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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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oder das Verkehrte von ihm verlangt, sondern weil
man gar Nichts von ihm verlangt. Es soll blos
amüsiren, es soll uns eine spannende Anecdote, al-
lenfalls, der Piquantheit wegen, von psychologisch-
merkwürdigen Characteren getragen, vorführen, aber
es soll bei Leibe nicht mehr thun, was im Shak-
speare
(man wagt, sich auf ihn zu berufen) nicht
amüsirt, das ist vom Uebel, ja es ist, näher be-
sehen, auch nur durch den Enthusiasmus seiner Aus-
leger in ihn hinein phantasirt, er selbst hat nicht
daran gedacht, er war ein guter Junge, der sich
freute, wenn er durch seine wilden Schnurren mehr
Volk, wie gewöhnlich, zusammen trommelte, denn
dann erhielt er vom Theater-Director einen Schil-
ling über die Wochen-Gage und wurde wohl gar
freundlich in's Ohr gekniffen. Ein berühmter Schau-
spieler, jetzt verstorben, hat, wie ihm von seinen
Freunden nachgesagt wird, dem neuen Evangelium die
practische Nutzanwendung hinzugefügt, er hat alles
Ernstes behauptet, daß der "Poet" dem "Künstler"
nur ein Scenarium zu liefern habe, welches dann
durch diesen extemporirend auszufüllen sey. Die
Consequenz ist hier, wie allenthalben, zu loben,

oder das Verkehrte von ihm verlangt, ſondern weil
man gar Nichts von ihm verlangt. Es ſoll blos
amüſiren, es ſoll uns eine ſpannende Anecdote, al-
lenfalls, der Piquantheit wegen, von pſychologiſch-
merkwürdigen Characteren getragen, vorführen, aber
es ſoll bei Leibe nicht mehr thun, was im Shak-
ſpeare
(man wagt, ſich auf ihn zu berufen) nicht
amüſirt, das iſt vom Uebel, ja es iſt, näher be-
ſehen, auch nur durch den Enthuſiasmus ſeiner Aus-
leger in ihn hinein phantaſirt, er ſelbſt hat nicht
daran gedacht, er war ein guter Junge, der ſich
freute, wenn er durch ſeine wilden Schnurren mehr
Volk, wie gewöhnlich, zuſammen trommelte, denn
dann erhielt er vom Theater-Director einen Schil-
ling über die Wochen-Gage und wurde wohl gar
freundlich in’s Ohr gekniffen. Ein berühmter Schau-
ſpieler, jetzt verſtorben, hat, wie ihm von ſeinen
Freunden nachgeſagt wird, dem neuen Evangelium die
practiſche Nutzanwendung hinzugefügt, er hat alles
Ernſtes behauptet, daß der „Poet“ dem „Künſtler“
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[XXIII/0043] oder das Verkehrte von ihm verlangt, ſondern weil man gar Nichts von ihm verlangt. Es ſoll blos amüſiren, es ſoll uns eine ſpannende Anecdote, al- lenfalls, der Piquantheit wegen, von pſychologiſch- merkwürdigen Characteren getragen, vorführen, aber es ſoll bei Leibe nicht mehr thun, was im Shak- ſpeare (man wagt, ſich auf ihn zu berufen) nicht amüſirt, das iſt vom Uebel, ja es iſt, näher be- ſehen, auch nur durch den Enthuſiasmus ſeiner Aus- leger in ihn hinein phantaſirt, er ſelbſt hat nicht daran gedacht, er war ein guter Junge, der ſich freute, wenn er durch ſeine wilden Schnurren mehr Volk, wie gewöhnlich, zuſammen trommelte, denn dann erhielt er vom Theater-Director einen Schil- ling über die Wochen-Gage und wurde wohl gar freundlich in’s Ohr gekniffen. Ein berühmter Schau- ſpieler, jetzt verſtorben, hat, wie ihm von ſeinen Freunden nachgeſagt wird, dem neuen Evangelium die practiſche Nutzanwendung hinzugefügt, er hat alles Ernſtes behauptet, daß der „Poet“ dem „Künſtler“ nur ein Scenarium zu liefern habe, welches dann durch dieſen extemporirend auszufüllen ſey. Die Conſequenz iſt hier, wie allenthalben, zu loben,

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/43>, abgerufen am 03.12.2024.