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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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Dreißiger. Fran Paster, Frau Paster, er is
ja gesund. Beruhigen Sie sich doch nur, er is ja
gesund.
Frau Kittelhaus. Es ist ihm 'was Schlimmes
zugestoßen. Sie sagen's blos nich, Sie sagen's blos nich.
Dreißiger. O lassen Sie's gut sein, die werden's
bereun. Jch weiß ganz genau, wessen Hände dabei
waren. Eine so namenlose, schamlose Frechheit bleibt
nich ungerochen. Eine Gemeinde, die ihren Seel-
sorger mißhandelt, pfui Teufel! Tolle Hunde,
nichts weiter, toll gewordene Bestien, die man dem-
gemäß behandeln wird.
(Zu Frau Dreißiger, die wie betäubt dasteht.)
Nu so geh' doch und rühr' Dich! (Man hört schlagen gegen
die Hausthür.)
Hörst Du denn nich, das Gesindel ist
wahnsinnig geworden.
(Man hört Klimpern von zerbrechenden
Scheiben, die im Parterre eingeworfen werden.)
Das Gesindel hat
den Sonnenkoller. Da bleibt nichts übrig, wir müssen
machen, daß wir fortkommen.

(Man hört vereint rufen: "Expedient Feifer sull rauskumma!"
-- Expedient Feifer sull rauskommen!")
Frau Dreißiger. Feifer, Feifer, sie wollen
Feifer raushaben.
Pfeifer (stürzt herein). Herr Dreißicher, am Hinter-
thor stehn o schonn Leute. De Hausthir hält keene
drei Minuten mehr. D'r Wittigschmied haut mit an
Ferdeeimer drauf nei wie a Unsinniger.
(Von unten Ge-
brüll lauter und deutlicher: "Expedient Feifer soll raus-
kommen! -- Expedient Feifer soll rauskommen!")
Fr. Dreißiger (rennt davon, wie gejagt; ihr nach Frau Kittel-
haus. Beide ab).
Pfeifer (horcht auf, wechselt die Farbe, versteht den Ruf und ist
im nächsten Moment von wahnsinniger Angst erfaßt. Das folgende weint,
wimmert, bettelt, winselt er in rasender Schnelligkeit durcheinander. Dabei
überhäuft er Dreißiger mit kindischen Liebkosungen, streichelt ihm Wangen und
Arme, küßt seine Hände und umklammert ihn schließlich, wie ein Ertrinkender,
ihn dadurch hemmend und fesselnd und nicht von ihm loslassend).
Ach
liebster, scheenster, allergnädigster Herr Dreißicher,
lassen se mich nich zuricke, ich hab ihn immer treu ge-
Dreißiger. Fran Paſter, Frau Paſter, er is
ja geſund. Beruhigen Sie ſich doch nur, er is ja
geſund.
Frau Kittelhaus. Es iſt ihm ’was Schlimmes
zugeſtoßen. Sie ſagen’s blos nich, Sie ſagen’s blos nich.
Dreißiger. O laſſen Sie’s gut ſein, die werden’s
bereun. Jch weiß ganz genau, weſſen Hände dabei
waren. Eine ſo namenloſe, ſchamloſe Frechheit bleibt
nich ungerochen. Eine Gemeinde, die ihren Seel-
ſorger mißhandelt, pfui Teufel! Tolle Hunde,
nichts weiter, toll gewordene Beſtien, die man dem-
gemäß behandeln wird.
(Zu Frau Dreißiger, die wie betäubt daſteht.)
Nu ſo geh’ doch und rühr’ Dich! (Man hört ſchlagen gegen
die Hausthür.)
Hörſt Du denn nich, das Geſindel iſt
wahnſinnig geworden.
(Man hört Klimpern von zerbrechenden
Scheiben, die im Parterre eingeworfen werden.)
Das Geſindel hat
den Sonnenkoller. Da bleibt nichts übrig, wir müſſen
machen, daß wir fortkommen.

