Wenn nun diese sogenannte Construction der Ma- terie, höchstens ein analytisches Verdienst hätte, das noch durch die unreine Darstellung geschmälert würde, so ist der Grundgedanke immer sehr zu schätzen, die Materie aus diesen zwey entgegengesetzten Bestimmungen als ih- ren Grundkräften zu erkennen. Es ist Kant vornemlich um die Verbannung der gemein-mechanischen Vorstel- lungsweise zu thun, die bey der einen Bestimmung, der Undurchdringlichkeit, der für-sich-seyenden Punktualität, stehen bleibt, und die entgegengesetzte Bestimmung, die Beziehung der Materie in sich oder mehrerer Materier, die wieder als besondere Eins ange- sehen werden, aufeinander, zu etwas äusserlichem macht; -- die Vorstellungsweise, welche, wie Kant sagt, sonst keine bewegenden Kräfte, als nur durch Druck und Stoß, also nur durch Einwirkung von Aus- sen, einräumen will. Diese Aeusserlichkeit des Er- kennens setzt die Bewegung immer schon als vorhanden voraus, und denkt nicht daran, sie als etwas innerliches zu fassen und sie selbst und in der Materie zu begreifen, sondern nimmt diese für sich als bewegungslos und als träge an. Indem nun Kant diese Aeusserlichkeit zwar insofern aufhebt, als er die Attraction, die Be- ziehung der Materien aufeinander, insofern sie als verschieden angenommen werden, oder der Materie über- haupt in ihrem Aussersichseyn, zu einer Kraft der Materie selbst macht, so bleiben jedoch auf der andern Seite seine beyden Grundkräfte, innerhalb der Materie, äusserliche und für sich selbstständige gegen einander.
So nichtig der Unterschied dieser beyden Kräfte, der ihnen in Rücksicht auf das Erkennen beygelegt wurde, war, eben so nichtig muß sich jeder andere Unterschied, der in Ansehung ihrer Inhaltsbestimmung gemacht wird, zeigen, weil sie, wie sie oben in ihrer Wahrheit betrach-
tet
Qualitaͤt.
Wenn nun dieſe ſogenannte Conſtruction der Ma- terie, hoͤchſtens ein analytiſches Verdienſt haͤtte, das noch durch die unreine Darſtellung geſchmaͤlert wuͤrde, ſo iſt der Grundgedanke immer ſehr zu ſchaͤtzen, die Materie aus dieſen zwey entgegengeſetzten Beſtimmungen als ih- ren Grundkraͤften zu erkennen. Es iſt Kant vornemlich um die Verbannung der gemein-mechaniſchen Vorſtel- lungsweiſe zu thun, die bey der einen Beſtimmung, der Undurchdringlichkeit, der fuͤr-ſich-ſeyenden Punktualitaͤt, ſtehen bleibt, und die entgegengeſetzte Beſtimmung, die Beziehung der Materie in ſich oder mehrerer Materier, die wieder als beſondere Eins ange- ſehen werden, aufeinander, zu etwas aͤuſſerlichem macht; — die Vorſtellungsweiſe, welche, wie Kant ſagt, ſonſt keine bewegenden Kraͤfte, als nur durch Druck und Stoß, alſo nur durch Einwirkung von Aus- ſen, einraͤumen will. Dieſe Aeuſſerlichkeit des Er- kennens ſetzt die Bewegung immer ſchon als vorhanden voraus, und denkt nicht daran, ſie als etwas innerliches zu faſſen und ſie ſelbſt und in der Materie zu begreifen, ſondern nimmt dieſe fuͤr ſich als bewegungslos und als traͤge an. Indem nun Kant dieſe Aeuſſerlichkeit zwar inſofern aufhebt, als er die Attraction, die Be- ziehung der Materien aufeinander, inſofern ſie als verſchieden angenommen werden, oder der Materie uͤber- haupt in ihrem Auſſerſichſeyn, zu einer Kraft der Materie ſelbſt macht, ſo bleiben jedoch auf der andern Seite ſeine beyden Grundkraͤfte, innerhalb der Materie, aͤuſſerliche und fuͤr ſich ſelbſtſtaͤndige gegen einander.
