ken, in welchem Fall er für das Interesse haftet; 1 auch muß im Zustand des Friedens der ungehörig vertretene Staat die Vortheile wieder herausgeben, welche ihm durch die Sponsion bereits zuge- flossen sind. Alles Uebrige ist den Gesetzen der Ehre und Staats- klugheit namentlich im Kriege anheimgegeben. -- Eine stillschwei- gende Vollmacht kann nur denjenigen Staatsdienern zugeschrieben werden, welche vermöge ihres Amtes gewisse Zwecke nach eigenem Ermessen zu verfolgen haben, wobei sie mit auswärtigen Mächten in Berührung kommen, jedoch versteht sich von selbst, lediglich zu Abschließung von Verträgen über solche Gegenstände, welche zur Disposition des Staatsdieners vermöge seines Amtes gestellt sind, so daß jede weiter gehende Verfügung einer Ratification der Staatsgewalt bedarf, außerdem aber hinfällig wird. Anwendung von diesen Grundsätzen wird besonders im Kriegsrecht gemacht werden.
c.Willensfreiheit.
85. Eine dritte wesentliche Voraussetzung giltiger Verträge ist Freiheit des Willens der Contrahenten und somit Abwesenheit sol- cher Zustände, wodurch jene aufgehoben wird. Irrthum, Hinter- list und Zwang haben demnach denselben Einfluß auf den Rechts- bestand der Verträge, wie derselbe schon längst in allen Privatrech- ten festgestellt ist. Als wahres Hinderniß der Willensfreiheit kann inzwischen nicht jede Art von preßhaften Zuständen gelten, welche die Wahl eines Entschlusses nur erschweren, vielmehr ist ein Zwang erforderlich, wodurch selbst ein kräftiger beharrlicher Muth erschüt- tert werden kann, welches allemal der Fall sein wird, wo Gefahr für die physische oder moralische Existenz eintritt, mithin die Pflicht der Selbsterhaltung ein Nachgeben gebietet, und nicht etwa das Bestehen der Gefahr durch höhere Pflichten geboten wird. Für einen Staat wird eine solche Gefahr vorhanden sein, wenn seine eigene Existenz als selbständiger Staat auf dem Spiele steht; für den Souverän oder Unterhändler, wenn sein Leben, seine Gesund- heit, Ehre oder Freiheit ernstlich bedroht wird, und die Ausfüh- rung der Drohung wirklich in der Macht des Drohenden steht. Nur kann ein schon vorhandener rechtmäßiger Zustand des Zwan-
1 Eine persönliche Addiction des Sponsor sogar wollte Groot II, 15, 3 u. 16, wozu ihn die bei den Alten wohl übliche Deditio verleitete.
Erſtes Buch. §. 85.
ken, in welchem Fall er für das Intereſſe haftet; 1 auch muß im Zuſtand des Friedens der ungehörig vertretene Staat die Vortheile wieder herausgeben, welche ihm durch die Sponſion bereits zuge- floſſen ſind. Alles Uebrige iſt den Geſetzen der Ehre und Staats- klugheit namentlich im Kriege anheimgegeben. — Eine ſtillſchwei- gende Vollmacht kann nur denjenigen Staatsdienern zugeſchrieben werden, welche vermöge ihres Amtes gewiſſe Zwecke nach eigenem Ermeſſen zu verfolgen haben, wobei ſie mit auswärtigen Mächten in Berührung kommen, jedoch verſteht ſich von ſelbſt, lediglich zu Abſchließung von Verträgen über ſolche Gegenſtände, welche zur Dispoſition des Staatsdieners vermöge ſeines Amtes geſtellt ſind, ſo daß jede weiter gehende Verfügung einer Ratification der Staatsgewalt bedarf, außerdem aber hinfällig wird. Anwendung von dieſen Grundſätzen wird beſonders im Kriegsrecht gemacht werden.
c.Willensfreiheit.
