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Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 137, Hamburg, 12. Juni 1832.

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[Spaltenumbruch] in großer Anzahl ein, aber ein großer Theil der-
selben scheint an dem Kampfe gegen das Volk kei-
nen Theil genommen zu haben. Viele sollen beim
Anblicke des Aufstandes nach Hause gegangen seyn
und einige Artilleristen sich sogar unter das Volk
gemischt haben. Bald waren alle Läden und die
meisten Theater geschlossen. Jn den Straßen
Montmartre und St. Denis begann ein heftiges Ge-
wehrfeuer, das etwa drei Stunden fortwährte, aber
gegen Mitternacht durch einen Regenschauer unter-
brochen wurde. Die einzelnen Berichte lauten schwan-
kend und widersprechend, da es unmöglich ist, bei der
allgemeinen Bestürzung und Verwirrung, die sich nur
mit der vom Juli 1830 vergleichen läßt, bestimmte
Auskunft zu erhalten. Da indessen das Volk ganz
planlos zu Werke ging, so zweifelte man nicht
daran, daß die Regierung die Oberhand behalten
würde. Jn der Nacht begann der Kampf von Neuem.
Große Truppenmassen, Jnfanterie, Cavallerie und
Artillerie bedeckten die Straßen. Die Ausrufungen,
die am meisten vernommen wurden, waren: Es lebe
die Republik! Nieder mit Ludwig Philipp! Nieder
mit den Ministern! Doch ließen auch Einzelne die
Carlisten hoch leben, die mehr oder weniger an dem
ganzen Unheil Schuld sind. Jn der Vorstadt
Montmartre, auf dem Platze des Victoires und
dann in der Straße Jean Jacques Rousseau entspann
sich ein wüthender Kampf. Mehrere Häuser waren
der Volkswuth preisgegeben. Bis 4 Uhr des Mor-
gens dauerte die Füsillade fast ununterbrochen fort.
Jn der Rue Neuve des Bons Enfans sind fast alle
Häuser von Kugeln durchlöchert; desgleichen in der
Rue de Clery. Der König kam gestern Abend
in aller Eile aus St. Clo[u]d zur Stadt und
wurde bei den Tuilerieen mit dem lebhaftesten En-
thusiasmus empfangen. Mehrere Tausende von Natio-
nalgardisten waren nach dem Schlosse geeilt, wo er
sie musterte. Viele Deputirte sammelten sich um die
Person des Königs. Der König hatte die ganze
Nacht hindurch die Minister um sich. Er sieht ent-
schlossen und unerschrocken aus, und hat erklärt,
lieber sein Leben, als das Heil seines Volkes preis
geben zu wollen. Jmmer neue Truppenmassen zie-
hen in die Stadt ein. Mit demjenigen Theile der
Nationalgarde, der sich zum Kampfe bereit zeigt, soll
die Anzahl der Bewaffneten nicht weniger als 70,000
Mann betragen. Alle Brücken und öffentlichen Plätze
sind von ihnen besetzt. Jn der Nacht sind viele Ver-
haftungen vorgenommen worden. Die Pressen der
Tribune, der Quotidienne und des Courrier de
l'Europe
wurden auf polizeilichen Befehl versiegelt.
Man glaubt, die Regierung dürfte die Hauptstadt
in Belagerungsstand erklären. Die Anzahl der
Opfer dieser blutigen Nacht läßt sich nicht bestimmt
angeben. Bei dem Passage Saumon in der Straße
Montmartre sollen sehr viele Menschen geblieben
seyn. Die in der Nähe gelegenen Häuser wurden
erstürmt und wieder genommen, und noch blutiger
soll es auf dem Platze Maubert hergegangen seyn.
Auf ersterem Punkte schlug man sich von halb 7 Uhr
bis 11 Uhr Abends. Die Jnsurgenten, von der
Uebermacht gedrängt, warfen sich in die benachbar-
ten Häuser und feuerten von dort auf die Truppen
herab, die so viel Schaden erlitten, daß man die
Rebellen die Nacht hindurch im Besitze ihrer Posi-
tion lassen mußte. Das Volk war dadurch beson-
ders gut mit Munition versehen, daß es sich eines
Pulver-Magazins in der Nähe bemächtigt hatte.
[Spaltenumbruch] Die Volkshaufen bestanden meistens aus den niedrig-
sten Klassen; doch sah man auch wohlgekleidete
Leute unter ihnen. Beim Marais gab eine Com-
pagnie Soldaten, deren Officier an der Spitze er-
schossen wurde, dem Pöbel keinen Pardon. Das
Postamt und die Bank waren bedroht. Die Erbit-
terung ist auf allen Seiten sehr groß. Alles verkün-
det, daß auch der heutige Tag unheilbringend seyn
werde. Heute Morgen um 8 Uhr hört man bereits
wieder in der Straße St. Martin und bei der Korn-
halle Gewehrfeuer.


