Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.
Frau Pastern, mir is a so ... Jch weeß garnich, wie mir zu muthe is. So was kann doch reen garnich menschenmeeglich sein. Wenn das a so is ... das is ja grade, als wie wenn's Reichthum a Verbrechen wär. Sehn's ock, wenn mir das hätte Jemand gesagt, ich weeß garnich, Frau Pastern, am ende wär ich lieber in mein' kleenlichen Verhältnissen drinne geblieben. Frau Kittelhaus. Liebe Frau Dreißiger, es giebt in allen Verhältnissen Enttäuschungen und Aerger genug. Frau Dreißiger. Nu freilich, nu freilich, das denk ich mir doch och eben. Und das mir mehr haben, als andere Leute ... nu Jes's, mir haben's doch och nich gestohlen. 'S is doch Heller fer Fennig uf rechtlichem Wege erworben. So was kann doch reen garnich meeglich sein, daß die Leute iber een her- fallen. Js denn mein Mann schuld, wenn's Geschäfte schlecht geht? (Von unten herauf dringt tumultuarisches Gebrüll. Während die beiden Frauen noch bleich und erschrocken einander anblicken, stürzt Drei- ßiger herein.) Dreißiger. Rosa, wirf Dir 'was über und spring in den Wagen, ich komme gleich nach! (Er stürzt nach dem Geldschrank, schließt ihn auf und entnimmt ihm verschiedene Werthsachen.) Johann (kommt). Alles bereit. Aber nu schnell, eh's Hinterthor noch besetzt is. Frau Dreißiger (in panischem Schrecken den Kutscher umhalsend). Johann, liebster, bester Johann! Rett' uns, aller aller allerbester Johann! Rette meine Jungen, ach, ach ... Dreißiger. Sei doch vernünftig! Laß doch den Johann los. Johann. Madam, Madam! Sein 's ock ganz geruhig. Unse Rappen sein gutt imstande, die holt keener ein, wer de ni beiseite geht, wird ibergefahrn. (Ab.) Frau Kittelhaus (in rathloser Angst). Aber mein Mann? Aber ... aber mein Mann? Aber, Herr Dreißiger, mein Mann?
Frau Paſtern, mir is a ſo … Jch weeß garnich, wie mir zu muthe is. So was kann doch reen garnich menſchenmeeglich ſein. Wenn das a ſo is … das is ja grade, als wie wenn’s Reichthum a Verbrechen wär. Sehn’s ock, wenn mir das hätte Jemand geſagt, ich weeß garnich, Frau Paſtern, am ende wär ich lieber in mein’ kleenlichen Verhältniſſen drinne geblieben. Frau Kittelhaus. Liebe Frau Dreißiger, es giebt in allen Verhältniſſen Enttäuſchungen und Aerger genug. Frau Dreißiger. Nu freilich, nu freilich, das denk ich mir doch och eben. Und das mir mehr haben, als andere Leute … nu Jes’s, mir haben’s doch och nich geſtohlen. ’S is doch Heller fer Fennig uf rechtlichem Wege erworben. So was kann doch reen garnich meeglich ſein, daß die Leute iber een her- fallen. Js denn mein Mann ſchuld, wenn’s Geſchäfte ſchlecht geht? (Von unten herauf dringt tumultuariſches Gebrüll. Während die beiden Frauen noch bleich und erſchrocken einander anblicken, ſtürzt Drei- ßiger herein.) Dreißiger. Roſa, wirf Dir ’was über und ſpring in den Wagen, ich komme gleich nach! (Er ſtürzt nach dem Geldſchrank, ſchließt ihn auf und entnimmt ihm verſchiedene Werthſachen.) Johann (kommt). Alles bereit. Aber nu ſchnell, eh’s Hinterthor noch beſetzt is. Frau Dreißiger (in paniſchem Schrecken den Kutſcher umhalſend). Johann, liebſter, beſter Johann! Rett’ uns, aller aller allerbeſter Johann! Rette meine Jungen, ach, ach … Dreißiger. Sei doch vernünftig! Laß doch den Johann los. Johann. Madam, Madam! Sein ’s ock ganz geruhig. Unſe Rappen ſein gutt imſtande, die holt keener ein, wer de ni beiſeite geht, wird ibergefahrn. (Ab.) Frau Kittelhaus (in rathloſer Angſt). Aber mein Mann? Aber … aber mein Mann? Aber, Herr Dreißiger, mein Mann? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#FRDRE"> <p><pb facs="#f0100" n="87"/> Frau Paſtern, mir is a ſo … Jch weeß garnich, wie<lb/> mir zu muthe is. So was kann doch reen garnich<lb/> menſchenmeeglich ſein. Wenn das a ſo is … das is<lb/> ja grade, als wie wenn’s Reichthum a Verbrechen wär.<lb/> Sehn’s ock, wenn mir das hätte Jemand geſagt, ich<lb/> weeß garnich, Frau Paſtern, am ende wär ich lieber<lb/> in mein’ kleenlichen Verhältniſſen drinne geblieben.