(Man hört vereint rufen: „Expedient Feifer ſull rauskumma!“
— Expedient Feifer ſull rauskommen!“)
Frau Dreißiger. Feifer, Feifer, ſie wollen
Feifer raushaben.
Pfeifer (ſtürzt herein). Herr Dreißicher, am Hinter-
thor ſtehn o ſchonn Leute. De Hausthir hält keene
drei Minuten mehr. D’r Wittigſchmied haut mit an
Ferdeeimer drauf nei wie a Unſinniger.
(Von unten Ge-
brüll lauter und deutlicher: „Expedient Feifer ſoll raus-
kommen! — Expedient Feifer ſoll rauskommen!“)
Fr. Dreißiger (rennt davon, wie gejagt; ihr nach Frau Kittel-
haus. Beide ab).
Pfeifer (horcht auf, wechſelt die Farbe, verſteht den Ruf und iſt
im nächſten Moment von wahnſinniger Angſt erfaßt. Das folgende weint,
wimmert, bettelt, winſelt er in raſender Schnelligkeit durcheinander. Dabei
überhäuft er Dreißiger mit kindiſchen Liebkoſungen, ſtreichelt ihm Wangen und
Arme, küßt ſeine Hände und umklammert ihn ſchließlich, wie ein Ertrinkender,
ihn dadurch hemmend und feſſelnd und nicht von ihm loslaſſend).
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[88/0101] Dreißiger. Fran Paſter, Frau Paſter, er is ja geſund. Beruhigen Sie ſich doch nur, er is ja geſund. Frau Kittelhaus. Es iſt ihm ’was Schlimmes zugeſtoßen. Sie ſagen’s blos nich, Sie ſagen’s blos nich. Dreißiger. O laſſen Sie’s gut ſein, die werden’s bereun. Jch weiß ganz genau, weſſen Hände dabei waren. Eine ſo namenloſe, ſchamloſe Frechheit bleibt nich ungerochen. Eine Gemeinde, die ihren Seel- ſorger mißhandelt, pfui Teufel! Tolle Hunde, nichts weiter, toll gewordene Beſtien, die man dem- gemäß behandeln wird. (Zu Frau Dreißiger, die wie betäubt daſteht.) Nu ſo geh’ doch und rühr’ Dich! (Man hört ſchlagen gegen die Hausthür.) Hörſt Du denn nich, das Geſindel iſt wahnſinnig geworden. (Man hört Klimpern von zerbrechenden Scheiben, die im Parterre eingeworfen werden.) Das Geſindel hat den Sonnenkoller. Da bleibt nichts übrig, wir müſſen machen, daß wir fortkommen. (Man hört vereint rufen: „Expedient Feifer ſull rauskumma!“ — Expedient Feifer ſull rauskommen!“) Frau Dreißiger. Feifer, Feifer, ſie wollen Feifer raushaben. Pfeifer (ſtürzt herein). Herr Dreißicher, am Hinter- thor ſtehn o ſchonn Leute. De Hausthir hält keene drei Minuten mehr. D’r Wittigſchmied haut mit an Ferdeeimer drauf nei wie a Unſinniger. (Von unten Ge- brüll lauter und deutlicher: „Expedient Feifer ſoll raus- kommen! — Expedient Feifer ſoll rauskommen!“) Fr. Dreißiger (rennt davon, wie gejagt; ihr nach Frau Kittel- haus. Beide ab). Pfeifer (horcht auf, wechſelt die Farbe, verſteht den Ruf und iſt im nächſten Moment von wahnſinniger Angſt erfaßt. Das folgende weint, wimmert, bettelt, winſelt er in raſender Schnelligkeit durcheinander. Dabei überhäuft er Dreißiger mit kindiſchen Liebkoſungen, ſtreichelt ihm Wangen und Arme, küßt ſeine Hände und umklammert ihn ſchließlich, wie ein Ertrinkender, ihn dadurch hemmend und feſſelnd und nicht von ihm loslaſſend). Ach liebſter, ſcheenſter, allergnädigſter Herr Dreißicher, laſſen ſe mich nich zuricke, ich hab ihn immer treu ge-

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/101>, abgerufen am 22.11.2024.