10 Uhr Morgens.

Der Bürgerkrieg hat sich he[u]te erneuert, jedoch fort-
während zum Nachtheile der Volkshaufen, da die
Truppen sämmtlich der Regierung treu bleiben.
Bereits frühmorgens läuteten die Sturmglocken in
ganz Paris. Eine dumpfe Bestürzung herrschte
überall. Die Nationalgarden vom Weichbilde treffen
ein und scheinen der Regierung zugethan zu seyn;
aber unter den niedrigen Klassen zeigt sich eine ent-
schieden republikanische Gesinnung. Bei der Halle
ist es wieder blutig hergegangen. Abtheilungen von
30 und 50 Gefangenen werden unter Escorte von
Nationalgarden und Dragonern eingebracht. Auch
im Quartier St. Antoine hört man feuern. Die
meisten Läden sind geschlossen; alle Geschäfte stehen
still. Die Mehrheit des Volkes giebt ihren Un-
willen gegen die Ruhestörer zu erkennen, deren An-
zahl man heute auf nur 3000 anschlägt.

12 Uhr.

Die Bestürzung nimmt zu. Von mehreren Sei-
ten, besonders in der Richtung nach dem Bastillen-
Platze, vernimmt man wieder Gewehrfeuer. Der
König hat Musterung über die ganze bewaffnete
Macht gehalten und wurde mit lautem Enthusias-
mus empfangen. Er erklärte, er sey bereit, für die
Verfassung zu leben und zu sterben. Die Rebellen
haben sich bei den Boulevards concentrirt, und man
glaubt, daß sie auf die Tuilerieen marschiren wol-
len. Truppen-Massen ziehen sich bei den Champs
Elysees zusammen.

1 Uhr.

So eben reitet der König in Begleitung des Mar-
schalls Soult, des Grafen Montalivet, der Mar-
schälle Gerard und Jourdan, des Generals Pajol
und eines zahlreichen Stabes nach der Vorstadt
St. Antoine. Alles ist still und man hört nirgends
Vive le Roi! rufen. Der Kampf beginnt in den
Vorstädten von Neuem. Man hat daselbst wieder
Barricaden errichtet: doch scheinen die Truppen
überall die Oberhand zu haben, da die Füsillade sich
entfernt. Die Champs-Elysees gleichen einem La-
ger. Die Jnsurgenten werden von Zöglingen der
polytechnischen Schule angeführt. Hie und da be-
merkt man rothe Mützen. Die Sturmglocke der
Marien-Kirche läutet noch immer.

2 Uhr Nachmittags.

Seit einigen Stunden hört man Kanonen- und
heftiges Gewehrfeuer vom Thore St. Martin her;
auch beim Bastillen-Platze kämpft man auf Tod und
Leben. Der Ausgang ist kaum zweifelhaft, aber
das Blutvergießen wird sehr groß seyn. Die Halle
ist in Besitz des Volkes. Ein Peloton des 38sten
Regiments hat sich geweigert, auf das Volk zu
feuern. Dieses schießt aus den Häusern und hat
überall die Treppen abgebrochen. Der bekannte Re-

