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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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und es muß also in dem vorliegenden Falle, ehe an weitere Maaß-
regeln irgend gedacht werden kann, alles angewendet werden, die
Stadtschule zur Aufnahme sämmtlicher schulfähigen Kinder in geeigneten
Stand zu setzen. Die hierzu nöthigen Mittel dürfen jedoch keines-
wegs, wie die etc. meint, den jüdischen Einwohnern von N. N. mehr
zur Last fallen, als den christlichen, sondern sind lediglich durch eine
allgemeine verhältnißmäßige Vertheilung unter sämmtliche Ortseinwohner
nach ihrem Vermögen aufzubringen. Dagegen versteht sich aber auch
wiederum von selbst, daß in den Lehrplan der öffentlichen Communal-
schule keineswegs der Jüdische Religions-Unterricht mit eingeschlossen
und hierzu ein öffentlicher jüdischer Religionslehrer angestellt werden
kann, da der jüdische Religions-Unterricht unter keiner Bedingung
Gegenstand des öffentlichen Unterrichts ist, sondern allein der Privat-
Veranstaltung der dabei Interessirten überlassen bleibt.

Sollte sich inzwischen bei genauer Prüfung ergeben, daß die
nöthige Erweiterung der öffentlichen Schule zu N. N. nach den
örtlichen Verhältnissen für jetzt wirklich unmöglich, namentlich etwa
nur durch einen die Kräfte der Ortscommune offenbar übersteigenden
Aufwand erreichbar wäre und daß die wirkliche Ausschließung der
jüdischen Kinder zur Zeit als allein ausführbares Auskunftsmittel
übrig bliebe, so ist dies der einzige Fall, für welchen ausnahmsweise
gestattet werden kann, daß der jüdischen Gemeine gegen Unterwerfung
unter jene Ausschließung die Entrichtung ihrer Beiträge für die öffent-
liche Schule Behufs der Anlegung einer eigenen erlassen werde. Doch
ändert diese nothgedrungene Maaßregel weder den Charakter der ein-
zurichtenden jüdischen Schule als Privatschule, noch darf solcher Zustand
des Schulwesens anders, als nur interimistisch geduldet werden; es
darf vielmehr die Genehmigung dazu nur mit dem ausdrücklichen
Vorbehalte ertheilt werden, daß diese Einrichtung sowohl nach den
Anträgen der Interessenten als insonderheit nach dem Gutbefinden
der Aufsichtsbehörde sofort wieder aufgehoben werden kann, wenn die
örtlichen Umstände eine günstigere Gestalt gewinnen und es möglich
wird, die ganze Commune wiederum in der ordnungsmäßigen Weise
an die öffentliche Communalschule zu weisen und zu deren Unterhalt
zu verpflichten, weil die Existenz und Fortdauer dieser überall bei Lei-
tung der ganzen Angelegenheit das vornehmste Ziel bleiben muß.
Hiernach hat die etc. die Judenschaft zu N. N. auf die Vor-

und es muß alſo in dem vorliegenden Falle, ehe an weitere Maaß-
regeln irgend gedacht werden kann, alles angewendet werden, die
Stadtſchule zur Aufnahme ſämmtlicher ſchulfähigen Kinder in geeigneten
Stand zu ſetzen. Die hierzu nöthigen Mittel dürfen jedoch keines-
wegs, wie die ꝛc. meint, den jüdiſchen Einwohnern von N. N. mehr
zur Laſt fallen, als den chriſtlichen, ſondern ſind lediglich durch eine
allgemeine verhältnißmäßige Vertheilung unter ſämmtliche Ortseinwohner
nach ihrem Vermögen aufzubringen. Dagegen verſteht ſich aber auch
wiederum von ſelbſt, daß in den Lehrplan der öffentlichen Communal-
ſchule keineswegs der Jüdiſche Religions-Unterricht mit eingeſchloſſen
und hierzu ein öffentlicher jüdiſcher Religionslehrer angeſtellt werden
kann, da der jüdiſche Religions-Unterricht unter keiner Bedingung
Gegenſtand des öffentlichen Unterrichts iſt, ſondern allein der Privat-
Veranſtaltung der dabei Intereſſirten überlaſſen bleibt.

