Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Quantität.

Es ist nemlich merkwürdig, daß in der Mecha-
nik
die Glieder der Reihe, in der die Function einer
Bewegung entwickelt wird, ihre bestimmte Bedeu-
tung
haben, so daß das erste Glied, oder die Erste
Function sich auf das Moment der Geschwindigkeit, die
zweyte auf die beschleunigende Kraft, und die dritte auf
den Widerstand von Kräften bezieht. Die Glieder der
Reihe sind also hier nicht nur als Theile einer Sum-
me
anzusehen, sondern als qualitative Momente
eines Ganzen des Begriffs
. Hiedurch erhält
das Weglassen der übrigen Glieder, die der schlecht-
unendlichen Reihe angehören, eine gänzlich ver-
schiedene Bedeutung
, von dem Weglassen aus dem
Grunde der relativen Kleinheit derselben. Sie
sind wegzulassen, weil durch die Begriffsbestimmungen,
denen die erstern Glieder angehören, das Ganze des Ge-
genstands als Begriff und dadurch auch als Summe,
überhaupt seine Quantitätsbestimmung vollendet ist.
Die Newtonsche Auflösung enthielt jenen Fehler, nicht
weil in ihr Glieder der Reihe, als Theile einer
Summe
, sondern weil ein Glied, das eine Be-
griffsbestimmung enthält
, welche zum Ganzen
gehörte, weggelassen wurde.

In dieser Rücksicht ist es auch, daß das Differen-
tial von xn, durch das erste Glied der Reihe, die durch
Entwicklung von (x + d x)n sich ergibt, gänzlich er-
schöpft ist; -- eine Ansicht, auf welche L' Huillier
vornemlich drang. Daß die übrigen Glieder nicht be-
rücksichtigt werden, kommt nicht von ihrer relativen
Kleinheit her; -- es wird dabey nicht eine Ungenauig-
keit, ein Fehler oder Irrthum vorausgesetzt, der durch
einen andern Irrthum ausgeglichen und verbessert würde;
eine Ansicht, von welcher aus Carnot vornemlich die
gewöhnliche Methode der Infinitesimalrechnung rechtfer-

tigt.
Quantitaͤt.

Es iſt nemlich merkwuͤrdig, daß in der Mecha-
nik
die Glieder der Reihe, in der die Function einer
Bewegung entwickelt wird, ihre beſtimmte Bedeu-
tung
haben, ſo daß das erſte Glied, oder die Erſte
Function ſich auf das Moment der Geſchwindigkeit, die
zweyte auf die beſchleunigende Kraft, und die dritte auf
den Widerſtand von Kraͤften bezieht. Die Glieder der
Reihe ſind alſo hier nicht nur als Theile einer Sum-
me
anzuſehen, ſondern als qualitative Momente
eines Ganzen des Begriffs
. Hiedurch erhaͤlt
das Weglaſſen der uͤbrigen Glieder, die der ſchlecht-
unendlichen Reihe angehoͤren, eine gaͤnzlich ver-
ſchiedene Bedeutung
, von dem Weglaſſen aus dem
Grunde der relativen Kleinheit derſelben. Sie
ſind wegzulaſſen, weil durch die Begriffsbeſtimmungen,
denen die erſtern Glieder angehoͤren, das Ganze des Ge-
genſtands als Begriff und dadurch auch als Summe,
uͤberhaupt ſeine Quantitaͤtsbeſtimmung vollendet iſt.
Die Newtonſche Aufloͤſung enthielt jenen Fehler, nicht
weil in ihr Glieder der Reihe, als Theile einer
Summe
, ſondern weil ein Glied, das eine Be-
griffsbeſtimmung enthaͤlt
, welche zum Ganzen
gehoͤrte, weggelaſſen wurde.

In dieſer Ruͤckſicht iſt es auch, daß das Differen-
tial von xn, durch das erſte Glied der Reihe, die durch
Entwicklung von (x + d x)n ſich ergibt, gaͤnzlich er-
ſchoͤpft iſt; — eine Anſicht, auf welche L’ Huillier
vornemlich drang. Daß die uͤbrigen Glieder nicht be-
ruͤckſichtigt werden, kommt nicht von ihrer relativen
Kleinheit her; — es wird dabey nicht eine Ungenauig-
keit, ein Fehler oder Irrthum vorausgeſetzt, der durch
einen andern Irrthum ausgeglichen und verbeſſert wuͤrde;
eine Anſicht, von welcher aus Carnot vornemlich die
gewoͤhnliche Methode der Infiniteſimalrechnung rechtfer-

