Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
in den Zusammenhang sämmtlicher Sätze des systematisch geord-
neten Vortrags gezeigt hat;
7) wenn er in Hinsicht der Geschichte und Geographie dargethan
hat, daß ihm die Umrisse der Länder, das Flußnetz in denselben
und eine orographische Uebersicht der Erdoberfläche, im Großen
zu einem klaren Bilde geordnet, auch ohne Karte gegenwärtig
sind, er in der politischen Erdbeschreibung nach ihren wesentlichen
Theilen bewandert, und der Umrisse des ganzen Feldes der Ge-
schichte kundig ist, besonders sich eine deutliche und sichere Ueber-
sicht der Geschichte der Griechen und Römer, sowie der Deutschen,
und namentlich auch der brandenburgisch-preußischen Geschichte zu
eigen gemacht hat;
8) wenn er endlich in Betreff der Physik eine klare Einsicht in
die Hauptlehren über die allgemeinen Eigenschaften der Körper,
die Gesetze des Gleichgewichts und der Bewegung, über Wärme,
Licht, Magnetismus und Electricität gewonnen, und sich in der
Naturgeschichte eine hinreichend begründete Kenntniß der allge-
meinen Classification der Naturproducte erworben hat;
9) für den künftigen Theologen und Philologen tritt noch die For-
derung hinzu, daß er das Hebräische geläufig lesen könne, und
Bekanntschaft mit der Formenlehre und den Hauptregeln der
Syntax darlege, auch leichte Stellen aus einem historischen Buche
des Alten Testaments oder einem Psalm ins Deutsche zu über-
setzen vermöge.

B. Um jedoch schon auf der Schule der freien Entwickelung
eigenthümlicher Anlagen nicht hinderlich zu werden, ist auch dem
Abiturienten das Zeugniß der Reife zu ertheilen, welcher in Hinsicht
auf die Muttersprache und das Lateinische den unter Lit. A. gestellten
Forderungen vollständig entspricht, außerdem aber entweder in den
beiden alten Sprachen oder in der Mathematik bedeutend mehr als
das Geforderte leistet, wenn auch seine Leistungen in den übrigblei-
benden Fächern nicht völlig den Anforderungen entsprechen sollten.

C. Obwohl die Neigung mancher Schüler, welche einzelne Unter-
richts-Gegenstände in den Gymnasien mit Gleichgültigkeit treiben, weil
sie dieselben für ihren künftigen Beruf weniger nöthig oder gar ent-
behrlich halten, keineswegs begünstigt werden soll: so können doch,
namentlich bei dem schon vorgerückteren Alter einzelner Abiturienten,

in den Zuſammenhang ſämmtlicher Sätze des ſyſtematiſch geord-
neten Vortrags gezeigt hat;
7) wenn er in Hinſicht der Geſchichte und Geographie dargethan
hat, daß ihm die Umriſſe der Länder, das Flußnetz in denſelben
und eine orographiſche Ueberſicht der Erdoberfläche, im Großen
zu einem klaren Bilde geordnet, auch ohne Karte gegenwärtig
ſind, er in der politiſchen Erdbeſchreibung nach ihren weſentlichen
Theilen bewandert, und der Umriſſe des ganzen Feldes der Ge-
ſchichte kundig iſt, beſonders ſich eine deutliche und ſichere Ueber-
ſicht der Geſchichte der Griechen und Römer, ſowie der Deutſchen,
und namentlich auch der brandenburgiſch-preußiſchen Geſchichte zu
eigen gemacht hat;
8) wenn er endlich in Betreff der Phyſik eine klare Einſicht in
die Hauptlehren über die allgemeinen Eigenſchaften der Körper,
die Geſetze des Gleichgewichts und der Bewegung, über Wärme,
Licht, Magnetismus und Electricität gewonnen, und ſich in der
Naturgeſchichte eine hinreichend begründete Kenntniß der allge-
meinen Claſſification der Naturproducte erworben hat;
9) für den künftigen Theologen und Philologen tritt noch die For-
derung hinzu, daß er das Hebräiſche geläufig leſen könne, und
Bekanntſchaft mit der Formenlehre und den Hauptregeln der
Syntax darlege, auch leichte Stellen aus einem hiſtoriſchen Buche
des Alten Teſtaments oder einem Pſalm ins Deutſche zu über-
ſetzen vermöge.

