die treu an ihren Fürsten hängt. Sie hatte ihre Mängel; wer mag sie verkennen? Aber in wie fern diese schädlich werden sollten, hieng meist von äußeren Verhältnissen ab, die sich nicht vorher be- stimmen ließen. Giebt etwa die Vereinigung zu Einer großen Monarchie -- man sehe Spanien -- die sichere Bürgschaft zu einer höheren Stufe von Nationalglück, als Deutschland sie erstiegen hat?
25. In dem Staatensystem von Europa wurden durch den Westphälischen Frieden keines- wegs alle wichtige, oder auch selbst nur streitige, Ver- hältnisse bestimmt. Aber 1. die Erhaltung Deut- scher Verfassung, das Ziel des grausamen Kampfs von halb Europa, erhielt in den Augen der practi- schen Politik eine Wichtigkeit, die selbst nachmals die Feinde des Reichs nicht verkannten. 2. Durch die Verbindung Frankreichs mit Schweden waren der Norden und der Westen von Europa in nähere Verhältnisse gesetzt. Aber es fehlte dieser Verbin- dung an einem fortdauernden gemeinschaftlichen In- teresse, da so bald von Oestreich nichts zu fürchten war; und sie erschlaffte um so viel mehr, da die Kö- nigin Christina sie nur dazu nutzen wollte, Sub- sidien von Frankreich zu ziehen. 3. Allerdings aber hatte sich Schweden zu dem Range einer der ersten Landmächte hinaufgeschwungen, den es über
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D. 1. Geſch. d. 30jaͤhr. Kriegs 1618--1648.
die treu an ihren Fuͤrſten haͤngt. Sie hatte ihre Maͤngel; wer mag ſie verkennen? Aber in wie fern dieſe ſchaͤdlich werden ſollten, hieng meiſt von aͤußeren Verhaͤltniſſen ab, die ſich nicht vorher be- ſtimmen ließen. Giebt etwa die Vereinigung zu Einer großen Monarchie — man ſehe Spanien — die ſichere Buͤrgſchaft zu einer hoͤheren Stufe von Nationalgluͤck, als Deutſchland ſie erſtiegen hat?
25. In dem Staatenſyſtem von Europa wurden durch den Weſtphaͤliſchen Frieden keines- wegs alle wichtige, oder auch ſelbſt nur ſtreitige, Ver- haͤltniſſe beſtimmt. Aber 1. die Erhaltung Deut- ſcher Verfaſſung, das Ziel des grauſamen Kampfs von halb Europa, erhielt in den Augen der practi- ſchen Politik eine Wichtigkeit, die ſelbſt nachmals die Feinde des Reichs nicht verkannten. 2. Durch die Verbindung Frankreichs mit Schweden waren der Norden und der Weſten von Europa in naͤhere Verhaͤltniſſe geſetzt. Aber es fehlte dieſer Verbin- dung an einem fortdauernden gemeinſchaftlichen In- tereſſe, da ſo bald von Oeſtreich nichts zu fuͤrchten war; und ſie erſchlaffte um ſo viel mehr, da die Koͤ- nigin Chriſtina ſie nur dazu nutzen wollte, Sub- ſidien von Frankreich zu ziehen. 3. Allerdings aber hatte ſich Schweden zu dem Range einer der erſten Landmaͤchte hinaufgeſchwungen, den es uͤber
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D. 1. Geſch. d. 30jaͤhr. Kriegs 1618--1648.
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Maͤngel; wer mag ſie verkennen? Aber in wie
fern dieſe ſchaͤdlich werden ſollten, hieng meiſt von
aͤußeren Verhaͤltniſſen ab, die ſich nicht vorher be-
ſtimmen ließen. Giebt etwa die Vereinigung zu
Einer großen Monarchie — man ſehe Spanien —
die ſichere Buͤrgſchaft zu einer hoͤheren Stufe von
Nationalgluͤck, als Deutſchland ſie erſtiegen hat?
25. In dem Staatenſyſtem von Europa
wurden durch den Weſtphaͤliſchen Frieden keines-
wegs alle wichtige, oder auch ſelbſt nur ſtreitige, Ver-
haͤltniſſe beſtimmt. Aber 1. die Erhaltung Deut-
ſcher Verfaſſung, das Ziel des grauſamen Kampfs
von halb Europa, erhielt in den Augen der practi-
ſchen Politik eine Wichtigkeit, die ſelbſt nachmals
die Feinde des Reichs nicht verkannten. 2. Durch
die Verbindung Frankreichs mit Schweden waren der
Norden und der Weſten von Europa in naͤhere
Verhaͤltniſſe geſetzt. Aber es fehlte dieſer Verbin-
dung an einem fortdauernden gemeinſchaftlichen In-
tereſſe, da ſo bald von Oeſtreich nichts zu fuͤrchten
war; und ſie erſchlaffte um ſo viel mehr, da die Koͤ-
nigin Chriſtina ſie nur dazu nutzen wollte, Sub-
ſidien von Frankreich zu ziehen. 3. Allerdings
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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