So nichtig der Unterſchied dieſer beyden Kraͤfte, der ihnen in Ruͤckſicht auf das Erkennen beygelegt wurde, war, eben ſo nichtig muß ſich jeder andere Unterſchied, der in Anſehung ihrer Inhaltsbeſtimmung gemacht wird, zeigen, weil ſie, wie ſie oben in ihrer Wahrheit betrach-
tet
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><pbfacs="#f0171"n="123"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Qualitaͤt</hi>.</fw><lb/><p>Wenn nun dieſe ſogenannte Conſtruction der Ma-<lb/>
terie, hoͤchſtens ein analytiſches Verdienſt haͤtte, das<lb/>
noch durch die unreine Darſtellung geſchmaͤlert wuͤrde, ſo<lb/>
iſt der Grundgedanke immer ſehr zu ſchaͤtzen, die Materie<lb/>
aus dieſen zwey entgegengeſetzten Beſtimmungen als ih-<lb/>
ren Grundkraͤften zu erkennen. Es iſt Kant vornemlich<lb/>
um die Verbannung der gemein-mechaniſchen Vorſtel-<lb/>
lungsweiſe zu thun, die bey der einen Beſtimmung,<lb/>
der Undurchdringlichkeit, <hirendition="#g">der fuͤr-ſich-ſeyenden<lb/>
Punktualitaͤt</hi>, ſtehen bleibt, und die entgegengeſetzte<lb/>
Beſtimmung, die <hirendition="#g">Beziehung</hi> der Materie in ſich oder<lb/>
mehrerer Materier, die wieder als beſondere Eins ange-<lb/>ſehen werden, aufeinander, zu etwas <hirendition="#g">aͤuſſerlichem</hi><lb/>
macht; — die Vorſtellungsweiſe, welche, wie Kant<lb/>ſagt, ſonſt keine bewegenden Kraͤfte, als nur durch<lb/>
Druck und Stoß, alſo nur durch Einwirkung von Aus-<lb/>ſen, einraͤumen will. Dieſe <hirendition="#g">Aeuſſerlichkeit</hi> des Er-<lb/>
kennens ſetzt die Bewegung immer ſchon als vorhanden<lb/>
voraus, und denkt nicht daran, ſie als etwas innerliches<lb/>
zu faſſen und ſie ſelbſt und in der Materie zu begreifen,<lb/>ſondern nimmt dieſe fuͤr ſich als bewegungslos und als<lb/>
traͤge an. Indem nun Kant dieſe Aeuſſerlichkeit<lb/>
zwar inſofern aufhebt, als er die Attraction, die <hirendition="#g">Be-<lb/>
ziehung</hi> der Materien aufeinander, inſofern ſie als<lb/>
verſchieden angenommen werden, oder der Materie uͤber-<lb/>
haupt in ihrem Auſſerſichſeyn, zu einer <hirendition="#g">Kraft der<lb/>
Materie ſelbſt</hi> macht, ſo bleiben jedoch auf der andern<lb/>
Seite ſeine beyden Grundkraͤfte, innerhalb der Materie,<lb/>
aͤuſſerliche und fuͤr ſich ſelbſtſtaͤndige <hirendition="#g">gegen einander</hi>.</p><lb/><p>So nichtig der Unterſchied dieſer beyden Kraͤfte, der<lb/>
ihnen in Ruͤckſicht auf das Erkennen beygelegt wurde,<lb/>
war, eben ſo nichtig muß ſich jeder andere Unterſchied,<lb/>
der in Anſehung ihrer Inhaltsbeſtimmung gemacht wird,<lb/>
zeigen, weil ſie, wie ſie oben in ihrer Wahrheit betrach-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">tet</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[123/0171]
Qualitaͤt.
Wenn nun dieſe ſogenannte Conſtruction der Ma-
terie, hoͤchſtens ein analytiſches Verdienſt haͤtte, das
noch durch die unreine Darſtellung geſchmaͤlert wuͤrde, ſo
iſt der Grundgedanke immer ſehr zu ſchaͤtzen, die Materie
aus dieſen zwey entgegengeſetzten Beſtimmungen als ih-
ren Grundkraͤften zu erkennen. Es iſt Kant vornemlich
um die Verbannung der gemein-mechaniſchen Vorſtel-
lungsweiſe zu thun, die bey der einen Beſtimmung,
der Undurchdringlichkeit, der fuͤr-ſich-ſeyenden
Punktualitaͤt, ſtehen bleibt, und die entgegengeſetzte
Beſtimmung, die Beziehung der Materie in ſich oder
mehrerer Materier, die wieder als beſondere Eins ange-
ſehen werden, aufeinander, zu etwas aͤuſſerlichem
macht; — die Vorſtellungsweiſe, welche, wie Kant
ſagt, ſonſt keine bewegenden Kraͤfte, als nur durch
Druck und Stoß, alſo nur durch Einwirkung von Aus-
ſen, einraͤumen will. Dieſe Aeuſſerlichkeit des Er-
kennens ſetzt die Bewegung immer ſchon als vorhanden
voraus, und denkt nicht daran, ſie als etwas innerliches
zu faſſen und ſie ſelbſt und in der Materie zu begreifen,
ſondern nimmt dieſe fuͤr ſich als bewegungslos und als
traͤge an. Indem nun Kant dieſe Aeuſſerlichkeit
zwar inſofern aufhebt, als er die Attraction, die Be-
ziehung der Materien aufeinander, inſofern ſie als
verſchieden angenommen werden, oder der Materie uͤber-
haupt in ihrem Auſſerſichſeyn, zu einer Kraft der
Materie ſelbſt macht, ſo bleiben jedoch auf der andern
Seite ſeine beyden Grundkraͤfte, innerhalb der Materie,
aͤuſſerliche und fuͤr ſich ſelbſtſtaͤndige gegen einander.
So nichtig der Unterſchied dieſer beyden Kraͤfte, der
ihnen in Ruͤckſicht auf das Erkennen beygelegt wurde,
war, eben ſo nichtig muß ſich jeder andere Unterſchied,
der in Anſehung ihrer Inhaltsbeſtimmung gemacht wird,
zeigen, weil ſie, wie ſie oben in ihrer Wahrheit betrach-
tet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/171>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.