B. Um jedoch ſchon auf der Schule der freien Entwickelung
eigenthümlicher Anlagen nicht hinderlich zu werden, iſt auch dem
Abiturienten das Zeugniß der Reife zu ertheilen, welcher in Hinſicht
auf die Mutterſprache und das Lateiniſche den unter Lit. A. geſtellten
Forderungen vollſtändig entſpricht, außerdem aber entweder in den
beiden alten Sprachen oder in der Mathematik bedeutend mehr als
das Geforderte leiſtet, wenn auch ſeine Leiſtungen in den übrigblei-
benden Fächern nicht völlig den Anforderungen entſprechen ſollten.

C. Obwohl die Neigung mancher Schüler, welche einzelne Unter-
richts-Gegenſtände in den Gymnaſien mit Gleichgültigkeit treiben, weil
ſie dieſelben für ihren künftigen Beruf weniger nöthig oder gar ent-
behrlich halten, keineswegs begünſtigt werden ſoll: ſo können doch,
namentlich bei dem ſchon vorgerückteren Alter einzelner Abiturienten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0547" n="533"/>
in den Zu&#x017F;ammenhang &#x017F;ämmtlicher Sätze des &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;ch geord-<lb/>
neten Vortrags gezeigt hat;</item><lb/>
              <item>7) wenn er in Hin&#x017F;icht der <hi rendition="#g">Ge&#x017F;chichte</hi> und <hi rendition="#g">Geographie</hi> dargethan<lb/>
hat, daß ihm die Umri&#x017F;&#x017F;e der Länder, das Flußnetz in den&#x017F;elben<lb/>
und eine orographi&#x017F;che Ueber&#x017F;icht der Erdoberfläche, im Großen<lb/>
zu einem klaren Bilde geordnet, auch ohne Karte gegenwärtig<lb/>
&#x017F;ind, er in der politi&#x017F;chen Erdbe&#x017F;chreibung nach ihren we&#x017F;entlichen<lb/>
Theilen bewandert, und der Umri&#x017F;&#x017F;e des ganzen Feldes der Ge-<lb/>
&#x017F;chichte kundig i&#x017F;t, be&#x017F;onders &#x017F;ich eine deutliche und &#x017F;ichere Ueber-<lb/>
&#x017F;icht der Ge&#x017F;chichte der Griechen und Römer, &#x017F;owie der Deut&#x017F;chen,<lb/>
und namentlich auch der brandenburgi&#x017F;ch-preußi&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte zu<lb/>
eigen gemacht hat;</item><lb/>
              <item>8) wenn er endlich in Betreff der <hi rendition="#g">Phy&#x017F;ik</hi> eine klare Ein&#x017F;icht in<lb/>
die Hauptlehren über die allgemeinen Eigen&#x017F;chaften der Körper,<lb/>
die Ge&#x017F;etze des Gleichgewichts und der Bewegung, über Wärme,<lb/>
Licht, Magnetismus und Electricität gewonnen, und &#x017F;ich in der<lb/>
Naturge&#x017F;chichte eine hinreichend begründete Kenntniß der allge-<lb/>
meinen Cla&#x017F;&#x017F;ification der Naturproducte erworben hat;</item><lb/>
              <item>9) für den künftigen Theologen und Philologen tritt noch die For-<lb/>
derung hinzu, daß er das <hi rendition="#g">Hebräi&#x017F;che</hi> geläufig le&#x017F;en könne, und<lb/>
Bekannt&#x017F;chaft mit der Formenlehre und den Hauptregeln der<lb/>
Syntax darlege, auch leichte Stellen aus einem hi&#x017F;tori&#x017F;chen Buche<lb/>
des Alten Te&#x017F;taments oder einem P&#x017F;alm ins Deut&#x017F;che zu über-<lb/>
&#x017F;etzen vermöge.</item>
            </list><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">B.</hi> Um jedoch &#x017F;chon auf der Schule der freien Entwickelung<lb/>
eigenthümlicher Anlagen nicht hinderlich zu werden, i&#x017F;t auch <hi rendition="#g">dem</hi><lb/>
Abiturienten das Zeugniß der Reife zu ertheilen, welcher in Hin&#x017F;icht<lb/>
