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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 123.
Subjecte des Kriegsstandes.

123. Obgleich im Allgemeinen ein eigentlicher sowohl activer
wie passiver Kriegsstand nur unter den feindlichen Staatsgewal-
ten, deren Hilfsmächten und unter den zur Ausübung von Feind-
seligkeiten bestimmten Personen nach der Kriegsweise civilisirter Völ-
ker besteht: so treten doch auch alle übrigen Unterthanen daneben
wenigstens in einen passiven Kriegsstand, insofern ihr Zusammen-
hang mit der Staatsgewalt, so wie Art und Zweck des Krieges,
eine Mitleidenheit unvermeidlich macht. 1 Aber nur mit dem Wil-
len der eigenen Staatsgewalt tritt der Einzelne auch in einen ge-
regelten activen Kriegsstand ein, 2 sei es durch Berufung in die re-
gulären Truppen oder in einen organisirten Landsturm oder durch
Einrolirung in ein autorisirtes Freicorps, oder endlich durch das
Aufgebot der ganzen Nation, wenigstens der waffenfähigen, zu
feindseligen Handlungen. Endlich ist, wenn der Feind selbst ei-
nen Vernichtungskrieg erklärt oder factisch führt, oder wenn ein-
zelne Glieder des feindlichen Staates sich nicht nach Kriegssitte be-
tragen, jedem Einzelnen auch das Recht des activen Widerstandes
gegeben. Außerdem aber ist jede feindselige Handlung an Perso-
nen und Eigenthum der feindlichen Partei nicht bloß eine Ver-
letzung der Kriegssitte, die der Feind ahnden kann, sondern sogar
eine Uebertretung der eigenen Staatsgesetze, wodurch Verletzungen
von Personen und Sachen als den Bürgerpflichten zuwider ver-
pönt werden, und sie verfällt entweder dem einheimischen ordentlichen
Strafgesetz 3 oder besondern Martialgesetz.


1 Vgl. schon Vattel III, 15, §. 226.
2 Das Allgemeine Landrecht für Preußen sagt dieses in der Einleitung
§. 81. mit den Worten: "den Schutz gegen auswärtige Feinde erwartet
der Staat lediglich von der Anordnung seines Oberhauptes." Eine
sonst allgemeine Formel der Kriegserklärungen war zwar die Aufforderung
an alle Unterthanen de courir sus aux ennemis; indessen deutete die-
ses schon Vattel a. a. O. §. 227. auf ein bloßes Festhalten feindlicher
Personen und Sachen. Jetzt möchte sie wohl überhaupt nicht mehr vor-
kommen.
3 "Der scheinbare Grund des Gegentheils", sagt Abegg, Untersuch. aus dem
Gebiete der Strafrechtswissensch. 1830. S. 86. "ist, daß der Staat, den
im Kriegszustande das Unglück traf, in seinen Landestheilen feindliche Trup-
pen aufnehmen zu müssen, weder Pflicht noch Interesse habe, jene Feinde
wider Angriffe zu sichern, nachdem an die Stelle des rechtlichen ein Ge-
Zweites Buch. §. 123.
Subjecte des Kriegsſtandes.

123. Obgleich im Allgemeinen ein eigentlicher ſowohl activer
wie paſſiver Kriegsſtand nur unter den feindlichen Staatsgewal-
ten, deren Hilfsmächten und unter den zur Ausübung von Feind-
ſeligkeiten beſtimmten Perſonen nach der Kriegsweiſe civiliſirter Völ-
ker beſteht: ſo treten doch auch alle übrigen Unterthanen daneben
wenigſtens in einen paſſiven Kriegsſtand, inſofern ihr Zuſammen-
hang mit der Staatsgewalt, ſo wie Art und Zweck des Krieges,
eine Mitleidenheit unvermeidlich macht. 1 Aber nur mit dem Wil-
len der eigenen Staatsgewalt tritt der Einzelne auch in einen ge-
regelten activen Kriegsſtand ein, 2 ſei es durch Berufung in die re-
gulären Truppen oder in einen organiſirten Landſturm oder durch
Einrolirung in ein autoriſirtes Freicorps, oder endlich durch das
Aufgebot der ganzen Nation, wenigſtens der waffenfähigen, zu
feindſeligen Handlungen. Endlich iſt, wenn der Feind ſelbſt ei-
nen Vernichtungskrieg erklärt oder factiſch führt, oder wenn ein-
zelne Glieder des feindlichen Staates ſich nicht nach Kriegsſitte be-
tragen, jedem Einzelnen auch das Recht des activen Widerſtandes
gegeben. Außerdem aber iſt jede feindſelige Handlung an Perſo-
nen und Eigenthum der feindlichen Partei nicht bloß eine Ver-
letzung der Kriegsſitte, die der Feind ahnden kann, ſondern ſogar
eine Uebertretung der eigenen Staatsgeſetze, wodurch Verletzungen
von Perſonen und Sachen als den Bürgerpflichten zuwider ver-
pönt werden, und ſie verfällt entweder dem einheimiſchen ordentlichen
Strafgeſetz 3 oder beſondern Martialgeſetz.


