Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.geflickt sind. Die jungen Mädchen sind mitunter nicht ohne Cassirer Neumann (Geld aufzählend). Bleibt sech- zehn Silbergroschen zwei Pfennig. Erste Weberfrau (dreißigjährig, sehr abgezehrt, streicht das Geld ein mit zitternden Fingern). Sind se bedankt. Neumann (als die Frau stehen bleibt). Nu? stimmt's etwa wieder nich? Erste Weberfrau (bewegt, flehentlich). A par Fenniche uf Vorschuß hätt' ich doch halt a so netig. Neumann. Jch hab a par hundert Thaler nötig. Wenn's ufs Nötighaben ankäm --! (Schon mit Auszahlen an einen andern Weber beschäftigt, kurz.) Jber den Vor- schuß hat Herr Dreißiger selbst zu bestimmen. Erste Weberfrau. Kend' ich da vielleicht ama mit'n Herr Dreißiger selber redn? Expedient Pfeifer (ehemaliger Weber. Das Typische an ihm ist unverkennbar; nur ist er wohlgenährt, gepflegt, gekleidet, glatt rasirt, auch ein starker Schnupfer. Er ruft barsch herüber). Da hätte Herr Dreißiger weiß Gott viel zu thun, wenn er sich um jede Kleenigkeit selber bekimmern sollte. Dazu sind wir da. (Er zirkelt und untersucht mit der Lupe.) Schwerenotht! Das zieht. (Er packt sich einen dicken Shawl um den Hals.) Machl de Thire zu, wer 'rein kommt. Der Lehrling (laut zu Pfeifer). Das is, wie wenn man mit Klötzen redte. Pfeifer. Abgemacht sela! -- Wage! (Der Weber legt das Webe auf die Wage.) Wenn Jhr ock Eure Sache besser verstehn thät't. Treppn hat's wieder drinne ... ich seh gar nich hin. A guter Weber verschiebt's Auf- bäumen nich wer weeß wie lange. Bäcker (ist gekommen. Ein junger, ausnahmsweise starker Weber dessen Gebahren ungezwungen, fast frech ist. Pfeifer, Neumann und der Lehr- geflickt ſind. Die jungen Mädchen ſind mitunter nicht ohne Caſſirer Neumann (Geld aufzählend). Bleibt ſech- zehn Silbergroſchen zwei Pfennig. Erſte Weberfrau (dreißigjährig, ſehr abgezehrt, ſtreicht das Geld ein mit zitternden Fingern). Sind ſe bedankt. Neumann (als die Frau ſtehen bleibt). Nu? ſtimmt’s etwa wieder nich? Erſte Weberfrau (bewegt, flehentlich). A par Fenniche uf Vorſchuß hätt’ ich doch halt a ſo netig. Neumann. Jch hab a par hundert Thaler nötig. Wenn’s ufs Nötighaben ankäm —! (Schon mit Auszahlen an einen andern Weber beſchäftigt, kurz.) Jber den Vor- ſchuß hat Herr Dreißiger ſelbſt zu beſtimmen. Erſte Weberfrau. Kend’ ich da vielleicht ama mit’n Herr Dreißiger ſelber redn? Expedient Pfeifer (ehemaliger Weber. Das Typiſche an ihm iſt unverkennbar; nur iſt er wohlgenährt, gepflegt, gekleidet, glatt raſirt, auch ein ſtarker Schnupfer. Er ruft barſch herüber). Da hätte Herr Dreißiger weiß Gott viel zu thun, wenn er ſich um jede Kleenigkeit ſelber bekimmern ſollte. Dazu ſind wir da. (Er zirkelt und unterſucht mit der Lupe.) Schwerenotht! Das zieht. (Er packt ſich einen dicken Shawl um den Hals.) Machl de Thire zu, wer ’rein kommt. Der Lehrling (laut zu Pfeifer). Das is, wie wenn man mit Klötzen redte. Pfeifer. Abgemacht ſela! — Wage! (Der Weber legt das Webe auf die Wage.) Wenn Jhr ock Eure Sache beſſer verſtehn thät’t. Treppn hat’s wieder drinne … ich ſeh gar nich hin. A guter Weber verſchiebt’s Auf- bäumen nich wer weeß wie lange. Bäcker (iſt gekommen. Ein junger, ausnahmsweiſe ſtarker Weber deſſen Gebahren ungezwungen, faſt frech iſt. Pfeifer, Neumann und der Lehr- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <stage> <p><pb facs="#f0019" n="6"/> geflickt ſind. 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geflickt ſind. Die jungen Mädchen ſind mitunter nicht ohne
Reiz; wächſerne Bläſſe, zarte Formen, große, hervorſtehende,
melancholiſche Augen ſind ihnen dann eigen.
Caſſirer Neumann (Geld aufzählend). Bleibt ſech-
zehn Silbergroſchen zwei Pfennig.
Erſte Weberfrau (dreißigjährig, ſehr abgezehrt, ſtreicht das
Geld ein mit zitternden Fingern). Sind ſe bedankt.
Neumann (als die Frau ſtehen bleibt). Nu? ſtimmt’s
etwa wieder nich?
Erſte Weberfrau (bewegt, flehentlich). A par Fenniche
uf Vorſchuß hätt’ ich doch halt a ſo netig.
Neumann. Jch hab a par hundert Thaler
nötig. Wenn’s ufs Nötighaben ankäm —! (Schon
mit Auszahlen an einen andern Weber beſchäftigt, kurz.) Jber den Vor-
ſchuß hat Herr Dreißiger ſelbſt zu beſtimmen.
Erſte Weberfrau. Kend’ ich da vielleicht ama
mit’n Herr Dreißiger ſelber redn?
Expedient Pfeifer (ehemaliger Weber. Das Typiſche an
ihm iſt unverkennbar; nur iſt er wohlgenährt, gepflegt, gekleidet, glatt raſirt,
auch ein ſtarker Schnupfer. Er ruft barſch herüber). Da hätte Herr
Dreißiger weiß Gott viel zu thun, wenn er ſich um
jede Kleenigkeit ſelber bekimmern ſollte. Dazu ſind
wir da. (Er zirkelt und unterſucht mit der Lupe.) Schwerenotht!
Das zieht. (Er packt ſich einen dicken Shawl um den Hals.) Machl
de Thire zu, wer ’rein kommt.
Der Lehrling (laut zu Pfeifer). Das is, wie wenn
man mit Klötzen redte.
Pfeifer. Abgemacht ſela! — Wage! (Der Weber
legt das Webe auf die Wage.) Wenn Jhr ock Eure Sache beſſer
verſtehn thät’t. Treppn hat’s wieder drinne … ich
ſeh gar nich hin. A guter Weber verſchiebt’s Auf-
bäumen nich wer weeß wie lange.
Bäcker (iſt gekommen. Ein junger, ausnahmsweiſe ſtarker Weber
deſſen Gebahren ungezwungen, faſt frech iſt. Pfeifer, Neumann und der Lehr-
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