Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Ob nun zwar diesem Selbstbewusstseyn weder
ein anderes als es, noch die reine Abstraction des
Ich das Wesen ist, sondern Ich, welches das An-
dersseyn, aber als gedachten Unterschied an ihm
hat, so dass es in seinem Andersseyn unmittelbar in
sich zurückgekehrt ist; so ist diss sein Wesen zu-
gleich nur ein abstractes Wesen. Die Freyheit des
Selbstbewusstseyns ist gleichgültig gegen das natür-
liche Daseyn, hat darum dieses ebenso frey entlassen,
und die Reflexion ist eine gedoppelte. Die Freyheit im
Gedanken hat nur den reinen Gedanken zu ihrer Wahr-
heit, die ohne die Erfüllung des Lebens ist; und ist
also auch nur der Begriff der Freyheit, nicht die le-
bendige Freyheit selbst; denn ihr ist nur erst das
Denken überhaupt das Wesen, die Form als solche,
welche von der Selbstständigkeit der Dinge weg, in
sich zurückgegangen ist. Indem aber die Individua-
lität als handelnd sich lebendig darstellen, oder als
denkend die lebendige Welt als ein System des Ge-
dankens fassen sollte, so müsste in dem Gedanken
selbst
für jene Ausbreitung ein Inhalt dessen, was gut,
für diese, was wahr ist, liegen; damit durchaus, in
demjenigen, was für das Bewusstseyn ist, kein an-
deres Ingrediens wäre, als der Begriff, der das We-
sen ist. Allein so wie er hier als Abstraction von der
Mannichfaltigkeit der Dinge sich abtrennt, hat er
keinen Inhalt an ihm selbst, sondern einen gegebenen.
Das Bewusstseyn vertilgt den Inhalt wohl als ein
fremdes Seyn, indem es ihn denkt; aber der Be-

Ob nun zwar diesem Selbstbewuſstseyn weder
ein anderes als es, noch die reine Abstraction des
Ich das Wesen ist, sondern Ich, welches das An-
dersseyn, aber als gedachten Unterschied an ihm
hat, so daſs es in seinem Andersseyn unmittelbar in
sich zurückgekehrt ist; so ist diſs sein Wesen zu-
gleich nur ein abstractes Wesen. Die Freyheit des
Selbstbewuſstseyns ist gleichgültig gegen das natür-
liche Daseyn, hat darum dieses ebenso frey entlassen,
und die Reflexion ist eine gedoppelte. Die Freyheit im
Gedanken hat nur den reinen Gedanken zu ihrer Wahr-
heit, die ohne die Erfüllung des Lebens ist; und ist
also auch nur der Begriff der Freyheit, nicht die le-
bendige Freyheit selbst; denn ihr ist nur erst das
Denken überhaupt das Wesen, die Form als solche,
welche von der Selbstständigkeit der Dinge weg, in
sich zurückgegangen ist. Indem aber die Individua-
lität als handelnd sich lebendig darstellen, oder als
denkend die lebendige Welt als ein System des Ge-
dankens fassen sollte, so müſste in dem Gedanken
selbst
für jene Ausbreitung ein Inhalt dessen, was gut,
für diese, was wahr ist, liegen; damit durchaus, in
demjenigen, was für das Bewuſstseyn ist, kein an-
deres Ingrediens wäre, als der Begriff, der das We-
sen ist. Allein so wie er hier als Abstraction von der
Mannichfaltigkeit der Dinge sich abtrennt, hat er
keinen Inhalt an ihm selbst, sondern einen gegebenen.
