Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.Einleitung. Platonischen Ideen, die in dem Denken Gottes sind, zufassen, nemlich gleichsam als existirende Dinge, aber in einer andern Welt oder Region, ausserhalb welcher die Welt der Wirklichkeit sich befinde und eine von jenen Ideen verschiedene, erst durch diese Verschiedenheit reale Substantialität habe. Die Platonische Idee ist nichts anders, als das Allgemeine oder bestimmter der Begriff des Gegenstandes; nur in seinem Begriffe hat Etwas Wirklichkeit; insofern es von seinem Begriffe verschieden ist, hört es auf wirklich zu seyn, und ist ein Nichtiges; die Seite der Handgreiflichkeit und des sinnlichen Ausser- sichseyns gehört dieser nichtigen Seite an. -- Von der andern Seite aber kann man sich auf die eigenen Vorstel- lungen der gewöhnlichen Logik berufen; es wird nemlich angenommen, daß z. B. Definitionen nicht Bestimmun- gen enthalten, die nur ins erkennende Subject fallen, sondern die Bestimmungen des Gegenstandes, welche sei- ne wesentlichste eigenste Natur ausmachen. Oder wenn von gegebenen Bestimmungen auf andere geschlossen wird, wird angenommen, daß das erschlossene nicht ein dem Gegenstande Aeusserliches und Fremdes sey, sondern daß es ihm vielmehr wesentlich selbst zukömme, daß diesem Denken das Seyn entspreche. -- Es liegt überhaupt bey dem Gebrauche der Formen des Begriffs, Urtheils, Schlußes, Definition, Division u. s. f. zum Grunde, daß sie nicht bloß Formen des selbstbewußten Denkens sind, sondern auch des gegenständlichen Verstandes. -- Denken ist ein Ausdruck, der die in ihm enthaltene Bestimmung vorzugsweise dem Bewußtseyn beylegt. Aber
Einleitung. Platoniſchen Ideen, die in dem Denken Gottes ſind, zufaſſen, nemlich gleichſam als exiſtirende Dinge, aber in einer andern Welt oder Region, auſſerhalb welcher die Welt der Wirklichkeit ſich befinde und eine von jenen Ideen verſchiedene, erſt durch dieſe Verſchiedenheit reale Subſtantialitaͤt habe. Die Platoniſche Idee iſt nichts anders, als das Allgemeine oder beſtimmter der Begriff des Gegenſtandes; nur in ſeinem Begriffe hat Etwas Wirklichkeit; inſofern es von ſeinem Begriffe verſchieden iſt, hoͤrt es auf wirklich zu ſeyn, und iſt ein Nichtiges; die Seite der Handgreiflichkeit und des ſinnlichen Auſſer- ſichſeyns gehoͤrt dieſer nichtigen Seite an. — Von der andern Seite aber kann man ſich auf die eigenen Vorſtel- lungen der gewoͤhnlichen Logik berufen; es wird nemlich angenommen, daß z. B. Definitionen nicht Beſtimmun- gen enthalten, die nur ins erkennende Subject fallen, ſondern die Beſtimmungen des Gegenſtandes, welche ſei- ne weſentlichſte eigenſte Natur ausmachen. Oder wenn von gegebenen Beſtimmungen auf andere geſchloſſen wird, wird angenommen, daß das erſchloſſene nicht ein dem Gegenſtande Aeuſſerliches und Fremdes ſey, ſondern daß es ihm vielmehr weſentlich ſelbſt zukoͤmme, daß dieſem Denken das Seyn entſpreche. — Es liegt uͤberhaupt bey dem Gebrauche der Formen des Begriffs, Urtheils, Schlußes, Definition, Diviſion u. ſ. f. zum Grunde, daß ſie nicht bloß Formen des ſelbſtbewußten Denkens ſind, ſondern auch des gegenſtaͤndlichen Verſtandes. — Denken iſt ein Ausdruck, der die in ihm enthaltene Beſtimmung vorzugsweiſe dem Bewußtſeyn beylegt. Aber
