Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Wesen.
die entgegengesetzten Bestimmungen, im Etwas eben so
sehr gesetzt als in diesem Setzen aufgehobene sind, so ist
das Dritte, das hier die Gestalt eines todten Etwas hat,
tiefer genommen, die Einheit der Reflexion, in welche,
als in den Grund die Entgegensetzung zurückgeht.

Anmerkung 3.

Wenn nun die ersten Reflexionsbestimmungen, die
Identität, die Verschiedenheit und die Entgegensetzung,
in einem Satze aufgestellt worden, so sollte noch vielmehr
diejenige, in welche sie als in ihre Wahrheit übergehen,
nemlich der Widerspruch, in einen Satz gefaßt und
gesagt werden: Alle Dinge sind an sich selbst
widersprechend
, und zwar in dem Sinne, daß die-
ser Satz gegen die übrigen vielmehr die Wahrheit und
das Wesen der Dinge ausdrücke. -- Der Widerspruch,
der an der Entgegensetzung hervortritt, ist nur das ent-
wickelte Nichts, das in der Identität enthalten ist, und
in dem Ausdrucke vorkam, daß der Satz der Identität
Nichts sage. Diese Negation bestimmt sich weiter zur
Verschiedenheit und zur Entgegensetzung, welche nun der
gesetzte Widerspruch ist.

Es ist aber eines der Grundvorurtheile der bisheri-
gen Logik und des gewöhnlichen Vorstellens, als ob der
Widerspruch nicht eine so wesenhafte und immanente Be-
stimmung sey, als die Identität; ja wenn von Rangord-
nung die Rede, und beyde Bestimmungen als getrennte
festzuhalten wären, so wäre der Widerspruch für das
Tiefere und Wesenhaftere zu nehmen. Denn die Iden-
tität ihm gegenüber ist nur die Bestimmung des einfachen
Unmittelbaren, des todten Seyns; er aber ist die Wur-
zel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur insofern etwas

in

Das Weſen.
die entgegengeſetzten Beſtimmungen, im Etwas eben ſo
ſehr geſetzt als in dieſem Setzen aufgehobene ſind, ſo iſt
das Dritte, das hier die Geſtalt eines todten Etwas hat,
tiefer genommen, die Einheit der Reflexion, in welche,
als in den Grund die Entgegenſetzung zuruͤckgeht.

Anmerkung 3.

Wenn nun die erſten Reflexionsbeſtimmungen, die
Identitaͤt, die Verſchiedenheit und die Entgegenſetzung,
in einem Satze aufgeſtellt worden, ſo ſollte noch vielmehr
diejenige, in welche ſie als in ihre Wahrheit uͤbergehen,
nemlich der Widerſpruch, in einen Satz gefaßt und
geſagt werden: Alle Dinge ſind an ſich ſelbſt
widerſprechend
, und zwar in dem Sinne, daß die-
ſer Satz gegen die uͤbrigen vielmehr die Wahrheit und
das Weſen der Dinge ausdruͤcke. — Der Widerſpruch,
der an der Entgegenſetzung hervortritt, iſt nur das ent-
wickelte Nichts, das in der Identitaͤt enthalten iſt, und
in dem Ausdrucke vorkam, daß der Satz der Identitaͤt
Nichts ſage. Dieſe Negation beſtimmt ſich weiter zur
Verſchiedenheit und zur Entgegenſetzung, welche nun der
geſetzte Widerſpruch iſt.

Es iſt aber eines der Grundvorurtheile der bisheri-
gen Logik und des gewoͤhnlichen Vorſtellens, als ob der
Widerſpruch nicht eine ſo weſenhafte und immanente Be-
ſtimmung ſey, als die Identitaͤt; ja wenn von Rangord-
nung die Rede, und beyde Beſtimmungen als getrennte
feſtzuhalten waͤren, ſo waͤre der Widerſpruch fuͤr das
Tiefere und Weſenhaftere zu nehmen. Denn die Iden-
titaͤt ihm gegenuͤber iſt nur die Beſtimmung des einfachen
Unmittelbaren, des todten Seyns; er aber iſt die Wur-
zel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur inſofern etwas

