen, ſpärliches Grün dazwiſchen. Er begriff, daß der Menſch das allergefährlichſte Ungeziefer ſei. Ja wohl das ſtand außer Zweifel:

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/86>, abgerufen am 04.12.2024.