[Spaltenumbruch] in großer Anzahl ein, aber ein großer Theil der-
ſelben ſcheint an dem Kampfe gegen das Volk kei-
nen Theil genommen zu haben. Viele ſollen beim
Anblicke des Aufſtandes nach Hauſe gegangen ſeyn
und einige Artilleriſten ſich ſogar unter das Volk
gemiſcht haben. Bald waren alle Läden und die
meiſten Theater geſchloſſen. Jn den Straßen
Montmartre und St. Denis begann ein heftiges Ge-
wehrfeuer, das etwa drei Stunden fortwährte, aber
gegen Mitternacht durch einen Regenſchauer unter-
brochen wurde. Die einzelnen Berichte lauten ſchwan-
kend und widerſprechend, da es unmöglich iſt, bei der
allgemeinen Beſtürzung und Verwirrung, die ſich nur
mit der vom Juli 1830 vergleichen läßt, beſtimmte
Auskunft zu erhalten. Da indeſſen das Volk ganz
planlos zu Werke ging, ſo zweifelte man nicht
daran, daß die Regierung die Oberhand behalten
würde. Jn der Nacht begann der Kampf von Neuem.
Große Truppenmaſſen, Jnfanterie, Cavallerie und
Artillerie bedeckten die Straßen. Die Ausrufungen,
die am meiſten vernommen wurden, waren: Es lebe
die Republik! Nieder mit Ludwig Philipp! Nieder
mit den Miniſtern! Doch ließen auch Einzelne die
Carliſten hoch leben, die mehr oder weniger an dem
ganzen Unheil Schuld ſind. Jn der Vorſtadt
Montmartre, auf dem Platze des Victoires und
dann in der Straße Jean Jacques Rouſſeau entſpann
ſich ein wüthender Kampf. Mehrere Häuſer waren
der Volkswuth preisgegeben. Bis 4 Uhr des Mor-
gens dauerte die Füſillade faſt ununterbrochen fort.
Jn der Rue Neuve des Bons Enfans ſind faſt alle
Häuſer von Kugeln durchlöchert; desgleichen in der
Rue de Clery. Der König kam geſtern Abend
in aller Eile aus St. Clo[u]d zur Stadt und
wurde bei den Tuilerieen mit dem lebhafteſten En-
thuſiasmus empfangen. Mehrere Tauſende von Natio-
nalgardiſten waren nach dem Schloſſe geeilt, wo er
ſie muſterte. Viele Deputirte ſammelten ſich um die
Perſon des Königs. Der König hatte die ganze
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ſchloſſen und unerſchrocken aus, und hat erklärt,
lieber ſein Leben, als das Heil ſeines Volkes preis
geben zu wollen. Jmmer neue Truppenmaſſen zie-
hen in die Stadt ein. Mit demjenigen Theile der
Nationalgarde, der ſich zum Kampfe bereit zeigt, ſoll
die Anzahl der Bewaffneten nicht weniger als 70,000
Mann betragen. Alle Brücken und öffentlichen Plätze
ſind von ihnen beſetzt. Jn der Nacht ſind viele Ver-
haftungen vorgenommen worden. Die Preſſen der
Tribune, der Quotidienne und des Courrier de
l’Europe
wurden auf polizeilichen Befehl verſiegelt.
Man glaubt, die Regierung dürfte die Hauptſtadt
in Belagerungsſtand erklären. Die Anzahl der
Opfer dieſer blutigen Nacht läßt ſich nicht beſtimmt
angeben. Bei dem Paſſage Saumon in der Straße
Montmartre ſollen ſehr viele Menſchen geblieben
ſeyn. Die in der Nähe gelegenen Häuſer wurden
erſtürmt und wieder genommen, und noch blutiger
ſoll es auf dem Platze Maubert hergegangen ſeyn.
Auf erſterem Punkte ſchlug man ſich von halb 7 Uhr
bis 11 Uhr Abends. Die Jnſurgenten, von der
Uebermacht gedrängt, warfen ſich in die benachbar-
ten Häuſer und feuerten von dort auf die Truppen
herab, die ſo viel Schaden erlitten, daß man die
Rebellen die Nacht hindurch im Beſitze ihrer Poſi-
tion laſſen mußte. Das Volk war dadurch beſon-
ders gut mit Munition verſehen, daß es ſich eines
Pulver-Magazins in der Nähe bemächtigt hatte.
[Spaltenumbruch] Die Volkshaufen beſtanden meiſtens aus den niedrig-
ſten Klaſſen; doch ſah man auch wohlgekleidete
Leute unter ihnen. Beim Marais gab eine Com-
pagnie Soldaten, deren Officier an der Spitze er-
ſchoſſen wurde, dem Pöbel keinen Pardon. Das
Poſtamt und die Bank waren bedroht. Die Erbit-
terung iſt auf allen Seiten ſehr groß. Alles verkün-
det, daß auch der heutige Tag unheilbringend ſeyn
werde. Heute Morgen um 8 Uhr hört man bereits
wieder in der Straße St. Martin und bei der Korn-
halle Gewehrfeuer.