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0089" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das We&#x017F;en</hi>.</fw><lb/>
die entgegenge&#x017F;etzten Be&#x017F;timmungen, im Etwas eben &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr ge&#x017F;etzt als in die&#x017F;em Setzen aufgehobene &#x017F;ind, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
das Dritte, das hier die Ge&#x017F;talt eines todten Etwas hat,<lb/>
tiefer genommen, die Einheit der Reflexion, in welche,<lb/>
als in den Grund die Entgegen&#x017F;etzung zuru&#x0364;ckgeht.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head><hi rendition="#g">Anmerkung</hi> 3.</head><lb/>
                    <p>Wenn nun die er&#x017F;ten Reflexionsbe&#x017F;timmungen, die<lb/>
Identita&#x0364;t, die Ver&#x017F;chiedenheit und die Entgegen&#x017F;etzung,<lb/>
in einem Satze aufge&#x017F;tellt worden, &#x017F;o &#x017F;ollte noch vielmehr<lb/>
diejenige, in welche &#x017F;ie als in ihre Wahrheit u&#x0364;bergehen,<lb/>
nemlich <hi rendition="#g">der Wider&#x017F;pruch</hi>, in einen Satz gefaßt und<lb/>
ge&#x017F;agt werden: <hi rendition="#g">Alle Dinge &#x017F;ind an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wider&#x017F;prechend</hi>, und zwar in dem Sinne, daß die-<lb/>
&#x017F;er Satz gegen die u&#x0364;brigen vielmehr die Wahrheit und<lb/>
das We&#x017F;en der Dinge ausdru&#x0364;cke. &#x2014; Der Wider&#x017F;pruch,<lb/>
der an der Entgegen&#x017F;etzung hervortritt, i&#x017F;t nur das ent-<lb/>
wickelte Nichts, das in der Identita&#x0364;t enthalten i&#x017F;t, und<lb/>
in dem Ausdrucke vorkam, daß der Satz der Identita&#x0364;t<lb/><hi rendition="#g">Nichts</hi> &#x017F;age. Die&#x017F;e Negation be&#x017F;timmt &#x017F;ich weiter zur<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit und zur Entgegen&#x017F;etzung, welche nun der<lb/>
ge&#x017F;etzte Wider&#x017F;pruch i&#x017F;t.</p><lb/>
                    <p>Es i&#x017F;t aber eines der Grundvorurtheile der bisheri-<lb/>
gen Logik und des gewo&#x0364;hnlichen Vor&#x017F;tellens, als ob der<lb/>
Wider&#x017F;pruch nicht eine &#x017F;o we&#x017F;enhafte und immanente Be-<lb/>
&#x017F;timmung &#x017F;ey, als die Identita&#x0364;t; ja wenn von Rangord-<lb/>
nung die Rede, und beyde Be&#x017F;timmungen als getrennte<lb/>
fe&#x017F;tzuhalten wa&#x0364;ren, &#x017F;o wa&#x0364;re der Wider&#x017F;pruch fu&#x0364;r das<lb/>
Tiefere und We&#x017F;enhaftere zu nehmen. Denn die Iden-<lb/>
tita&#x0364;t ihm gegenu&#x0364;ber i&#x017F;t nur die Be&#x017F;timmung des einfachen<lb/>
Unmittelbaren, des todten Seyns; er aber i&#x017F;t die Wur-<lb/>
zel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur in&#x017F;ofern etwas<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0089] Das Weſen. die entgegengeſetzten Beſtimmungen, im Etwas eben ſo ſehr geſetzt als in dieſem Setzen aufgehobene ſind, ſo iſt das Dritte, das hier die Geſtalt eines todten Etwas hat, tiefer genommen, die Einheit der Reflexion, in welche, als in den Grund die Entgegenſetzung zuruͤckgeht. Anmerkung 3. Wenn nun die erſten Reflexionsbeſtimmungen, die Identitaͤt, die Verſchiedenheit und die Entgegenſetzung, in einem Satze aufgeſtellt worden, ſo ſollte noch vielmehr diejenige, in welche ſie als in ihre Wahrheit uͤbergehen, nemlich der Widerſpruch, in einen Satz gefaßt und geſagt werden: Alle Dinge ſind an ſich ſelbſt widerſprechend, und zwar in dem Sinne, daß die- ſer Satz gegen die uͤbrigen vielmehr die Wahrheit und das Weſen der Dinge ausdruͤcke. — Der Widerſpruch, der an der Entgegenſetzung hervortritt, iſt nur das ent- wickelte Nichts, das in der Identitaͤt enthalten iſt, und in dem Ausdrucke vorkam, daß der Satz der Identitaͤt Nichts ſage. Dieſe Negation beſtimmt ſich weiter zur Verſchiedenheit und zur Entgegenſetzung, welche nun der geſetzte Widerſpruch iſt. Es iſt aber eines der Grundvorurtheile der bisheri- gen Logik und des gewoͤhnlichen Vorſtellens, als ob der Widerſpruch nicht eine ſo weſenhafte und immanente Be- ſtimmung ſey, als die Identitaͤt; ja wenn von Rangord- nung die Rede, und beyde Beſtimmungen als getrennte feſtzuhalten waͤren, ſo waͤre der Widerſpruch fuͤr das Tiefere und Weſenhaftere zu nehmen. Denn die Iden- titaͤt ihm gegenuͤber iſt nur die Beſtimmung des einfachen Unmittelbaren, des todten Seyns; er aber iſt die Wur- zel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur inſofern etwas in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/89
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/89>, abgerufen am 21.11.2024.