eingehen kann. -- Sogar Rechte der Unterthanen unterliegen der Disposition des Souveräns, 1 wofern sie nicht durch die Verfassung des besondern Staates für unverletzbar er- klärt sind und sofern nicht etwa ihre Verletzung der Sitt- lichkeit schlechthin widerstrebt. 2 Wie weit der einzelne Bür- ger oder sein Eigenthum dem Staatswohl mit oder ohne Entschädigung geopfert werden könne, ist Gegenstand des innern Staatsrechts.
II. für Verträge der Souveräne über ihre eigenthümlichen vom Staate unabhängigen Rechte sind sie allein dispositionsbe- rechtigt. Jedoch erstreckt sich ihre Fähigkeit keineswegs auch auf die eigenthümlichen Rechte der ganzen Familie, deren Haupt sie sind; ihre Handlungen können ohne ein hierzu berechtigendes Familiengesetz den übrigen Familiengliedern nicht präjudiciren, 3 wiewohl solche im Fall der Noth ebenso wie die Rechte der Unterthanen durch einen Staatsvertrag geopfert werden können.
Von den bei öffentlichen Verträgen etwa concurrirenden Pri- vatpersonen gelten die Grundsätze ihres Heimathsrechtes.
Statt der vorgenannten Personen können nur ausdrücklich au- torisirte Stellvertreter giltig für dieselben contrahiren; und, was ein unbefugter Stellvertreter oder freiwilliger Geschäftsführer con- trahirt hat, kann erst durch nachherige Ratification des Berechtig- ten Giltigkeit erlangen. Insbesondere gilt dies von den s. g. Sponsionen oder Versprechungen, welche der Unterthan eines Staates einem andern Staat ohne Autorisation des Erstern macht. 4 Hieraus kann weder für den ungehörig vertretenen Staat irgend eine Verbindlichkeit entstehen, noch auch für den Spondirenden selbst, wofern er nicht ganz bestimmt für seine Person übernommen hat, die Genehmigung oder Vollziehung der Sponsion zu bewir-
1 Groot III, 20, 7. v. Neumann §. 86. 159. 467.
2 Z. B. eine Beschränkung der Gewissensfreiheit. S. auch Vattel §. 161.
3 Nach der Familienverfassung der deutschen Fürstenhäuser ist dies nicht zu bezweifeln. Vgl. Moser, Familienstaatsr. 910. 1065. Henr. Hersemeyer, de pact. gentilit. Mog. 1781. p. 109.
4 Eine große Menge von Schriften und Ansichten über diesen Gegenstand s. in v. Ompteda Literatur II, 585. und v. Kamptz N. Lit. §. 244. Am einfachsten und der Wahrheit am Nächsten entscheidet VattelL. II, §. 209 sq.
§. 84. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
eingehen kann. — Sogar Rechte der Unterthanen unterliegen der Dispoſition des Souveräns, 1 wofern ſie nicht durch die Verfaſſung des beſondern Staates für unverletzbar er- klärt ſind und ſofern nicht etwa ihre Verletzung der Sitt- lichkeit ſchlechthin widerſtrebt. 2 Wie weit der einzelne Bür- ger oder ſein Eigenthum dem Staatswohl mit oder ohne Entſchädigung geopfert werden könne, iſt Gegenſtand des innern Staatsrechts.
II. für Verträge der Souveräne über ihre eigenthümlichen vom Staate unabhängigen Rechte ſind ſie allein dispoſitionsbe- rechtigt. Jedoch erſtreckt ſich ihre Fähigkeit keineswegs auch auf die eigenthümlichen Rechte der ganzen Familie, deren Haupt ſie ſind; ihre Handlungen können ohne ein hierzu berechtigendes Familiengeſetz den übrigen Familiengliedern nicht präjudiciren, 3 wiewohl ſolche im Fall der Noth ebenſo wie die Rechte der Unterthanen durch einen Staatsvertrag geopfert werden können.
Von den bei öffentlichen Verträgen etwa concurrirenden Pri- vatperſonen gelten die Grundſätze ihres Heimathsrechtes.
