Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
Hilse! (Zu einer Frau im "Hause".) Nu Mutterle, wie steht's
midn Reißen? Besser, wie? Na säht ihr woll.
Vater Hilse, ich muß doch och mal schaun, wie's bei
Euch aussieht. Was Teuwel, is denn dem Mutterle?
Luise. Herr Docter, de Lichtadern sein er
vertrocknt, se sieht gar gar nischt mehr.
Chirurgus Schmidt. Das macht der Staub
und das Weben bei Licht. Na sagt amal, kennt ihr
Euch dariber 'n Versch machen? Ganz Peterschwaldau
is ja auf'n Beinen hierriber. Jch setz mich heut frieh
in meinen Wagen, denke nischt ibels, nicht mit einer
Faser. Höre da förmlich Wunderdinge. Was in
drei Teiwels Namen ist denn in die Menschen gefahren,
Hilse? Wüthen da wie 'n Rudel Welfe. Machen
Revolution, Rebellion; werden renitent, plündern
und marodiren ... Mielchen! wo is denn Mielchen?

(Mielchen, noch roth vom Weinen, wird von der Mutter herein geschoben.)
Da, Mielchen, greif mal in meine Rockschöße. (Mielchen
thut es.)
Die Feffernisse sind Deine. Na, na; nich
alle auf einmal. Schwernotsmädel! Erst singen!
Fuchs du hast die ... na? Fuchs du hast die ...
Gans ... Wart nur Du, was Du gemacht hast:
Du hast ja die Sperlinge uf'n Pfarrzaune Stengel-
scheißer genannt. Die haben's angezeigt bei'm Herr
Kanter. Na nu sag blos ein Mensch. An finfzehn-
hundert Menschen sind auf der Achse.
(Fernes Glockenläuten.)
Hört mal: -- in Reichenbach leuten sie Sturm. Finf-
zehnhundert Menschen. Der reine Weltuntergang.
Unheimlich!
Der alte Hilse. Da kommen si wirklich hierriber
nach Bielau?
Chirurgus Schmidt. Nu freilich, freilich, ich
bin ja durchgefahren. Mitten durch a ganzen Schwarm.
Am liebsten wär ich abgestiegen und hätte glei jed'm
a Pulwerle gegeben. Da trottelt eener hinter'm andern
her, wie's graue Elend und verführen ein Gesinge, daß
Hilſe! (Zu einer Frau im „Hauſe“.) Nu Mutterle, wie ſteht’s
midn Reißen? Beſſer, wie? Na ſäht ihr woll.
Vater Hilſe, ich muß doch och mal ſchaun, wie’s bei
Euch ausſieht. Was Teuwel, is denn dem Mutterle?
Luiſe. Herr Docter, de Lichtadern ſein er
vertrocknt, ſe ſieht gar gar niſcht mehr.
Chirurgus Schmidt. Das macht der Staub
und das Weben bei Licht. Na ſagt amal, kennt ihr
Euch dariber ’n Verſch machen? Ganz Peterſchwaldau
is ja auf’n Beinen hierriber. Jch ſetz mich heut frieh
in meinen Wagen, denke niſcht ibels, nicht mit einer
Faſer. Höre da förmlich Wunderdinge. Was in
drei Teiwels Namen iſt denn in die Menſchen gefahren,
Hilſe? Wüthen da wie ’n Rudel Welfe. Machen
Revolution, Rebellion; werden renitent, plündern
und marodiren … Mielchen! wo is denn Mielchen?

(Mielchen, noch roth vom Weinen, wird von der Mutter herein geſchoben.)
Da, Mielchen, greif mal in meine Rockſchöße. (Mielchen
thut es.)
Die Fefferniſſe ſind Deine. Na, na; nich
alle auf einmal. Schwernotsmädel! Erſt ſingen!
Fuchs du haſt die … na? Fuchs du haſt die …
Gans … Wart nur Du, was Du gemacht haſt:
Du haſt ja die Sperlinge uf’n Pfarrzaune Stengel-
ſcheißer genannt. Die haben’s angezeigt bei’m Herr
Kanter. Na nu ſag blos ein Menſch. An finfzehn-
hundert Menſchen ſind auf der Achſe.
(Fernes Glockenläuten.)
Hört mal: — in Reichenbach leuten ſie Sturm. Finf-
zehnhundert Menſchen. Der reine Weltuntergang.
Unheimlich!
Der alte Hilſe. Da kommen ſi wirklich hierriber
nach Bielau?
Chirurgus Schmidt. Nu freilich, freilich, ich
bin ja durchgefahren. Mitten durch a ganzen Schwarm.
