Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Kapitel. Die absolute Idee.
liches Anschauen nennen kann. Das Unmittelbare
der sinnlichen Anschauung ist ein Mannichfaltiges
und Einzelnes. Das Erkennen ist aber begreiffen-
des Denken, sein Anfang daher auch nur im Ele-
mente des Denkens
; ein einfaches und allge-
meines
. -- Von dieser Form ist vorhin bey der De-
finition die Rede gewesen. Bey dem Anfang des endli-
chen Erkennens wird die Allgemeinheit, als wesentliche
Bestimmung gleichfalls anerkannt, aber nur als Denk-
und Begriffsbestimmung im Gegensatze gegen das Seyn
genommen. In der That ist diese erste Allgemeinheit
eine unmittelbare, und hat darum ebensosehr die
Bedeutung des Seyns; denn das Seyn ist eben diese
abstracte Beziehung auf sich selbst. Das Seyn bedarf
keiner andern Ableitung, als ob es dem Abstracten der
Definition nur daraus zukomme, weil es aus der sinn-
lichen Anschauung oder sonst woher genommen sey, und
insofern es monstrirt werde. Dieses Monstriren und
Herleiten betrift eine Vermittlung, die mehr als ein
blosser Anfang ist, und ist eine solche Vermittlung, die
nicht dem denkenden Begreiffen gehört, sondern die Er-
hebung der Vorstellung, des empirischen und räsonniren-
den Bewußtseyns, zu dem Standpunkte des Denkens ist.
Nach dem geläufigen Gegensatze von Gedanken oder Be-
griff und Seyn erscheint es als eine wichtige Wahrheit,
daß jenem für sich noch kein Seyn zukomme, und daß
diß einen eigenen vom Gedanken selbst unabhängigen
Grund habe. Die einfache Bestimmung von Seyn ist
aber so arm an sich, daß schon darum nicht viel Auf-
hebens davon zu machen ist; das Allgemeine ist unmit-
telbar selbst diß Unmittelbare, weil es als abstractes
auch nur die abstracte Beziehung auf sich ist, die das
Seyn ist. In der That hat die Foderung, das Seyn
aufzuzeigen, einen weitern innern Sinn, worin nicht
bloß diese abstracte Bestimmung liegt, sondern es ist

da-

III. Kapitel. Die abſolute Idee.
liches Anſchauen nennen kann. Das Unmittelbare
der ſinnlichen Anſchauung iſt ein Mannichfaltiges
und Einzelnes. Das Erkennen iſt aber begreiffen-
des Denken, ſein Anfang daher auch nur im Ele-
mente des Denkens
; ein einfaches und allge-
meines
. — Von dieſer Form iſt vorhin bey der De-
finition die Rede geweſen. Bey dem Anfang des endli-
chen Erkennens wird die Allgemeinheit, als weſentliche
Beſtimmung gleichfalls anerkannt, aber nur als Denk-
und Begriffsbeſtimmung im Gegenſatze gegen das Seyn
genommen. In der That iſt dieſe erſte Allgemeinheit
eine unmittelbare, und hat darum ebenſoſehr die
Bedeutung des Seyns; denn das Seyn iſt eben dieſe
abſtracte Beziehung auf ſich ſelbſt. Das Seyn bedarf
keiner andern Ableitung, als ob es dem Abſtracten der
Definition nur daraus zukomme, weil es aus der ſinn-
lichen Anſchauung oder ſonſt woher genommen ſey, und
inſofern es monſtrirt werde. Dieſes Monſtriren und
Herleiten betrift eine Vermittlung, die mehr als ein
bloſſer Anfang iſt, und iſt eine ſolche Vermittlung, die
nicht dem denkenden Begreiffen gehoͤrt, ſondern die Er-
hebung der Vorſtellung, des empiriſchen und raͤſonniren-
den Bewußtſeyns, zu dem Standpunkte des Denkens iſt.
Nach dem gelaͤufigen Gegenſatze von Gedanken oder Be-
griff und Seyn erſcheint es als eine wichtige Wahrheit,
daß jenem fuͤr ſich noch kein Seyn zukomme, und daß
diß einen eigenen vom Gedanken ſelbſt unabhaͤngigen
Grund habe. Die einfache Beſtimmung von Seyn iſt
aber ſo arm an ſich, daß ſchon darum nicht viel Auf-
hebens davon zu machen iſt; das Allgemeine iſt unmit-
telbar ſelbſt diß Unmittelbare, weil es als abſtractes
auch nur die abſtracte Beziehung auf ſich iſt, die das
Seyn iſt. In der That hat die Foderung, das Seyn
aufzuzeigen, einen weitern innern Sinn, worin nicht
bloß dieſe abſtracte Beſtimmung liegt, ſondern es iſt