auf die Mutter&#x017F;prache und das Lateini&#x017F;che den unter <hi rendition="#aq">Lit. A.</hi> ge&#x017F;tellten<lb/>
Forderungen voll&#x017F;tändig ent&#x017F;pricht, außerdem aber entweder in den<lb/>
beiden alten Sprachen oder in der Mathematik bedeutend mehr als<lb/>
das Geforderte lei&#x017F;tet, wenn auch &#x017F;eine Lei&#x017F;tungen in den übrigblei-<lb/>
benden Fächern nicht völlig den Anforderungen ent&#x017F;prechen &#x017F;ollten.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">C.</hi> Obwohl die Neigung mancher Schüler, welche einzelne Unter-<lb/>
richts-Gegen&#x017F;tände in den Gymna&#x017F;ien mit Gleichgültigkeit treiben, weil<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;elben für ihren künftigen Beruf weniger nöthig oder gar ent-<lb/>
behrlich halten, keineswegs begün&#x017F;tigt werden &#x017F;oll: &#x017F;o können doch,<lb/>
namentlich bei dem &#x017F;chon vorgerückteren Alter einzelner Abiturienten,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[533/0547] in den Zuſammenhang ſämmtlicher Sätze des ſyſtematiſch geord- neten Vortrags gezeigt hat; 7) wenn er in Hinſicht der Geſchichte und Geographie dargethan hat, daß ihm die Umriſſe der Länder, das Flußnetz in denſelben und eine orographiſche Ueberſicht der Erdoberfläche, im Großen zu einem klaren Bilde geordnet, auch ohne Karte gegenwärtig ſind, er in der politiſchen Erdbeſchreibung nach ihren weſentlichen Theilen bewandert, und der Umriſſe des ganzen Feldes der Ge- ſchichte kundig iſt, beſonders ſich eine deutliche und ſichere Ueber- ſicht der Geſchichte der Griechen und Römer, ſowie der Deutſchen, und namentlich auch der brandenburgiſch-preußiſchen Geſchichte zu eigen gemacht hat; 8) wenn er endlich in Betreff der Phyſik eine klare Einſicht in die Hauptlehren über die allgemeinen Eigenſchaften der Körper, die Geſetze des Gleichgewichts und der Bewegung, über Wärme, Licht, Magnetismus und Electricität gewonnen, und ſich in der Naturgeſchichte eine hinreichend begründete Kenntniß der allge- meinen Claſſification der Naturproducte erworben hat; 9) für den künftigen Theologen und Philologen tritt noch die For- derung hinzu, daß er das Hebräiſche geläufig leſen könne, und Bekanntſchaft mit der Formenlehre und den Hauptregeln der Syntax darlege, auch leichte Stellen aus einem hiſtoriſchen Buche des Alten Teſtaments oder einem Pſalm ins Deutſche zu über- ſetzen vermöge. B. Um jedoch ſchon auf der Schule der freien Entwickelung eigenthümlicher Anlagen nicht hinderlich zu werden, iſt auch dem Abiturienten das Zeugniß der Reife zu ertheilen, welcher in Hinſicht auf die Mutterſprache und das Lateiniſche den unter Lit. A. geſtellten Forderungen vollſtändig entſpricht, außerdem aber entweder in den beiden alten Sprachen oder in der Mathematik bedeutend mehr als das Geforderte leiſtet, wenn auch ſeine Leiſtungen in den übrigblei- benden Fächern nicht völlig den Anforderungen entſprechen ſollten. C. Obwohl die Neigung mancher Schüler, welche einzelne Unter- richts-Gegenſtände in den Gymnaſien mit Gleichgültigkeit treiben, weil ſie dieſelben für ihren künftigen Beruf weniger nöthig oder gar ent- behrlich halten, keineswegs begünſtigt werden ſoll: ſo können doch, namentlich bei dem ſchon vorgerückteren Alter einzelner Abiturienten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/547
Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/547>, abgerufen am 22.11.2024.