Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892. Bäcker (verwundert stehen bleibend). Wo denn her, Vater Hilse? Der alte Hilse. Aus 'n Zuchthause, woher denn sonste? Bäcker (wild herauslachend). Das wär mir schonn lange recht. Da kriegt ma wenigstens satt Brot, Vater Hilse! (Ab.) Der alte Baumert (war in stumpfsinniges Grübeln, auf einem Schemel hockend, verfallen; nun steht er auf). 'S is wahr, Gustav, an' kleene Schleuder hab ich. Aber derwegen bin ich noch klar genug im Kopfe -- dahier. Du hast deine Meenung von der Sache, ich hab meine. Jch sag: Bäcker hat recht, nimmt's a Ende in Ketten und Stricken: -- Jm Zuchthause is immer noch besser wie drheeme. Da is ma versorgt; da braucht ma nich darben. Jch wollte ja gerne nich mitmacha. Aber sieh ock, Gustav; d'r Mensch muß doch a eenziges Mal an Augenblick Luft kriegen. (Langsam nach der Thür.) Leb gesund, Gustav. Sollte was vorfalln, sprich a Gebetl fer mich mit, herscht! (Ab.) (Von den Aufständischen ist nun keiner mehr auf dem Schauplatz. Das "Haus" füllt sich allmälig wieder mit neugierigen Bewohnern. Der alte Hilse knüpft an der Werfte herum. Gottlieb hat eine Art hinterm Ofen hervor geholt und prüft bewußtlos die Schneide. Beide, der Alte und Gottlieb, stumm bewegt. Von draußen dringt das Summen und Brausen einer großen Menschenmenge.) Mutter Hilse. Nu sag ock, Mann -- de Dielen zittern ja a so sehr -- was geht denn vor. Was soll denn hier werdn? (Pause.) Der alte Hilse. Gottlieb! Gottlieb. Was soll ich denn? Der alte Hilse. Laß du die Axt liegen. Gottlieb. Wer soll denn Holz kleene machen? (Er lehnt die Axt an den Ofen.) (Pause.) Mutter Hilse. Gottlieb, hör du uf das, was dr Vater sagt. Bäcker (verwundert ſtehen bleibend). Wo denn her, Vater Hilſe? Der alte Hilſe. Aus ’n Zuchthauſe, woher denn ſonſte? Bäcker (wild herauslachend). Das wär mir ſchonn lange recht. Da kriegt ma wenigſtens ſatt Brot, Vater Hilſe! (Ab.) Der alte Baumert (war in ſtumpfſinniges Grübeln, auf einem Schemel hockend, verfallen; nun ſteht er auf). ’S is wahr, Guſtav, an’ kleene Schleuder hab ich. Aber derwegen bin ich noch klar genug im Kopfe — dahier. Du haſt deine Meenung von der Sache, ich hab meine. Jch ſag: Bäcker hat recht, nimmt’s a Ende in Ketten und Stricken: — Jm Zuchthauſe is immer noch beſſer wie drheeme. Da is ma verſorgt; da braucht ma nich darben. Jch wollte ja gerne nich mitmacha. Aber ſieh ock, Guſtav; d’r Menſch muß doch a eenziges Mal an Augenblick Luft kriegen. (Langſam nach der Thür.) Leb geſund, Guſtav. Sollte was vorfalln, ſprich a Gebetl fer mich mit, herſcht! (Ab.) (Von den Aufſtändiſchen iſt nun keiner mehr auf dem Schauplatz. Das „Haus“ füllt ſich allmälig wieder mit neugierigen Bewohnern. Der alte Hilſe knüpft an der Werfte herum. Gottlieb hat eine Art hinterm Ofen hervor geholt und prüft bewußtlos die Schneide. Beide, der Alte und Gottlieb, ſtumm bewegt. Von draußen dringt das Summen und Brauſen einer großen Menſchenmenge.) Mutter Hilſe. Nu ſag ock, Mann — de Dielen zittern ja a ſo ſehr — was geht denn vor. Was ſoll denn hier werdn? (Pauſe.) Der alte Hilſe. Gottlieb! Gottlieb. Was ſoll ich denn? Der alte Hilſe. Laß du die Axt liegen. Gottlieb. Wer ſoll denn Holz kleene machen? (Er lehnt die Axt an den Ofen.) (Pauſe.) Mutter Hilſe. Gottlieb, hör du uf das, was dr Vater ſagt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0127" n="114"/> <sp who="#BAECK"> <speaker> <hi rendition="#g">Bäcker</hi> </speaker> <stage>(verwundert ſtehen bleibend).</stage> <p>Wo denn her, Vater<lb/> Hilſe?</p> </sp><lb/> <sp who="#HISE"> <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hilſe</hi>.</speaker> <p>Aus ’n Zuchthauſe, woher<lb/> denn ſonſte?</p> </sp><lb/> <sp who="#BAECK"> <speaker> <hi rendition="#g">Bäcker</hi> </speaker> <stage>(wild herauslachend).</stage> <p>Das wär mir ſchonn lange<lb/> recht. 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Hilſe! (Ab.)
Der alte Baumert (war in ſtumpfſinniges Grübeln, auf
einem Schemel hockend, verfallen; nun ſteht er auf). ’S is wahr,
Guſtav, an’ kleene Schleuder hab ich. Aber derwegen
bin ich noch klar genug im Kopfe — dahier. Du
haſt deine Meenung von der Sache, ich hab meine.
Jch ſag: Bäcker hat recht, nimmt’s a Ende in Ketten
und Stricken: — Jm Zuchthauſe is immer noch beſſer
wie drheeme. Da is ma verſorgt; da braucht ma
nich darben. Jch wollte ja gerne nich mitmacha. Aber
ſieh ock, Guſtav; d’r Menſch muß doch a eenziges
Mal an Augenblick Luft kriegen. (Langſam nach der Thür.)
Leb geſund, Guſtav. Sollte was vorfalln, ſprich a
Gebetl fer mich mit, herſcht! (Ab.)
(Von den Aufſtändiſchen iſt nun keiner mehr auf dem Schauplatz. Das „Haus“
füllt ſich allmälig wieder mit neugierigen Bewohnern. Der alte Hilſe knüpft an
der Werfte herum. Gottlieb hat eine Art hinterm Ofen hervor geholt und prüft
bewußtlos die Schneide. Beide, der Alte und Gottlieb, ſtumm bewegt. Von
draußen dringt das Summen und Brauſen einer großen Menſchenmenge.)
Mutter Hilſe. Nu ſag ock, Mann — de Dielen
zittern ja a ſo ſehr — was geht denn vor. Was ſoll
denn hier werdn?
(Pauſe.)
Der alte Hilſe. Gottlieb!
Gottlieb. Was ſoll ich denn?
Der alte Hilſe. Laß du die Axt liegen.
Gottlieb. Wer ſoll denn Holz kleene machen?
(Er lehnt die Axt an den Ofen.)
(Pauſe.)
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