Sollte ſich inzwiſchen bei genauer Prüfung ergeben, daß die
nöthige Erweiterung der öffentlichen Schule zu N. N. nach den
örtlichen Verhältniſſen für jetzt wirklich unmöglich, namentlich etwa
nur durch einen die Kräfte der Ortscommune offenbar überſteigenden
Aufwand erreichbar wäre und daß die wirkliche Ausſchließung der
jüdiſchen Kinder zur Zeit als allein ausführbares Auskunftsmittel
übrig bliebe, ſo iſt dies der einzige Fall, für welchen ausnahmsweiſe
geſtattet werden kann, daß der jüdiſchen Gemeine gegen Unterwerfung
unter jene Ausſchließung die Entrichtung ihrer Beiträge für die öffent-
liche Schule Behufs der Anlegung einer eigenen erlaſſen werde. Doch
ändert dieſe nothgedrungene Maaßregel weder den Charakter der ein-
zurichtenden jüdiſchen Schule als Privatſchule, noch darf ſolcher Zuſtand
des Schulweſens anders, als nur interimiſtiſch geduldet werden; es
darf vielmehr die Genehmigung dazu nur mit dem ausdrücklichen
Vorbehalte ertheilt werden, daß dieſe Einrichtung ſowohl nach den
Anträgen der Intereſſenten als inſonderheit nach dem Gutbefinden
der Aufſichtsbehörde ſofort wieder aufgehoben werden kann, wenn die
örtlichen Umſtände eine günſtigere Geſtalt gewinnen und es möglich
wird, die ganze Commune wiederum in der ordnungsmäßigen Weiſe
an die öffentliche Communalſchule zu weiſen und zu deren Unterhalt
zu verpflichten, weil die Exiſtenz und Fortdauer dieſer überall bei Lei-
tung der ganzen Angelegenheit das vornehmſte Ziel bleiben muß.
Hiernach hat die ꝛc. die Judenſchaft zu N. N. auf die Vor-

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[206/0220] und es muß alſo in dem vorliegenden Falle, ehe an weitere Maaß- regeln irgend gedacht werden kann, alles angewendet werden, die Stadtſchule zur Aufnahme ſämmtlicher ſchulfähigen Kinder in geeigneten Stand zu ſetzen. Die hierzu nöthigen Mittel dürfen jedoch keines- wegs, wie die ꝛc. meint, den jüdiſchen Einwohnern von N. N. mehr zur Laſt fallen, als den chriſtlichen, ſondern ſind lediglich durch eine allgemeine verhältnißmäßige Vertheilung unter ſämmtliche Ortseinwohner nach ihrem Vermögen aufzubringen. Dagegen verſteht ſich aber auch wiederum von ſelbſt, daß in den Lehrplan der öffentlichen Communal- ſchule keineswegs der Jüdiſche Religions-Unterricht mit eingeſchloſſen und hierzu ein öffentlicher jüdiſcher Religionslehrer angeſtellt werden kann, da der jüdiſche Religions-Unterricht unter keiner Bedingung Gegenſtand des öffentlichen Unterrichts iſt, ſondern allein der Privat- Veranſtaltung der dabei Intereſſirten überlaſſen bleibt. Sollte ſich inzwiſchen bei genauer Prüfung ergeben, daß die nöthige Erweiterung der öffentlichen Schule zu N. N. nach den örtlichen Verhältniſſen für jetzt wirklich unmöglich, namentlich etwa nur durch einen die Kräfte der Ortscommune offenbar überſteigenden Aufwand erreichbar wäre und daß die wirkliche Ausſchließung der jüdiſchen Kinder zur Zeit als allein ausführbares Auskunftsmittel übrig bliebe, ſo iſt dies der einzige Fall, für welchen ausnahmsweiſe geſtattet werden kann, daß der jüdiſchen Gemeine gegen Unterwerfung unter jene Ausſchließung die Entrichtung ihrer Beiträge für die öffent- liche Schule Behufs der Anlegung einer eigenen erlaſſen werde. Doch ändert dieſe nothgedrungene Maaßregel weder den Charakter der ein- zurichtenden jüdiſchen Schule als Privatſchule, noch darf ſolcher Zuſtand des Schulweſens anders, als nur interimiſtiſch geduldet werden; es darf vielmehr die Genehmigung dazu nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalte ertheilt werden, daß dieſe Einrichtung ſowohl nach den Anträgen der Intereſſenten als inſonderheit nach dem Gutbefinden der Aufſichtsbehörde ſofort wieder aufgehoben werden kann, wenn die örtlichen Umſtände eine günſtigere Geſtalt gewinnen und es möglich wird, die ganze Commune wiederum in der ordnungsmäßigen Weiſe an die öffentliche Communalſchule zu weiſen und zu deren Unterhalt zu verpflichten, weil die Exiſtenz und Fortdauer dieſer überall bei Lei- tung der ganzen Angelegenheit das vornehmſte Ziel bleiben muß. Hiernach hat die ꝛc. die Judenſchaft zu N. N. auf die Vor-

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/220>, abgerufen am 21.11.2024.