vermöge eines vorherigen Auftrags, bei einer unbedingten oder doch beziehungsweise Statt finden- den Abhängigkeit des Dritten von dem Willen eines oder al- ler Contrahenten; sodann indem ein Contrahent im eignen Interesse dem andern die Verpflichtung auferlegt, einer dritten Person etwas zu leisten, was dieselbe ohnehin schon zu fordern berechtigt ist, und da- durch die Verpflichtung verstärkt; endlich indem man dem Dritten seinen Beitritt vorbehält und dadurch die Giltigkeit der Stipulation oder des Versprechens für ihn bedingt, was sich bei jeder directen Vertragsbestimmung für einen Dritten von selbst versteht. Bis zur Erklärung des Dritten bleibt im letztern Fall das Rechts- verhältniß desselben zu den andern aufgeschoben; es kann auf den ihm bestimmten Vortheil von dem Stipulanten verzichtet werden, wenn er sich nicht gegen den andern Contrahenten gebunden hat, die Erklärung abzuwarten. 1
Im Uebrigen kennt das internationale Recht keine Beschrän- kung der Vertragsfreiheit auf bestimmte Arten von Verträgen, wie etwa das Privatrecht; keinen Unterschied von klagbaren und nicht klagbaren Conventionen. Ohne Grund behauptete man auch, es gehöre zu allen völkerrechtlichen Verträgen eine besondere causa debendi, mit andern Worten, sie könnten nur auf Leistung und Gegenleistung beruhen; jede Bewilligung setzte ein Aequivalent vor- aus. Wem indeß eine freie Verfügung über sein Vermögen zusteht, dem kann auch die Befugniß zu rein freigebigen Verfügungen nicht abgesprochen werden, da sie nur in einer an sich erlaubten Auf- gebung von Eigenthum bestehen, wovon zu Gunsten eines andern
1 Unter den ältern Publicisten besteht in Betreff dieses Punctes eine große Verschiedenheit der Ansichten, hervorgebracht durch den Conflict des Rö- mischen Rechts mit naturrechtlichen Theorieen. Vgl. z. B. Groot II, 11, 18. und dazu Cocceji; Pufendorf III, 9, 4 f. de Neumann §. 151. Die neueren Codificationen des Privatrechts haben sich den obigen Sätzen als den einfachsten und natürlichsten zugewendet. Vgl. Allg. Preuß. Landr. I, 5, §. 74. Code Nap. Art. 1121. 1165.
§. 83. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
vermöge eines vorherigen Auftrags, bei einer unbedingten oder doch beziehungsweiſe Statt finden- den Abhängigkeit des Dritten von dem Willen eines oder al- ler Contrahenten; ſodann indem ein Contrahent im eignen Intereſſe dem andern die Verpflichtung auferlegt, einer dritten Perſon etwas zu leiſten, was dieſelbe ohnehin ſchon zu fordern berechtigt iſt, und da- durch die Verpflichtung verſtärkt; endlich indem man dem Dritten ſeinen Beitritt vorbehält und dadurch die Giltigkeit der Stipulation oder des Verſprechens für ihn bedingt, was ſich bei jeder directen Vertragsbeſtimmung für einen Dritten von ſelbſt verſteht. Bis zur Erklärung des Dritten bleibt im letztern Fall das Rechts- verhältniß deſſelben zu den andern aufgeſchoben; es kann auf den ihm beſtimmten Vortheil von dem Stipulanten verzichtet werden, wenn er ſich nicht gegen den andern Contrahenten gebunden hat, die Erklärung abzuwarten. 1
Im Uebrigen kennt das internationale Recht keine Beſchrän- kung der Vertragsfreiheit auf beſtimmte Arten von Verträgen, wie etwa das Privatrecht; keinen Unterſchied von klagbaren und nicht klagbaren Conventionen. Ohne Grund behauptete man auch, es gehöre zu allen völkerrechtlichen Verträgen eine beſondere causa debendi, mit andern Worten, ſie könnten nur auf Leiſtung und Gegenleiſtung beruhen; jede Bewilligung ſetzte ein Aequivalent vor- aus. Wem indeß eine freie Verfügung über ſein Vermögen zuſteht, dem kann auch die Befugniß zu rein freigebigen Verfügungen nicht abgeſprochen werden, da ſie nur in einer an ſich erlaubten Auf- gebung von Eigenthum beſtehen, wovon zu Gunſten eines andern
1 Unter den ältern Publiciſten beſteht in Betreff dieſes Punctes eine große Verſchiedenheit der Anſichten, hervorgebracht durch den Conflict des Rö- miſchen Rechts mit naturrechtlichen Theorieen. Vgl. z. B. Groot II, 11, 18. und dazu Cocceji; Pufendorf III, 9, 4 f. de Neumann §. 151. Die neueren Codificationen des Privatrechts haben ſich den obigen Sätzen als den einfachſten und natürlichſten zugewendet. Vgl. Allg. Preuß. Landr. I, 5, §. 74. Code Nap. Art. 1121. 1165.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0173"n="149"/><fwplace="top"type="header">§. 83. <hirendition="#g">Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens</hi>.</fw><lb/><hirendition="#et">vermöge eines vorherigen Auftrags,<lb/>
bei einer unbedingten oder doch beziehungsweiſe Statt finden-<lb/>
den Abhängigkeit des Dritten von dem Willen eines oder al-<lb/>
ler Contrahenten;</hi><lb/>ſodann<lb/><hirendition="#et">indem ein Contrahent im eignen Intereſſe dem andern die<lb/>
Verpflichtung auferlegt, einer dritten Perſon etwas zu leiſten,<lb/>
was dieſelbe ohnehin ſchon zu fordern berechtigt iſt, und da-<lb/>
durch die Verpflichtung verſtärkt;</hi><lb/>
endlich<lb/><hirendition="#et">indem man dem Dritten ſeinen Beitritt vorbehält und dadurch<lb/>
die Giltigkeit der Stipulation oder des Verſprechens für ihn<lb/>
bedingt, was ſich bei jeder directen Vertragsbeſtimmung für<lb/>
einen Dritten von ſelbſt verſteht.</hi><lb/>
Bis zur Erklärung des Dritten bleibt im letztern Fall das Rechts-<lb/>
verhältniß deſſelben zu den andern aufgeſchoben; es kann auf den<lb/>
ihm beſtimmten Vortheil von dem Stipulanten verzichtet werden,<lb/>
wenn er ſich nicht gegen den andern Contrahenten gebunden hat,<lb/>
die Erklärung abzuwarten. <noteplace="foot"n="1">Unter den ältern Publiciſten beſteht in Betreff dieſes Punctes eine große<lb/>
Verſchiedenheit der Anſichten, hervorgebracht durch den Conflict des Rö-<lb/>
miſchen Rechts mit naturrechtlichen Theorieen. Vgl. z. B. Groot <hirendition="#aq">II,</hi> 11,<lb/>
18. und dazu Cocceji; Pufendorf <hirendition="#aq">III,</hi> 9, 4 f. <hirendition="#aq">de Neumann</hi> §. 151. Die<lb/>
neueren Codificationen des Privatrechts haben ſich den obigen Sätzen als<lb/>
den einfachſten und natürlichſten zugewendet. Vgl. Allg. Preuß. Landr. <hirendition="#aq">I,</hi><lb/>
5, §. 74. <hirendition="#aq">Code Nap.</hi> Art. 1121. 1165.</note></p><lb/><p>Im Uebrigen kennt das internationale Recht keine Beſchrän-<lb/>
kung der Vertragsfreiheit auf beſtimmte Arten von Verträgen, wie<lb/>
etwa das Privatrecht; keinen Unterſchied von klagbaren und nicht<lb/>
klagbaren Conventionen. Ohne Grund behauptete man auch, es<lb/>
gehöre zu allen völkerrechtlichen Verträgen eine beſondere <hirendition="#aq">causa<lb/>
debendi,</hi> mit andern Worten, ſie könnten nur auf Leiſtung und<lb/>
Gegenleiſtung beruhen; jede Bewilligung ſetzte ein Aequivalent vor-<lb/>
aus. Wem indeß eine freie Verfügung über ſein Vermögen zuſteht,<lb/>
dem kann auch die Befugniß zu rein freigebigen Verfügungen nicht<lb/>
abgeſprochen werden, da ſie nur in einer an ſich erlaubten Auf-<lb/>
gebung von Eigenthum beſtehen, wovon zu Gunſten eines andern<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[149/0173]
§. 83. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
vermöge eines vorherigen Auftrags,
bei einer unbedingten oder doch beziehungsweiſe Statt finden-
den Abhängigkeit des Dritten von dem Willen eines oder al-
ler Contrahenten;
ſodann
indem ein Contrahent im eignen Intereſſe dem andern die
Verpflichtung auferlegt, einer dritten Perſon etwas zu leiſten,
was dieſelbe ohnehin ſchon zu fordern berechtigt iſt, und da-
durch die Verpflichtung verſtärkt;
endlich
indem man dem Dritten ſeinen Beitritt vorbehält und dadurch
die Giltigkeit der Stipulation oder des Verſprechens für ihn
bedingt, was ſich bei jeder directen Vertragsbeſtimmung für
einen Dritten von ſelbſt verſteht.
Bis zur Erklärung des Dritten bleibt im letztern Fall das Rechts-
verhältniß deſſelben zu den andern aufgeſchoben; es kann auf den
ihm beſtimmten Vortheil von dem Stipulanten verzichtet werden,
wenn er ſich nicht gegen den andern Contrahenten gebunden hat,
die Erklärung abzuwarten. 1
Im Uebrigen kennt das internationale Recht keine Beſchrän-
kung der Vertragsfreiheit auf beſtimmte Arten von Verträgen, wie
etwa das Privatrecht; keinen Unterſchied von klagbaren und nicht
klagbaren Conventionen. Ohne Grund behauptete man auch, es
gehöre zu allen völkerrechtlichen Verträgen eine beſondere causa
debendi, mit andern Worten, ſie könnten nur auf Leiſtung und
Gegenleiſtung beruhen; jede Bewilligung ſetzte ein Aequivalent vor-
aus. Wem indeß eine freie Verfügung über ſein Vermögen zuſteht,
dem kann auch die Befugniß zu rein freigebigen Verfügungen nicht
abgeſprochen werden, da ſie nur in einer an ſich erlaubten Auf-
gebung von Eigenthum beſtehen, wovon zu Gunſten eines andern
1 Unter den ältern Publiciſten beſteht in Betreff dieſes Punctes eine große
Verſchiedenheit der Anſichten, hervorgebracht durch den Conflict des Rö-
miſchen Rechts mit naturrechtlichen Theorieen. Vgl. z. B. Groot II, 11,
18. und dazu Cocceji; Pufendorf III, 9, 4 f. de Neumann §. 151. Die
neueren Codificationen des Privatrechts haben ſich den obigen Sätzen als
den einfachſten und natürlichſten zugewendet. Vgl. Allg. Preuß. Landr. I,
5, §. 74. Code Nap. Art. 1121. 1165.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/173>, abgerufen am 24.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.