10 Uhr Morgens.

Der Bürgerkrieg hat ſich he[u]te erneuert, jedoch fort-
während zum Nachtheile der Volkshaufen, da die
Truppen ſämmtlich der Regierung treu bleiben.
Bereits frühmorgens läuteten die Sturmglocken in
ganz Paris. Eine dumpfe Beſtürzung herrſchte
überall. Die Nationalgarden vom Weichbilde treffen
ein und ſcheinen der Regierung zugethan zu ſeyn;
aber unter den niedrigen Klaſſen zeigt ſich eine ent-
ſchieden republikaniſche Geſinnung. Bei der Halle
iſt es wieder blutig hergegangen. Abtheilungen von
30 und 50 Gefangenen werden unter Escorte von
Nationalgarden und Dragonern eingebracht. Auch
im Quartier St. Antoine hört man feuern. Die
meiſten Läden ſind geſchloſſen; alle Geſchäfte ſtehen
ſtill. Die Mehrheit des Volkes giebt ihren Un-
willen gegen die Ruheſtörer zu erkennen, deren An-
zahl man heute auf nur 3000 anſchlägt.

12 Uhr.

Die Beſtürzung nimmt zu. Von mehreren Sei-
ten, beſonders in der Richtung nach dem Baſtillen-
Platze, vernimmt man wieder Gewehrfeuer. Der
König hat Muſterung über die ganze bewaffnete
Macht gehalten und wurde mit lautem Enthuſias-
mus empfangen. Er erklärte, er ſey bereit, für die
Verfaſſung zu leben und zu ſterben. Die Rebellen
haben ſich bei den Boulevards concentrirt, und man
glaubt, daß ſie auf die Tuilerieen marſchiren wol-
len. Truppen-Maſſen ziehen ſich bei den Champs
Elyſées zuſammen.

1 Uhr.

So eben reitet der König in Begleitung des Mar-
ſchalls Soult, des Grafen Montalivet, der Mar-
ſchälle Gérard und Jourdan, des Generals Pajol
und eines zahlreichen Stabes nach der Vorſtadt
St. Antoine. Alles iſt ſtill und man hört nirgends
Vive le Roi! rufen. Der Kampf beginnt in den
Vorſtädten von Neuem. Man hat daſelbſt wieder
Barricaden errichtet: doch ſcheinen die Truppen
überall die Oberhand zu haben, da die Füſillade ſich
entfernt. Die Champs-Elyſées gleichen einem La-
ger. Die Jnſurgenten werden von Zöglingen der
polytechniſchen Schule angeführt. Hie und da be-
merkt man rothe Mützen. Die Sturmglocke der
Marien-Kirche läutet noch immer.

2 Uhr Nachmittags.

Seit einigen Stunden hört man Kanonen- und
heftiges Gewehrfeuer vom Thore St. Martin her;
auch beim Baſtillen-Platze kämpft man auf Tod und
Leben. Der Ausgang iſt kaum zweifelhaft, aber
das Blutvergießen wird ſehr groß ſeyn. Die Halle
iſt in Beſitz des Volkes. Ein Peloton des 38ſten
Regiments hat ſich geweigert, auf das Volk zu
feuern. Dieſes ſchießt aus den Häuſern und hat
überall die Treppen abgebrochen. Der bekannte Re-