da-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0395" n="377"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Kapitel. Die ab&#x017F;olute Idee</hi>.</fw><lb/><hi rendition="#g">liches An&#x017F;chauen</hi> nennen kann. Das Unmittelbare<lb/>
der &#x017F;innlichen An&#x017F;chauung i&#x017F;t ein <hi rendition="#g">Mannichfaltiges</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">Einzelnes</hi>. Das Erkennen i&#x017F;t aber begreiffen-<lb/>
des Denken, &#x017F;ein Anfang daher auch <hi rendition="#g">nur im Ele-<lb/>
mente des Denkens</hi>; ein <hi rendition="#g">einfaches</hi> und <hi rendition="#g">allge-<lb/>
meines</hi>. &#x2014; Von die&#x017F;er Form i&#x017F;t vorhin bey der De-<lb/>
finition die Rede gewe&#x017F;en. Bey dem Anfang des endli-<lb/>
chen Erkennens wird die Allgemeinheit, als we&#x017F;entliche<lb/>
Be&#x017F;timmung gleichfalls anerkannt, aber nur als Denk-<lb/>
und Begriffsbe&#x017F;timmung im Gegen&#x017F;atze gegen das Seyn<lb/>
genommen. In der That i&#x017F;t die&#x017F;e <hi rendition="#g">er&#x017F;te</hi> Allgemeinheit<lb/>
eine <hi rendition="#g">unmittelbare</hi>, und hat darum eben&#x017F;o&#x017F;ehr die<lb/>
Bedeutung des <hi rendition="#g">Seyns</hi>; denn das Seyn i&#x017F;t eben die&#x017F;e<lb/>
ab&#x017F;tracte Beziehung auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t. Das Seyn bedarf<lb/>
keiner andern Ableitung, als ob es dem Ab&#x017F;tracten der<lb/>
Definition nur daraus zukomme, weil es aus der &#x017F;inn-<lb/>
lichen An&#x017F;chauung oder &#x017F;on&#x017F;t woher genommen &#x017F;ey, und<lb/>
in&#x017F;ofern es mon&#x017F;trirt werde. Die&#x017F;es Mon&#x017F;triren und<lb/>
Herleiten betrift eine <hi rendition="#g">Vermittlung</hi>, die mehr als ein<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;er Anfang i&#x017F;t, und i&#x017F;t eine &#x017F;olche Vermittlung, die<lb/>
nicht dem denkenden Begreiffen geho&#x0364;rt, &#x017F;ondern die Er-<lb/>
hebung der Vor&#x017F;tellung, des empiri&#x017F;chen und ra&#x0364;&#x017F;onniren-<lb/>
den Bewußt&#x017F;eyns, zu dem Standpunkte des Denkens i&#x017F;t.<lb/>
Nach dem gela&#x0364;ufigen Gegen&#x017F;atze von Gedanken oder Be-<lb/>
griff und Seyn er&#x017F;cheint es als eine wichtige Wahrheit,<lb/>
daß jenem fu&#x0364;r &#x017F;ich noch kein Seyn zukomme, und daß<lb/>
diß einen eigenen vom Gedanken &#x017F;elb&#x017F;t unabha&#x0364;ngigen<lb/>
Grund habe. Die einfache Be&#x017F;timmung von <hi rendition="#g">Seyn</hi> i&#x017F;t<lb/>
aber &#x017F;o arm an &#x017F;ich, daß &#x017F;chon darum nicht viel Auf-<lb/>
hebens davon zu machen i&#x017F;t; das Allgemeine i&#x017F;t unmit-<lb/>
telbar &#x017F;elb&#x017F;t diß Unmittelbare, weil es als ab&#x017F;tractes<lb/>
auch nur die ab&#x017F;tracte Beziehung auf &#x017F;ich i&#x017F;t, die das<lb/>
Seyn i&#x017F;t. In der That hat die Foderung, das Seyn<lb/>
aufzuzeigen, einen weitern innern Sinn, worin nicht<lb/>
bloß die&#x017F;e ab&#x017F;tracte Be&#x017F;timmung liegt, &#x017F;ondern es i&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">da-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377/0395] III. Kapitel. Die abſolute Idee. liches Anſchauen nennen kann. Das Unmittelbare der ſinnlichen Anſchauung iſt ein Mannichfaltiges und Einzelnes. Das Erkennen iſt aber begreiffen- des Denken, ſein Anfang daher auch nur im Ele- mente des Denkens; ein einfaches und allge- meines. — Von dieſer Form iſt vorhin bey der De- finition die Rede geweſen. Bey dem Anfang des endli- chen Erkennens wird die Allgemeinheit, als weſentliche Beſtimmung gleichfalls anerkannt, aber nur als Denk- und Begriffsbeſtimmung im Gegenſatze gegen das Seyn genommen. In der That iſt dieſe erſte Allgemeinheit eine unmittelbare, und hat darum ebenſoſehr die Bedeutung des Seyns; denn das Seyn iſt eben dieſe abſtracte Beziehung auf ſich ſelbſt. Das Seyn bedarf keiner andern Ableitung, als ob es dem Abſtracten der Definition nur daraus zukomme, weil es aus der ſinn- lichen Anſchauung oder ſonſt woher genommen ſey, und inſofern es monſtrirt werde. Dieſes Monſtriren und Herleiten betrift eine Vermittlung, die mehr als ein bloſſer Anfang iſt, und iſt eine ſolche Vermittlung, die nicht dem denkenden Begreiffen gehoͤrt, ſondern die Er- hebung der Vorſtellung, des empiriſchen und raͤſonniren- den Bewußtſeyns, zu dem Standpunkte des Denkens iſt. Nach dem gelaͤufigen Gegenſatze von Gedanken oder Be- griff und Seyn erſcheint es als eine wichtige Wahrheit, daß jenem fuͤr ſich noch kein Seyn zukomme, und daß diß einen eigenen vom Gedanken ſelbſt unabhaͤngigen Grund habe. Die einfache Beſtimmung von Seyn iſt aber ſo arm an ſich, daß ſchon darum nicht viel Auf- hebens davon zu machen iſt; das Allgemeine iſt unmit- telbar ſelbſt diß Unmittelbare, weil es als abſtractes auch nur die abſtracte Beziehung auf ſich iſt, die das Seyn iſt. In der That hat die Foderung, das Seyn aufzuzeigen, einen weitern innern Sinn, worin nicht bloß dieſe abſtracte Beſtimmung liegt, ſondern es iſt da-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/395
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/395>, abgerufen am 22.11.2024.