</p> </sp><lb/> <sp who="#FRKITT"> <speaker><hi rendition="#g">Frau Kittelhaus</hi>.</speaker> <p>Liebe Frau Dreißiger, es<lb/> giebt in allen Verhältniſſen Enttäuſchungen und<lb/> Aerger genug.</p> </sp><lb/> <sp who="#FRDRE"> <speaker><hi rendition="#g">Frau Dreißiger</hi>.</speaker> <p>Nu freilich, nu freilich, das<lb/> denk ich mir doch och eben. Und das mir mehr<lb/> haben, als andere Leute … nu Jes’s, mir haben’s<lb/> doch och nich geſtohlen. ’S is doch Heller fer Fennig<lb/> uf rechtlichem Wege erworben. So was kann doch<lb/> reen garnich meeglich ſein, daß die Leute iber een her-<lb/> fallen. Js denn mein Mann ſchuld, wenn’s Geſchäfte<lb/> ſchlecht geht?</p> <stage>(Von unten herauf dringt tumultuariſches Gebrüll. Während<lb/> die beiden Frauen noch bleich und erſchrocken einander anblicken, ſtürzt Drei-<lb/> ßiger herein.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#DRE"> <speaker><hi rendition="#g">Dreißiger</hi>.</speaker> <p>Roſa, wirf Dir ’was über und<lb/> ſpring in den Wagen, ich komme gleich nach!</p> <stage>(Er<lb/> ſtürzt nach dem Geldſchrank, ſchließt ihn auf und entnimmt ihm verſchiedene<lb/> Werthſachen.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#JOH"> <speaker> <hi rendition="#g">Johann</hi> </speaker> <stage>(kommt).</stage> <p>Alles bereit. Aber nu ſchnell,<lb/> eh’s Hinterthor noch beſetzt is.</p> </sp><lb/> <sp who="#FRDRE"> <speaker> <hi rendition="#g">Frau Dreißiger</hi> </speaker> <stage>(in paniſchem Schrecken den Kutſcher umhalſend).</stage><lb/> <p>Johann, liebſter, beſter Johann! Rett’ uns, aller aller<lb/> allerbeſter Johann! Rette meine Jungen, ach, ach …</p> </sp><lb/> <sp who="#DRE"> <speaker><hi rendition="#g">Dreißiger</hi>.</speaker> <p>Sei doch vernünftig! Laß doch den<lb/> Johann los.</p> </sp><lb/> <sp who="#JOH"> <speaker><hi rendition="#g">Johann</hi>.</speaker> <p>Madam, Madam! Sein ’s ock ganz<lb/> geruhig. Unſe Rappen ſein gutt imſtande, die holt<lb/> keener ein, wer de ni beiſeite geht, wird ibergefahrn.</p> <stage>(Ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#FRKITT"> <speaker> <hi rendition="#g">Frau Kittelhaus</hi> </speaker> <stage>(in rathloſer Angſt).</stage> <p>Aber mein<lb/> Mann? Aber … aber mein Mann? Aber, Herr<lb/> Dreißiger, mein Mann?</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [87/0100]
Frau Paſtern, mir is a ſo … Jch weeß garnich, wie
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menſchenmeeglich ſein. Wenn das a ſo is … das is
ja grade, als wie wenn’s Reichthum a Verbrechen wär.
Sehn’s ock, wenn mir das hätte Jemand geſagt, ich
weeß garnich, Frau Paſtern, am ende wär ich lieber
in mein’ kleenlichen Verhältniſſen drinne geblieben.
Frau Kittelhaus. Liebe Frau Dreißiger, es
giebt in allen Verhältniſſen Enttäuſchungen und
Aerger genug.
Frau Dreißiger. Nu freilich, nu freilich, das
denk ich mir doch och eben. Und das mir mehr
haben, als andere Leute … nu Jes’s, mir haben’s
doch och nich geſtohlen. ’S is doch Heller fer Fennig
uf rechtlichem Wege erworben. So was kann doch
reen garnich meeglich ſein, daß die Leute iber een her-
fallen. Js denn mein Mann ſchuld, wenn’s Geſchäfte
ſchlecht geht? (Von unten herauf dringt tumultuariſches Gebrüll. Während
die beiden Frauen noch bleich und erſchrocken einander anblicken, ſtürzt Drei-
ßiger herein.)
Dreißiger. Roſa, wirf Dir ’was über und
ſpring in den Wagen, ich komme gleich nach! (Er
ſtürzt nach dem Geldſchrank, ſchließt ihn auf und entnimmt ihm verſchiedene
Werthſachen.)
Johann (kommt). Alles bereit. Aber nu ſchnell,
eh’s Hinterthor noch beſetzt is.
Frau Dreißiger (in paniſchem Schrecken den Kutſcher umhalſend).
Johann, liebſter, beſter Johann! Rett’ uns, aller aller
allerbeſter Johann! Rette meine Jungen, ach, ach …
Dreißiger. Sei doch vernünftig! Laß doch den
Johann los.
Johann. Madam, Madam! Sein ’s ock ganz
geruhig. Unſe Rappen ſein gutt imſtande, die holt
keener ein, wer de ni beiſeite geht, wird ibergefahrn. (Ab.)
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