Das Bewuſstseyn vertilgt den Inhalt wohl als ein
fremdes Seyn, indem es ihn denkt; aber der Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0242" n="133"/>
            <p>Ob nun zwar diesem Selbstbewu&#x017F;stseyn weder<lb/>
ein anderes als es, noch die reine Abstraction des<lb/>
Ich das Wesen ist, sondern Ich, welches das An-<lb/>
dersseyn, aber als gedachten Unterschied an ihm<lb/>
hat, so da&#x017F;s es in seinem Andersseyn unmittelbar in<lb/>
sich zurückgekehrt ist; so ist di&#x017F;s sein Wesen zu-<lb/>
gleich nur ein <hi rendition="#i">abstractes</hi> Wesen. Die Freyheit des<lb/>
Selbstbewu&#x017F;stseyns ist <hi rendition="#i">gleichgültig</hi> gegen das natür-<lb/>
liche Daseyn, hat darum <hi rendition="#i">dieses ebenso frey entlassen</hi>,<lb/>
und die <hi rendition="#i">Reflexion</hi> ist eine <hi rendition="#i">gedoppelte</hi>. Die Freyheit im<lb/>
Gedanken hat nur <hi rendition="#i">den reinen Gedanken</hi> zu ihrer Wahr-<lb/>
heit, die ohne die Erfüllung des Lebens ist; und ist<lb/>
also auch nur der Begriff der Freyheit, nicht die le-<lb/>
bendige Freyheit selbst; denn ihr ist nur erst das<lb/><hi rendition="#i">Denken</hi> überhaupt das Wesen, die Form als solche,<lb/>
welche von der Selbstständigkeit der Dinge weg, in<lb/>
sich zurückgegangen ist. Indem aber die Individua-<lb/>
lität als handelnd sich lebendig darstellen, oder als<lb/>
denkend die lebendige Welt als ein System des Ge-<lb/>
dankens fassen sollte, so mü&#x017F;ste in <hi rendition="#i">dem Gedanken<lb/>
selbst</hi> für jene Ausbreitung ein <hi rendition="#i">Inhalt</hi> dessen, was gut,<lb/>
für diese, was wahr ist, liegen; damit <hi rendition="#i">durchaus</hi>, in<lb/>
demjenigen, <hi rendition="#i">was für das Bewu&#x017F;stseyn ist</hi>, kein an-<lb/>
deres Ingrediens wäre, als der Begriff, der das We-<lb/>
sen ist. Allein so wie er hier als <hi rendition="#i">Abstraction</hi> von der<lb/>
Mannichfaltigkeit der Dinge sich abtrennt, hat er<lb/><hi rendition="#i">keinen Inhalt an ihm selbst</hi>, sondern <hi rendition="#i">einen gegebenen</hi>.<lb/>
Das Bewu&#x017F;stseyn vertilgt den Inhalt wohl als ein<lb/>
fremdes <hi rendition="#i">Seyn</hi>, indem es ihn denkt; aber der Be-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0242] Ob nun zwar diesem Selbstbewuſstseyn weder ein anderes als es, noch die reine Abstraction des Ich das Wesen ist, sondern Ich, welches das An- dersseyn, aber als gedachten Unterschied an ihm hat, so daſs es in seinem Andersseyn unmittelbar in sich zurückgekehrt ist; so ist diſs sein Wesen zu- gleich nur ein abstractes Wesen. Die Freyheit des Selbstbewuſstseyns ist gleichgültig gegen das natür- liche Daseyn, hat darum dieses ebenso frey entlassen, und die Reflexion ist eine gedoppelte. Die Freyheit im Gedanken hat nur den reinen Gedanken zu ihrer Wahr- heit, die ohne die Erfüllung des Lebens ist; und ist also auch nur der Begriff der Freyheit, nicht die le- bendige Freyheit selbst; denn ihr ist nur erst das Denken überhaupt das Wesen, die Form als solche, welche von der Selbstständigkeit der Dinge weg, in sich zurückgegangen ist. Indem aber die Individua- lität als handelnd sich lebendig darstellen, oder als denkend die lebendige Welt als ein System des Ge- dankens fassen sollte, so müſste in dem Gedanken selbst für jene Ausbreitung ein Inhalt dessen, was gut, für diese, was wahr ist, liegen; damit durchaus, in demjenigen, was für das Bewuſstseyn ist, kein an- deres Ingrediens wäre, als der Begriff, der das We- sen ist. Allein so wie er hier als Abstraction von der Mannichfaltigkeit der Dinge sich abtrennt, hat er keinen Inhalt an ihm selbst, sondern einen gegebenen. Das Bewuſstseyn vertilgt den Inhalt wohl als ein fremdes Seyn, indem es ihn denkt; aber der Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/242
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/242>, abgerufen am 23.11.2024.