Statt der vorgenannten Perſonen können nur ausdrücklich au- toriſirte Stellvertreter giltig für dieſelben contrahiren; und, was ein unbefugter Stellvertreter oder freiwilliger Geſchäftsführer con- trahirt hat, kann erſt durch nachherige Ratification des Berechtig- ten Giltigkeit erlangen. Insbeſondere gilt dies von den ſ. g. Sponſionen oder Verſprechungen, welche der Unterthan eines Staates einem andern Staat ohne Autoriſation des Erſtern macht. 4 Hieraus kann weder für den ungehörig vertretenen Staat irgend eine Verbindlichkeit entſtehen, noch auch für den Spondirenden ſelbſt, wofern er nicht ganz beſtimmt für ſeine Perſon übernommen hat, die Genehmigung oder Vollziehung der Sponſion zu bewir-
1 Groot III, 20, 7. v. Neumann §. 86. 159. 467.
2 Z. B. eine Beſchränkung der Gewiſſensfreiheit. S. auch Vattel §. 161.
3 Nach der Familienverfaſſung der deutſchen Fürſtenhäuſer iſt dies nicht zu bezweifeln. Vgl. Moſer, Familienſtaatsr. 910. 1065. Henr. Hersemeyer, de pact. gentilit. Mog. 1781. p. 109.
4 Eine große Menge von Schriften und Anſichten über dieſen Gegenſtand ſ. in v. Ompteda Literatur II, 585. und v. Kamptz N. Lit. §. 244. Am einfachſten und der Wahrheit am Nächſten entſcheidet VattelL. II, §. 209 sq.
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§. 84. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
eingehen kann. — Sogar Rechte der Unterthanen unterliegen
der Dispoſition des Souveräns, 1 wofern ſie nicht durch
die Verfaſſung des beſondern Staates für unverletzbar er-
klärt ſind und ſofern nicht etwa ihre Verletzung der Sitt-
lichkeit ſchlechthin widerſtrebt. 2 Wie weit der einzelne Bür-
ger oder ſein Eigenthum dem Staatswohl mit oder ohne
Entſchädigung geopfert werden könne, iſt Gegenſtand des
innern Staatsrechts.
II. für Verträge der Souveräne über ihre eigenthümlichen vom
Staate unabhängigen Rechte ſind ſie allein dispoſitionsbe-
rechtigt. Jedoch erſtreckt ſich ihre Fähigkeit keineswegs auch
auf die eigenthümlichen Rechte der ganzen Familie, deren
Haupt ſie ſind; ihre Handlungen können ohne ein hierzu
berechtigendes Familiengeſetz den übrigen Familiengliedern
nicht präjudiciren, 3 wiewohl ſolche im Fall der Noth ebenſo
wie die Rechte der Unterthanen durch einen Staatsvertrag
geopfert werden können.
Von den bei öffentlichen Verträgen etwa concurrirenden Pri-
vatperſonen gelten die Grundſätze ihres Heimathsrechtes.
Statt der vorgenannten Perſonen können nur ausdrücklich au-
toriſirte Stellvertreter giltig für dieſelben contrahiren; und, was
ein unbefugter Stellvertreter oder freiwilliger Geſchäftsführer con-
trahirt hat, kann erſt durch nachherige Ratification des Berechtig-
ten Giltigkeit erlangen. Insbeſondere gilt dies von den ſ. g.
Sponſionen oder Verſprechungen, welche der Unterthan eines
Staates einem andern Staat ohne Autoriſation des Erſtern macht. 4
Hieraus kann weder für den ungehörig vertretenen Staat irgend
eine Verbindlichkeit entſtehen, noch auch für den Spondirenden
ſelbſt, wofern er nicht ganz beſtimmt für ſeine Perſon übernommen
hat, die Genehmigung oder Vollziehung der Sponſion zu bewir-
1 Groot III, 20, 7. v. Neumann §. 86. 159. 467.
2 Z. B. eine Beſchränkung der Gewiſſensfreiheit. S. auch Vattel §. 161.
3 Nach der Familienverfaſſung der deutſchen Fürſtenhäuſer iſt dies nicht zu
bezweifeln. Vgl. Moſer, Familienſtaatsr. 910. 1065. Henr. Hersemeyer,
de pact. gentilit. Mog. 1781. p. 109.
4 Eine große Menge von Schriften und Anſichten über dieſen Gegenſtand
ſ. in v. Ompteda Literatur II, 585. und v. Kamptz N. Lit. §. 244.
Am einfachſten und der Wahrheit am Nächſten entſcheidet Vattel L. II,
§. 209 sq.
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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/175>, abgerufen am 24.02.2025.
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