1 Vgl. ſchon Vattel III, 15, §. 226.
2 Das Allgemeine Landrecht für Preußen ſagt dieſes in der Einleitung
§. 81. mit den Worten: „den Schutz gegen auswärtige Feinde erwartet
der Staat lediglich von der Anordnung ſeines Oberhauptes.“ Eine
ſonſt allgemeine Formel der Kriegserklärungen war zwar die Aufforderung
an alle Unterthanen de courir sus aux ennemis; indeſſen deutete die-
ſes ſchon Vattel a. a. O. §. 227. auf ein bloßes Feſthalten feindlicher
Perſonen und Sachen. Jetzt möchte ſie wohl überhaupt nicht mehr vor-
kommen.
3 „Der ſcheinbare Grund des Gegentheils“, ſagt Abegg, Unterſuch. aus dem
Gebiete der Strafrechtswiſſenſch. 1830. S. 86. „iſt, daß der Staat, den
im Kriegszuſtande das Unglück traf, in ſeinen Landestheilen feindliche Trup-
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[208/0232] Zweites Buch. §. 123. Subjecte des Kriegsſtandes. 123. Obgleich im Allgemeinen ein eigentlicher ſowohl activer wie paſſiver Kriegsſtand nur unter den feindlichen Staatsgewal- ten, deren Hilfsmächten und unter den zur Ausübung von Feind- ſeligkeiten beſtimmten Perſonen nach der Kriegsweiſe civiliſirter Völ- ker beſteht: ſo treten doch auch alle übrigen Unterthanen daneben wenigſtens in einen paſſiven Kriegsſtand, inſofern ihr Zuſammen- hang mit der Staatsgewalt, ſo wie Art und Zweck des Krieges, eine Mitleidenheit unvermeidlich macht. 1 Aber nur mit dem Wil- len der eigenen Staatsgewalt tritt der Einzelne auch in einen ge- regelten activen Kriegsſtand ein, 2 ſei es durch Berufung in die re- gulären Truppen oder in einen organiſirten Landſturm oder durch Einrolirung in ein autoriſirtes Freicorps, oder endlich durch das Aufgebot der ganzen Nation, wenigſtens der waffenfähigen, zu feindſeligen Handlungen. Endlich iſt, wenn der Feind ſelbſt ei- nen Vernichtungskrieg erklärt oder factiſch führt, oder wenn ein- zelne Glieder des feindlichen Staates ſich nicht nach Kriegsſitte be- tragen, jedem Einzelnen auch das Recht des activen Widerſtandes gegeben. Außerdem aber iſt jede feindſelige Handlung an Perſo- nen und Eigenthum der feindlichen Partei nicht bloß eine Ver- letzung der Kriegsſitte, die der Feind ahnden kann, ſondern ſogar eine Uebertretung der eigenen Staatsgeſetze, wodurch Verletzungen von Perſonen und Sachen als den Bürgerpflichten zuwider ver- pönt werden, und ſie verfällt entweder dem einheimiſchen ordentlichen Strafgeſetz 3 oder beſondern Martialgeſetz. 1 Vgl. ſchon Vattel III, 15, §. 226. 2 Das Allgemeine Landrecht für Preußen ſagt dieſes in der Einleitung §. 81. mit den Worten: „den Schutz gegen auswärtige Feinde erwartet der Staat lediglich von der Anordnung ſeines Oberhauptes.“ Eine ſonſt allgemeine Formel der Kriegserklärungen war zwar die Aufforderung an alle Unterthanen de courir sus aux ennemis; indeſſen deutete die- ſes ſchon Vattel a. a. O. §. 227. auf ein bloßes Feſthalten feindlicher Perſonen und Sachen. Jetzt möchte ſie wohl überhaupt nicht mehr vor- kommen. 3 „Der ſcheinbare Grund des Gegentheils“, ſagt Abegg, Unterſuch. aus dem Gebiete der Strafrechtswiſſenſch. 1830. S. 86. „iſt, daß der Staat, den im Kriegszuſtande das Unglück traf, in ſeinen Landestheilen feindliche Trup- pen aufnehmen zu müſſen, weder Pflicht noch Intereſſe habe, jene Feinde wider Angriffe zu ſichern, nachdem an die Stelle des rechtlichen ein Ge-

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/232>, abgerufen am 29.11.2024.