85. Eine dritte weſentliche Vorausſetzung giltiger Verträge iſt Freiheit des Willens der Contrahenten und ſomit Abweſenheit ſol- cher Zuſtände, wodurch jene aufgehoben wird. Irrthum, Hinter- liſt und Zwang haben demnach denſelben Einfluß auf den Rechts- beſtand der Verträge, wie derſelbe ſchon längſt in allen Privatrech- ten feſtgeſtellt iſt. Als wahres Hinderniß der Willensfreiheit kann inzwiſchen nicht jede Art von preßhaften Zuſtänden gelten, welche die Wahl eines Entſchluſſes nur erſchweren, vielmehr iſt ein Zwang erforderlich, wodurch ſelbſt ein kräftiger beharrlicher Muth erſchüt- tert werden kann, welches allemal der Fall ſein wird, wo Gefahr für die phyſiſche oder moraliſche Exiſtenz eintritt, mithin die Pflicht der Selbſterhaltung ein Nachgeben gebietet, und nicht etwa das Beſtehen der Gefahr durch höhere Pflichten geboten wird. Für einen Staat wird eine ſolche Gefahr vorhanden ſein, wenn ſeine eigene Exiſtenz als ſelbſtändiger Staat auf dem Spiele ſteht; für den Souverän oder Unterhändler, wenn ſein Leben, ſeine Geſund- heit, Ehre oder Freiheit ernſtlich bedroht wird, und die Ausfüh- rung der Drohung wirklich in der Macht des Drohenden ſteht. Nur kann ein ſchon vorhandener rechtmäßiger Zuſtand des Zwan-
1 Eine perſönliche Addiction des Sponſor ſogar wollte Groot II, 15, 3 u. 16, wozu ihn die bei den Alten wohl übliche Deditio verleitete.
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Erſtes Buch. §. 85.
ken, in welchem Fall er für das Intereſſe haftet; 1 auch muß im
Zuſtand des Friedens der ungehörig vertretene Staat die Vortheile
wieder herausgeben, welche ihm durch die Sponſion bereits zuge-
floſſen ſind. Alles Uebrige iſt den Geſetzen der Ehre und Staats-
klugheit namentlich im Kriege anheimgegeben. — Eine ſtillſchwei-
gende Vollmacht kann nur denjenigen Staatsdienern zugeſchrieben
werden, welche vermöge ihres Amtes gewiſſe Zwecke nach eigenem
Ermeſſen zu verfolgen haben, wobei ſie mit auswärtigen Mächten
in Berührung kommen, jedoch verſteht ſich von ſelbſt, lediglich
zu Abſchließung von Verträgen über ſolche Gegenſtände, welche
zur Dispoſition des Staatsdieners vermöge ſeines Amtes geſtellt
ſind, ſo daß jede weiter gehende Verfügung einer Ratification der
Staatsgewalt bedarf, außerdem aber hinfällig wird. Anwendung
von dieſen Grundſätzen wird beſonders im Kriegsrecht gemacht
werden.
c. Willensfreiheit.
85. Eine dritte weſentliche Vorausſetzung giltiger Verträge iſt
Freiheit des Willens der Contrahenten und ſomit Abweſenheit ſol-
cher Zuſtände, wodurch jene aufgehoben wird. Irrthum, Hinter-
liſt und Zwang haben demnach denſelben Einfluß auf den Rechts-
beſtand der Verträge, wie derſelbe ſchon längſt in allen Privatrech-
ten feſtgeſtellt iſt. Als wahres Hinderniß der Willensfreiheit kann
inzwiſchen nicht jede Art von preßhaften Zuſtänden gelten, welche
die Wahl eines Entſchluſſes nur erſchweren, vielmehr iſt ein Zwang
erforderlich, wodurch ſelbſt ein kräftiger beharrlicher Muth erſchüt-
tert werden kann, welches allemal der Fall ſein wird, wo Gefahr
für die phyſiſche oder moraliſche Exiſtenz eintritt, mithin die Pflicht
der Selbſterhaltung ein Nachgeben gebietet, und nicht etwa das
Beſtehen der Gefahr durch höhere Pflichten geboten wird. Für
einen Staat wird eine ſolche Gefahr vorhanden ſein, wenn ſeine
eigene Exiſtenz als ſelbſtändiger Staat auf dem Spiele ſteht; für
den Souverän oder Unterhändler, wenn ſein Leben, ſeine Geſund-
heit, Ehre oder Freiheit ernſtlich bedroht wird, und die Ausfüh-
rung der Drohung wirklich in der Macht des Drohenden ſteht.
Nur kann ein ſchon vorhandener rechtmäßiger Zuſtand des Zwan-
1 Eine perſönliche Addiction des Sponſor ſogar wollte Groot II, 15, 3 u.
16, wozu ihn die bei den Alten wohl übliche Deditio verleitete.
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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/176>, abgerufen am 24.02.2025.
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