tigt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0287" n="239"/>
                    <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Quantita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/>
                    <p>Es i&#x017F;t nemlich merkwu&#x0364;rdig, daß in der <hi rendition="#g">Mecha-<lb/>
nik</hi> die Glieder der Reihe, in der die Function einer<lb/>
Bewegung entwickelt wird, ihre <hi rendition="#g">be&#x017F;timmte Bedeu-<lb/>
tung</hi> haben, &#x017F;o daß das er&#x017F;te Glied, oder die Er&#x017F;te<lb/>
Function &#x017F;ich auf das Moment der Ge&#x017F;chwindigkeit, die<lb/>
zweyte auf die be&#x017F;chleunigende Kraft, und die dritte auf<lb/>
den Wider&#x017F;tand von Kra&#x0364;ften bezieht. Die Glieder der<lb/>
Reihe &#x017F;ind al&#x017F;o hier nicht nur als <hi rendition="#g">Theile</hi> einer <hi rendition="#g">Sum-<lb/>
me</hi> anzu&#x017F;ehen, &#x017F;ondern als <hi rendition="#g">qualitative Momente<lb/>
eines Ganzen des Begriffs</hi>. Hiedurch erha&#x0364;lt<lb/>
das <hi rendition="#g">Wegla&#x017F;&#x017F;en</hi> der u&#x0364;brigen Glieder, die der &#x017F;chlecht-<lb/>
unendlichen Reihe angeho&#x0364;ren, eine <hi rendition="#g">ga&#x0364;nzlich ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Bedeutung</hi>, von dem Wegla&#x017F;&#x017F;en aus dem<lb/>
Grunde der <hi rendition="#g">relativen Kleinheit</hi> der&#x017F;elben. Sie<lb/>
&#x017F;ind wegzula&#x017F;&#x017F;en, weil durch die Begriffsbe&#x017F;timmungen,<lb/>
denen die er&#x017F;tern Glieder angeho&#x0364;ren, das Ganze des Ge-<lb/>
gen&#x017F;tands als <hi rendition="#g">Begriff</hi> und dadurch auch als Summe,<lb/>
u&#x0364;berhaupt &#x017F;eine Quantita&#x0364;tsbe&#x017F;timmung vollendet i&#x017F;t.<lb/>
Die Newton&#x017F;che Auflo&#x0364;&#x017F;ung enthielt jenen Fehler, <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/>
weil in ihr Glieder der Reihe, als <hi rendition="#g">Theile einer<lb/>
Summe</hi>, &#x017F;ondern weil ein <hi rendition="#g">Glied, das eine Be-<lb/>
griffsbe&#x017F;timmung entha&#x0364;lt</hi>, welche zum Ganzen<lb/>
geho&#x0364;rte, <hi rendition="#g">weggela&#x017F;&#x017F;en</hi> wurde.</p><lb/>
                    <p>In die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht i&#x017F;t es auch, daß das Differen-<lb/>
tial von <hi rendition="#aq">x<hi rendition="#sup">n</hi></hi>, durch das er&#x017F;te Glied der Reihe, die durch<lb/>
Entwicklung von <hi rendition="#aq">(x + d x)<hi rendition="#sup">n</hi></hi> &#x017F;ich ergibt, ga&#x0364;nzlich er-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pft i&#x017F;t; &#x2014; eine An&#x017F;icht, auf welche L&#x2019; <hi rendition="#g">Huillier</hi><lb/>
vornemlich drang. Daß die u&#x0364;brigen Glieder nicht be-<lb/>
ru&#x0364;ck&#x017F;ichtigt werden, kommt nicht von ihrer relativen<lb/>
Kleinheit her; &#x2014; es wird dabey nicht eine Ungenauig-<lb/>
keit, ein Fehler oder Irrthum vorausge&#x017F;etzt, der durch<lb/>
einen andern Irrthum ausgeglichen und verbe&#x017F;&#x017F;ert wu&#x0364;rde;<lb/>
eine An&#x017F;icht, von welcher aus <hi rendition="#g">Carnot</hi> vornemlich die<lb/>
gewo&#x0364;hnliche Methode der Infinite&#x017F;imalrechnung rechtfer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tigt.</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0287] Quantitaͤt. Es iſt nemlich merkwuͤrdig, daß in der Mecha- nik die Glieder der Reihe, in der die Function einer Bewegung entwickelt wird, ihre beſtimmte Bedeu- tung haben, ſo daß das erſte Glied, oder die Erſte Function ſich auf das Moment der Geſchwindigkeit, die zweyte auf die beſchleunigende Kraft, und die dritte auf den Widerſtand von Kraͤften bezieht. Die Glieder der Reihe ſind alſo hier nicht nur als Theile einer Sum- me anzuſehen, ſondern als qualitative Momente eines Ganzen des Begriffs. Hiedurch erhaͤlt das Weglaſſen der uͤbrigen Glieder, die der ſchlecht- unendlichen Reihe angehoͤren, eine gaͤnzlich ver- ſchiedene Bedeutung, von dem Weglaſſen aus dem Grunde der relativen Kleinheit derſelben. Sie ſind wegzulaſſen, weil durch die Begriffsbeſtimmungen, denen die erſtern Glieder angehoͤren, das Ganze des Ge- genſtands als Begriff und dadurch auch als Summe, uͤberhaupt ſeine Quantitaͤtsbeſtimmung vollendet iſt. Die Newtonſche Aufloͤſung enthielt jenen Fehler, nicht weil in ihr Glieder der Reihe, als Theile einer Summe, ſondern weil ein Glied, das eine Be- griffsbeſtimmung enthaͤlt, welche zum Ganzen gehoͤrte, weggelaſſen wurde. In dieſer Ruͤckſicht iſt es auch, daß das Differen- tial von xn, durch das erſte Glied der Reihe, die durch Entwicklung von (x + d x)n ſich ergibt, gaͤnzlich er- ſchoͤpft iſt; — eine Anſicht, auf welche L’ Huillier vornemlich drang. Daß die uͤbrigen Glieder nicht be- ruͤckſichtigt werden, kommt nicht von ihrer relativen Kleinheit her; — es wird dabey nicht eine Ungenauig- keit, ein Fehler oder Irrthum vorausgeſetzt, der durch einen andern Irrthum ausgeglichen und verbeſſert wuͤrde; eine Anſicht, von welcher aus Carnot vornemlich die gewoͤhnliche Methode der Infiniteſimalrechnung rechtfer- tigt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/287
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/287>, abgerufen am 22.11.2024.