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[[3]/0003] in großer Anzahl ein, aber ein großer Theil der- ſelben ſcheint an dem Kampfe gegen das Volk kei- nen Theil genommen zu haben. Viele ſollen beim Anblicke des Aufſtandes nach Hauſe gegangen ſeyn und einige Artilleriſten ſich ſogar unter das Volk gemiſcht haben. Bald waren alle Läden und die meiſten Theater geſchloſſen. Jn den Straßen Montmartre und St. Denis begann ein heftiges Ge- wehrfeuer, das etwa drei Stunden fortwährte, aber gegen Mitternacht durch einen Regenſchauer unter- brochen wurde. Die einzelnen Berichte lauten ſchwan- kend und widerſprechend, da es unmöglich iſt, bei der allgemeinen Beſtürzung und Verwirrung, die ſich nur mit der vom Juli 1830 vergleichen läßt, beſtimmte Auskunft zu erhalten. Da indeſſen das Volk ganz planlos zu Werke ging, ſo zweifelte man nicht daran, daß die Regierung die Oberhand behalten würde. Jn der Nacht begann der Kampf von Neuem. Große Truppenmaſſen, Jnfanterie, Cavallerie und Artillerie bedeckten die Straßen. Die Ausrufungen, die am meiſten vernommen wurden, waren: Es lebe die Republik! Nieder mit Ludwig Philipp! Nieder mit den Miniſtern! Doch ließen auch Einzelne die Carliſten hoch leben, die mehr oder weniger an dem ganzen Unheil Schuld ſind. Jn der Vorſtadt Montmartre, auf dem Platze des Victoires und dann in der Straße Jean Jacques Rouſſeau entſpann ſich ein wüthender Kampf. Mehrere Häuſer waren der Volkswuth preisgegeben. Bis 4 Uhr des Mor- gens dauerte die Füſillade faſt ununterbrochen fort. Jn der Rue Neuve des Bons Enfans ſind faſt alle Häuſer von Kugeln durchlöchert; desgleichen in der Rue de Clery. Der König kam geſtern Abend in aller Eile aus St. Cloud zur Stadt und wurde bei den Tuilerieen mit dem lebhafteſten En- thuſiasmus empfangen. Mehrere Tauſende von Natio- nalgardiſten waren nach dem Schloſſe geeilt, wo er ſie muſterte. Viele Deputirte ſammelten ſich um die Perſon des Königs. Der König hatte die ganze Nacht hindurch die Miniſter um ſich. Er ſieht ent- ſchloſſen und unerſchrocken aus, und hat erklärt, lieber ſein Leben, als das Heil ſeines Volkes preis geben zu wollen. Jmmer neue Truppenmaſſen zie- hen in die Stadt ein. Mit demjenigen Theile der Nationalgarde, der ſich zum Kampfe bereit zeigt, ſoll die Anzahl der Bewaffneten nicht weniger als 70,000 Mann betragen. Alle Brücken und öffentlichen Plätze ſind von ihnen beſetzt. Jn der Nacht ſind viele Ver- haftungen vorgenommen worden. Die Preſſen der Tribune, der Quotidienne und des Courrier de l’Europe wurden auf polizeilichen Befehl verſiegelt. Man glaubt, die Regierung dürfte die Hauptſtadt in Belagerungsſtand erklären. Die Anzahl der Opfer dieſer blutigen Nacht läßt ſich nicht beſtimmt angeben. Bei dem Paſſage Saumon in der Straße Montmartre ſollen ſehr viele Menſchen geblieben ſeyn. Die in der Nähe gelegenen Häuſer wurden erſtürmt und wieder genommen, und noch blutiger ſoll es auf dem Platze Maubert hergegangen ſeyn. Auf erſterem Punkte ſchlug man ſich von halb 7 Uhr bis 11 Uhr Abends. Die Jnſurgenten, von der Uebermacht gedrängt, warfen ſich in die benachbar- ten Häuſer und feuerten von dort auf die Truppen herab, die ſo viel Schaden erlitten, daß man die Rebellen die Nacht hindurch im Beſitze ihrer Poſi- tion laſſen mußte. Das Volk war dadurch beſon- ders gut mit Munition