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="XIV"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> Platoniſchen Ideen, die in dem Denken Gottes ſind, zu<lb/> faſſen, nemlich gleichſam als exiſtirende Dinge, aber in<lb/> einer andern Welt oder Region, auſſerhalb welcher die<lb/> Welt der Wirklichkeit ſich befinde und eine von jenen<lb/> Ideen verſchiedene, erſt durch dieſe Verſchiedenheit reale<lb/> Subſtantialitaͤt habe. Die Platoniſche Idee iſt nichts<lb/> anders, als das Allgemeine oder beſtimmter der Begriff<lb/> des Gegenſtandes; nur in ſeinem Begriffe hat Etwas<lb/> Wirklichkeit; inſofern es von ſeinem Begriffe verſchieden<lb/> iſt, hoͤrt es auf wirklich zu ſeyn, und iſt ein Nichtiges;<lb/> die Seite der Handgreiflichkeit und des ſinnlichen Auſſer-<lb/> ſichſeyns gehoͤrt dieſer nichtigen Seite an. — Von der<lb/> andern Seite aber kann man ſich auf die eigenen Vorſtel-<lb/> lungen der gewoͤhnlichen Logik berufen; es wird nemlich<lb/> angenommen, daß z. B. Definitionen nicht Beſtimmun-<lb/> gen enthalten, die nur ins erkennende Subject fallen,<lb/> ſondern die Beſtimmungen des Gegenſtandes, welche ſei-<lb/> ne weſentlichſte eigenſte Natur ausmachen. Oder wenn<lb/> von gegebenen Beſtimmungen auf andere geſchloſſen wird,<lb/> wird angenommen, daß das erſchloſſene nicht ein dem<lb/> Gegenſtande Aeuſſerliches und Fremdes ſey, ſondern daß<lb/> es ihm vielmehr weſentlich ſelbſt zukoͤmme, daß dieſem<lb/> Denken das Seyn entſpreche. — Es liegt uͤberhaupt bey<lb/> dem Gebrauche der Formen des Begriffs, Urtheils,<lb/> Schlußes, Definition, Diviſion u. ſ. f. zum Grunde,<lb/> daß ſie nicht bloß Formen des ſelbſtbewußten Denkens<lb/> ſind, ſondern auch des gegenſtaͤndlichen Verſtandes. —<lb/><hi rendition="#g">Denken</hi> iſt ein Ausdruck, der die in ihm enthaltene<lb/> Beſtimmung vorzugsweiſe dem Bewußtſeyn beylegt.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [XIV/0034]
Einleitung.
Platoniſchen Ideen, die in dem Denken Gottes ſind, zu
faſſen, nemlich gleichſam als exiſtirende Dinge, aber in
einer andern Welt oder Region, auſſerhalb welcher die
Welt der Wirklichkeit ſich befinde und eine von jenen
Ideen verſchiedene, erſt durch dieſe Verſchiedenheit reale
Subſtantialitaͤt habe. Die Platoniſche Idee iſt nichts
anders, als das Allgemeine oder beſtimmter der Begriff
des Gegenſtandes; nur in ſeinem Begriffe hat Etwas
Wirklichkeit; inſofern es von ſeinem Begriffe verſchieden
iſt, hoͤrt es auf wirklich zu ſeyn, und iſt ein Nichtiges;
die Seite der Handgreiflichkeit und des ſinnlichen Auſſer-
ſichſeyns gehoͤrt dieſer nichtigen Seite an. — Von der
andern Seite aber kann man ſich auf die eigenen Vorſtel-
lungen der gewoͤhnlichen Logik berufen; es wird nemlich
angenommen, daß z. B. Definitionen nicht Beſtimmun-
gen enthalten, die nur ins erkennende Subject fallen,
ſondern die Beſtimmungen des Gegenſtandes, welche ſei-
ne weſentlichſte eigenſte Natur ausmachen. Oder wenn
von gegebenen Beſtimmungen auf andere geſchloſſen wird,
wird angenommen, daß das erſchloſſene nicht ein dem
Gegenſtande Aeuſſerliches und Fremdes ſey, ſondern daß
es ihm vielmehr weſentlich ſelbſt zukoͤmme, daß dieſem
Denken das Seyn entſpreche. — Es liegt uͤberhaupt bey
dem Gebrauche der Formen des Begriffs, Urtheils,
Schlußes, Definition, Diviſion u. ſ. f. zum Grunde,
daß ſie nicht bloß Formen des ſelbſtbewußten Denkens
ſind, ſondern auch des gegenſtaͤndlichen Verſtandes. —
Denken iſt ein Ausdruck, der die in ihm enthaltene
Beſtimmung vorzugsweiſe dem Bewußtſeyn beylegt.
Aber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |