Gebrauch gemacht wird.
1 Eben so wenig kann die Nichterkenn-
barkeit eines Nutzens für den stipulirenden Theil die Giltigkeit ei-
ner Paction aufheben,
2 oder die Behauptung einer enormen Lä-
sion, wenn nicht andere Rescissionsgründe damit in Verbindung
treten.
3Unverbindlich würde jedoch vorzüglich im Zustand des Friedens
eine bleibende vertragsmäßige Unterwerfung unter den Willen eines
Andern oder Dritten sein, wodurch die Fortexistenz einer freien
Persönlichkeit für immer unmöglich gemacht und nicht vielmehr ein
Schutz derselben erlangt würde. 4
b. Dispositionsfähigkeit der Contrahenten.
84. Die zweite wesentliche Voraussetzung zu einem giltigen
Vertrage ist Dispositionsfähigkeit der Contrahenten. Diese haben
I. für eigentliche Staatenverträge (§. 82. I.) die machtvollkomm-
nen actuellen (selbst usurpatorischen) Repräsentanten der con-
trahirenden Staatsgewalten (§. 49.), so weit deren Befug-
nisse in auswärtigen Beziehungen nicht durch ein Abhän-
gigkeitsverhältniß zu andern Staaten 5 oder durch die der-
mahlige außer Streit befindliche Verfassung des Staates 6
beschränkt werden, während der nicht im Besitz befindliche
obwohl rechtmäßige Souverän nur für den Fall der effec-
tiven Wiedererlangung seiner Rechte Verträge für den Staat
Gebrauch gemacht wird.
1 Eben ſo wenig kann die Nichterkenn-
barkeit eines Nutzens für den ſtipulirenden Theil die Giltigkeit ei-
ner Paction aufheben,
2 oder die Behauptung einer enormen Lä-
ſion, wenn nicht andere Reſciſſionsgründe damit in Verbindung
treten.
3Unverbindlich würde jedoch vorzüglich im Zuſtand des Friedens
eine bleibende vertragsmäßige Unterwerfung unter den Willen eines
Andern oder Dritten ſein, wodurch die Fortexiſtenz einer freien
Perſönlichkeit für immer unmöglich gemacht und nicht vielmehr ein
Schutz derſelben erlangt würde. 4
b. Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten.
84. Die zweite weſentliche Vorausſetzung zu einem giltigen
Vertrage iſt Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten. Dieſe haben
I. für eigentliche Staatenverträge (§. 82. I.) die machtvollkomm-
nen actuellen (ſelbſt uſurpatoriſchen) Repräſentanten der con-
trahirenden Staatsgewalten (§. 49.), ſo weit deren Befug-
niſſe in auswärtigen Beziehungen nicht durch ein Abhän-
gigkeitsverhältniß zu andern Staaten 5 oder durch die der-
mahlige außer Streit befindliche Verfaſſung des Staates 6
beſchränkt werden, während der nicht im Beſitz befindliche
obwohl rechtmäßige Souverän nur für den Fall der effec-
tiven Wiedererlangung ſeiner Rechte Verträge für den Staat
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[150/0174]
Erſtes Buch. §. 84.
Gebrauch gemacht wird. 1 Eben ſo wenig kann die Nichterkenn-
barkeit eines Nutzens für den ſtipulirenden Theil die Giltigkeit ei-
ner Paction aufheben, 2 oder die Behauptung einer enormen Lä-
ſion, wenn nicht andere Reſciſſionsgründe damit in Verbindung
treten. 3
Unverbindlich würde jedoch vorzüglich im Zuſtand des Friedens
eine bleibende vertragsmäßige Unterwerfung unter den Willen eines
Andern oder Dritten ſein, wodurch die Fortexiſtenz einer freien
Perſönlichkeit für immer unmöglich gemacht und nicht vielmehr ein
Schutz derſelben erlangt würde. 4
b. Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten.
84. Die zweite weſentliche Vorausſetzung zu einem giltigen
Vertrage iſt Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten. Dieſe haben
I. für eigentliche Staatenverträge (§. 82. I.) die machtvollkomm-
nen actuellen (ſelbſt uſurpatoriſchen) Repräſentanten der con-
trahirenden Staatsgewalten (§. 49.), ſo weit deren Befug-
niſſe in auswärtigen Beziehungen nicht durch ein Abhän-
gigkeitsverhältniß zu andern Staaten 5 oder durch die der-
mahlige außer Streit befindliche Verfaſſung des Staates 6
beſchränkt werden, während der nicht im Beſitz befindliche
obwohl rechtmäßige Souverän nur für den Fall der effec-
tiven Wiedererlangung ſeiner Rechte Verträge für den Staat
1 Grot. II, 14, 4 et 12. de Neumann in Wolffsfeldt, de Pact. prin-
cip. I, 3, 90. I, 5, 219. Günther, Völkerr. II, 95.
2 de Neumann l. c. I, 5, 220.
3 Vattel §. 158. Martens E. Völkerr. §. 45. a. E. Schmelzing §. 381.
4 Darauf muß wohl reducirt werden, was von früheren Publiciſten über die
Gleichheit und Ungleichheit der Völkerverträge geſagt worden iſt. S. z. B.
Vattel §. 172 ff. Groot hat die Theorie zuerſt mit darauf geführt, be-
ſtimmt durch Ariſtoteles. Dagegen hat ſich mit Recht ſchon Cocceji zu
Groot II, 12, 8 f. erklärt. S. auch Martens, E. Völkerr. §. 46 a. E.
u. §. 55.
5 Vgl. oben §. 19 f. Wheaton, intern. L. III, 2, 1.
6 „Außer Streit befindliche.“ Denn andern Nationen gegenüber kann hier
nur der Beſitzſtand entſcheiden. Vergl. ſchon oben §. 10. 23. und 49.
Wegen der in der Britiſchen und Nordamerikaniſchen Verfaſſung liegen-
den Beſchränkungen vergl. Wheaton l. c. §. 5. 6. Auch andere neuere
Conſtitutionen bieten dergleichen dar. Allein die Präſumtion iſt für die
Staatsgewalt. Die Verfaſſung ſelbſt jedoch kann ſie nicht für ſich allein
zum Opfer bringen.