Geist ist, fasst sie, was sie von Bestimmung daran ent- deckt, als Holz, Stein und so fort, als einzelne wirk- liche Dinge auf; indem sie überhaupt alle Bestimmtheit, das heisst, allen Innhalt und Erfüllung desselben auf diese Weise als eine Endlichkeit, als menschliches We- sen und Vorstellung begreifft, wird ihr das absolute We- sen zu einen Vacuum, dem keine Bestimmungen, kei- ne Prädicate beygelegt werden können. Ein solches Beylager wäre an sich sträflich, und es ist es eben, in welchem die Ungeheuer des Aberglaubens erzeugt wor- den sind. Die Vernunft, die reine Einsicht ist wohl selbst nicht leer, indem das negative ihrer selbst für sie und ihr Inhalt ist, sondern reich, aber nur an Ein- zelnheit und Schranke; dem absoluten Wesen derglei- chen nichts zukommen zu lassen noch beyzulegen, ist ihre einsichtsvolle Lebensart, welche sich und ih- ren Reichthum der Endlichkeit an ihren Ort zu stel- len, und das absolute würdig zu behandeln weiss.
Diesem leeren Wesen gegenüber steht als zweytes Moment der positiven Wahrheit der Aufklärung, die aus einem absoluten Wesen ausgeschlossene Einzeln- heit überhaupt, des Bewusstseyns und alles Seyns, als absolutes an und für sich seyn. Das Bewusstseyn, wel- ches in seiner allerersten Wirklichkeit sinnliche Gewiss- heit und Meynung ist, kehrt hier aus dem ganzen We- ge seiner Erfahrung dahin zurück, und ist wieder ein Wissen von rein negativem seiner selbst, oder von sinnli- chen Dingen, d. h. seyenden, welche seinem Fürsichseyn gleichgültig gegenüberstehen. Es ist hier aber nicht
Geiſt iſt, faſst ſie, was ſie von Beſtimmung daran ent- deckt, als Holz, Stein und ſo fort, als einzelne wirk- liche Dinge auf; indem ſie überhaupt alle Beſtimmtheit, das heiſst, allen Innhalt und Erfüllung deſſelben auf dieſe Weiſe als eine Endlichkeit, als menſchliches We- ſen und Vorſtellung begreifft, wird ihr das abſolute We- ſen zu einen Vacuum, dem keine Beſtimmungen, kei- ne Prädicate beygelegt werden können. Ein ſolches Beylager wäre an ſich ſträflich, und es iſt es eben, in welchem die Ungeheuer des Aberglaubens erzeugt wor- den ſind. Die Vernunft, die reine Einſicht iſt wohl ſelbſt nicht leer, indem das negative ihrer ſelbſt für ſie und ihr Inhalt iſt, ſondern reich, aber nur an Ein- zelnheit und Schranke; dem abſoluten Weſen derglei- chen nichts zukommen zu laſſen noch beyzulegen, iſt ihre einſichtsvolle Lebensart, welche ſich und ih- ren Reichthum der Endlichkeit an ihren Ort zu ſtel- len, und das abſolute würdig zu behandeln weiſs.
Dieſem leeren Weſen gegenüber ſteht als zweytes Moment der poſitiven Wahrheit der Aufklärung, die aus einem abſoluten Weſen ausgeſchloſſene Einzeln- heit überhaupt, des Bewuſstſeyns und alles Seyns, als abſolutes an und für ſich ſeyn. Das Bewuſstſeyn, wel- ches in ſeiner allererſten Wirklichkeit ſinnliche Gewiſs- heit und Meynung iſt, kehrt hier aus dem ganzen We- ge ſeiner Erfahrung dahin zurück, und iſt wieder ein Wiſſen von rein negativem ſeiner ſelbſt, oder von ſinnli- chen Dingen, d. h. ſeyenden, welche ſeinem Fürſichſeyn gleichgültig gegenüberſtehen. Es iſt hier aber nicht
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Geiſt iſt, faſst ſie, was ſie von Beſtimmung daran ent-
deckt, als Holz, Stein und ſo fort, als einzelne wirk-
liche Dinge auf; indem ſie überhaupt alle Beſtimmtheit,
das heiſst, allen Innhalt und Erfüllung deſſelben auf
dieſe Weiſe als eine Endlichkeit, als menſchliches We-
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ne Prädicate beygelegt werden können. Ein ſolches
Beylager wäre an ſich ſträflich, und es iſt es eben, in
welchem die Ungeheuer des Aberglaubens erzeugt wor-
den ſind. Die Vernunft, die reine Einſicht iſt wohl
ſelbſt nicht leer, indem das negative ihrer ſelbſt für ſie
und ihr Inhalt iſt, ſondern reich, aber nur an Ein-
zelnheit und Schranke; dem abſoluten Weſen derglei-
chen nichts zukommen zu laſſen noch beyzulegen,
iſt ihre einſichtsvolle Lebensart, welche ſich und ih-
ren Reichthum der Endlichkeit an ihren Ort zu ſtel-
len, und das abſolute würdig zu behandeln weiſs.
Dieſem leeren Weſen gegenüber ſteht als zweytes
Moment der poſitiven Wahrheit der Aufklärung, die
aus einem abſoluten Weſen ausgeſchloſſene Einzeln-
heit überhaupt, des Bewuſstſeyns und alles Seyns, als
abſolutes an und für ſich ſeyn. Das Bewuſstſeyn, wel-
ches in ſeiner allererſten Wirklichkeit ſinnliche Gewiſs-
heit und Meynung iſt, kehrt hier aus dem ganzen We-
ge ſeiner Erfahrung dahin zurück, und iſt wieder ein
Wiſſen von rein negativem ſeiner ſelbſt, oder von ſinnli-
chen Dingen, d. h. ſeyenden, welche ſeinem Fürſichſeyn
gleichgültig gegenüberſtehen. Es iſt hier aber nicht
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/616>, abgerufen am 22.11.2024.
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