Am liebſten wär ich abgeſtiegen und hätte glei jed’m
a Pulwerle gegeben. Da trottelt eener hinter’m andern
her, wie’s graue Elend und verführen ein Geſinge, daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SCHMI">
          <p><pb facs="#f0115" n="102"/>
Hil&#x017F;e!</p>
          <stage>(Zu einer Frau im &#x201E;Hau&#x017F;e&#x201C;.)</stage>
          <p>Nu Mutterle, wie &#x017F;teht&#x2019;s<lb/>
midn Reißen? Be&#x017F;&#x017F;er, wie? Na &#x017F;äht ihr woll.<lb/>
Vater Hil&#x017F;e, ich muß doch och mal &#x017F;chaun, wie&#x2019;s bei<lb/>
Euch aus&#x017F;ieht. Was Teuwel, is denn dem Mutterle?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LUI">
          <speaker><hi rendition="#g">Lui&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Herr Docter, de Lichtadern &#x017F;ein er<lb/>
vertrocknt, &#x017F;e &#x017F;ieht gar gar ni&#x017F;cht mehr.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCHMI">
          <speaker><hi rendition="#g">Chirurgus Schmidt</hi>.</speaker>
          <p>Das macht der Staub<lb/>
und das Weben bei Licht. Na &#x017F;agt amal, kennt ihr<lb/>
Euch dariber &#x2019;n Ver&#x017F;ch machen? Ganz Peter&#x017F;chwaldau<lb/>
is ja auf&#x2019;n Beinen hierriber. Jch &#x017F;etz mich heut frieh<lb/>
in meinen Wagen, denke ni&#x017F;cht ibels, nicht mit einer<lb/>
Fa&#x017F;er. Höre da förmlich Wunderdinge. Was in<lb/>
drei Teiwels Namen i&#x017F;t denn in die Men&#x017F;chen gefahren,<lb/>
Hil&#x017F;e? Wüthen da wie &#x2019;n Rudel Welfe. Machen<lb/>
Revolution, Rebellion; werden renitent, plündern<lb/>
und marodiren &#x2026; Mielchen! wo is denn Mielchen?</p><lb/>
          <stage>(Mielchen, noch roth vom Weinen, wird von der Mutter herein ge&#x017F;choben.)</stage><lb/>
          <p>Da, Mielchen, greif mal in meine Rock&#x017F;chöße.</p>
          <stage>(Mielchen<lb/>
thut es.)</stage>
          <p>Die Fefferni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind Deine. Na, na; nich<lb/>
alle auf einmal. Schwernotsmädel! Er&#x017F;t &#x017F;ingen!<lb/>
Fuchs du ha&#x017F;t die &#x2026; na? Fuchs du ha&#x017F;t die &#x2026;<lb/>
Gans &#x2026; Wart nur Du, was Du gemacht ha&#x017F;t:<lb/>
Du ha&#x017F;t ja die Sperlinge uf&#x2019;n Pfarrzaune Stengel-<lb/>
&#x017F;cheißer genannt. Die haben&#x2019;s angezeigt bei&#x2019;m Herr<lb/>
Kanter. Na nu &#x017F;ag blos ein Men&#x017F;ch. An finfzehn-<lb/>
hundert Men&#x017F;chen &#x017F;ind auf der Ach&#x017F;e.</p>
          <stage>(Fernes Glockenläuten.)</stage><lb/>
          <p>Hört mal: &#x2014; in Reichenbach leuten &#x017F;ie Sturm. Finf-<lb/>
zehnhundert Men&#x017F;chen. Der reine Weltuntergang.<lb/>
Unheimlich!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISE">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Da kommen &#x017F;i wirklich hierriber<lb/>
nach Bielau?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCHMI">
          <speaker><hi rendition="#g">Chirurgus Schmidt</hi>.</speaker>
          <p>Nu freilich, freilich, ich<lb/>
bin ja durchgefahren. Mitten durch a ganzen Schwarm.<lb/>
Am lieb&#x017F;ten wär ich abge&#x017F;tiegen und hätte glei jed&#x2019;m<lb/>
a Pulwerle gegeben. Da trottelt eener hinter&#x2019;m andern<lb/>
her, wie&#x2019;s graue Elend und verführen ein Ge&#x017F;inge, daß<lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0115] Hilſe! (Zu einer Frau im „Hauſe“.) Nu Mutterle, wie ſteht’s midn Reißen? Beſſer, wie? Na ſäht ihr woll. Vater Hilſe, ich muß doch och mal ſchaun, wie’s bei Euch ausſieht. Was Teuwel, is denn dem Mutterle? Luiſe. Herr Docter, de Lichtadern ſein er vertrocknt, ſe ſieht gar gar niſcht mehr. Chirurgus Schmidt. Das macht der Staub und das Weben bei Licht. Na ſagt amal, kennt ihr Euch dariber ’n Verſch machen? Ganz Peterſchwaldau is ja auf’n Beinen hierriber. Jch ſetz mich heut frieh in meinen Wagen, denke niſcht ibels, nicht mit einer Faſer. Höre da förmlich Wunderdinge. Was in drei Teiwels Namen iſt denn in die Menſchen gefahren, Hilſe? Wüthen da wie ’n Rudel Welfe. Machen Revolution, Rebellion; werden renitent, plündern und marodiren … Mielchen! wo is denn Mielchen? (Mielchen, noch roth vom Weinen, wird von der Mutter herein geſchoben.) Da, Mielchen, greif mal in meine Rockſchöße. (Mielchen thut es.) Die Fefferniſſe ſind Deine. Na, na; nich alle auf einmal. Schwernotsmädel! Erſt ſingen! Fuchs du haſt die … na? Fuchs du haſt die … Gans … Wart nur Du, was Du gemacht haſt: Du haſt ja die Sperlinge uf’n Pfarrzaune Stengel- ſcheißer genannt. Die haben’s angezeigt bei’m Herr Kanter. Na nu ſag blos ein Menſch. An finfzehn- hundert Menſchen ſind auf der Achſe. (Fernes Glockenläuten.) Hört mal: — in Reichenbach leuten ſie Sturm. Finf- zehnhundert Menſchen. Der reine Weltuntergang. Unheimlich! Der alte Hilſe. Da kommen ſi wirklich hierriber nach Bielau? Chirurgus Schmidt. Nu freilich, freilich, ich bin ja durchgefahren. Mitten durch a ganzen Schwarm. Am liebſten wär ich abgeſtiegen und hätte glei jed’m a Pulwerle gegeben. Da trottelt eener hinter’m andern her, wie’s graue Elend und verführen ein Geſinge, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Weber sind zu Beginn auf schlesisch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/115
Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/115>, abgerufen am 23.11.2024.