verſehen, daß es ſich eines Pulver-Magazins in der Nähe bemächtigt hatte. Die Volkshaufen beſtanden meiſtens aus den niedrig- ſten Klaſſen; doch ſah man auch wohlgekleidete Leute unter ihnen. Beim Marais gab eine Com- pagnie Soldaten, deren Officier an der Spitze er- ſchoſſen wurde, dem Pöbel keinen Pardon. Das Poſtamt und die Bank waren bedroht. Die Erbit- terung iſt auf allen Seiten ſehr groß. Alles verkün- det, daß auch der heutige Tag unheilbringend ſeyn werde. Heute Morgen um 8 Uhr hört man bereits wieder in der Straße St. Martin und bei der Korn- halle Gewehrfeuer. Ein andres aus Paris, vom 6 Juni. 10 Uhr Morgens. Der Bürgerkrieg hat ſich heute erneuert, jedoch fort- während zum Nachtheile der Volkshaufen, da die Truppen ſämmtlich der Regierung treu bleiben. Bereits frühmorgens läuteten die Sturmglocken in ganz Paris. Eine dumpfe Beſtürzung herrſchte überall. Die Nationalgarden vom Weichbilde treffen ein und ſcheinen der Regierung zugethan zu ſeyn; aber unter den niedrigen Klaſſen zeigt ſich eine ent- ſchieden republikaniſche Geſinnung. Bei der Halle iſt es wieder blutig hergegangen. Abtheilungen von 30 und 50 Gefangenen werden unter Escorte von Nationalgarden und Dragonern eingebracht. Auch im Quartier St. Antoine hört man feuern. Die meiſten Läden ſind geſchloſſen; alle Geſchäfte ſtehen ſtill. Die Mehrheit des Volkes giebt ihren Un- willen gegen die Ruheſtörer zu erkennen, deren An- zahl man heute auf nur 3000 anſchlägt. 12 Uhr. Die Beſtürzung nimmt zu. Von mehreren Sei- ten, beſonders in der Richtung nach dem Baſtillen- Platze, vernimmt man wieder Gewehrfeuer. Der König hat Muſterung über die ganze bewaffnete Macht gehalten und wurde mit lautem Enthuſias- mus empfangen. Er erklärte, er ſey bereit, für die Verfaſſung zu leben und zu ſterben. Die Rebellen haben ſich bei den Boulevards concentrirt, und man glaubt, daß ſie auf die Tuilerieen marſchiren wol- len. Truppen-Maſſen ziehen ſich bei den Champs Elyſées zuſammen. 1 Uhr. So eben reitet der König in Begleitung des Mar- ſchalls Soult, des Grafen Montalivet, der Mar- ſchälle Gérard und Jourdan, des Generals Pajol und eines zahlreichen Stabes nach der Vorſtadt St. Antoine. Alles iſt ſtill und man hört nirgends Vive le Roi! rufen. Der Kampf beginnt in den Vorſtädten von Neuem. Man hat daſelbſt wieder Barricaden errichtet: doch ſcheinen die Truppen überall die Oberhand zu haben, da die Füſillade ſich entfernt. Die Champs-Elyſées gleichen einem La- ger. Die Jnſurgenten werden von Zöglingen der polytechniſchen Schule angeführt. Hie und da be- merkt man rothe Mützen. Die Sturmglocke der Marien-Kirche läutet noch immer. 2 Uhr Nachmittags. Seit einigen Stunden hört man Kanonen- und heftiges Gewehrfeuer vom Thore St. Martin her; auch beim Baſtillen-Platze kämpft man auf Tod und Leben. Der Ausgang iſt kaum zweifelhaft, aber das Blutvergießen wird ſehr groß ſeyn. Die Halle iſt in Beſitz des Volkes. Ein Peloton des 38ſten Regiments hat ſich geweigert, auf das Volk zu feuern. Dieſes ſchießt aus den Häuſern und hat überall die Treppen abgebrochen. Der bekannte Re-

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Zitationshilfe: Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 137, Hamburg, 12. Juni 1832, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1371206_1832/3>, abgerufen am 21.11.2024.