reinen Bewusstseyns, das absolut andere, oder die Mannichfaltigkeit an sich, ist sie eine absolute Viel- heit der Umstände, die sich rückwärts in ihre Be- dingungen, seitwärts in ihrem Nebeneinander, vor- wärts in ihren Folgen unendlich theilt und ausbrei- tet. -- Das gewissenhaffte Bewusstseyn ist dieser Na- tur der Sache und seines Verhältnisses zu ihr be- wusst, und weiss, dass es den Fall, in dem es han- delt, nicht nach dieser gefoderten Allgemeinheit kennt, und dass sein Vorgeben dieser gewissenhafften Erwägung aller Umstände nichtig ist. Diese Kennt- niss und Erwägung aller Umstände aber ist nicht gar nicht vorhanden; allein nur als Moment, als etwas, das nur für andere ist; und sein unvollständiges Wis- sen, weil es sein Wissen ist, gilt ihm als hinreichen- des vollkommenes Wissen.
Auf gleiche Weise verhält es sich mit der All- gemeinheit des Wesens, oder der Bestimmung des In- halts durchs reine Bewusstseyn. -- Das zum Handeln schreitende Gewissen bezieht sich auf die vielen Sei- ten des Falles. Dieser schlägt sich auseinander, und ebenso die Beziehung des reinen Bewusstseyns auf ihn, wodurch die Mannichfaltigkeit des Falles eine Mannichfaltigkeit von Pflichten ist. -- Das Gewissen weiss, dass es unter ihnen zu wählen und zu ent- scheiden hat; denn keine ist in ihrer Bestimmtheit oder in ihrem Inhalte absolut, sondern nur die reine Pflicht. Aber diss Abstractum hat in seiner Realität die Bedeutung des selbstbewussten Ich erlangt. Der
reinen Bewuſstseyns, das abſolut andere, oder die Mannichfaltigkeit an sich, ist sie eine abſolute Viel- heit der Umſtände, die sich rückwärts in ihre Be- dingungen, seitwärts in ihrem Nebeneinander, vor- wärts in ihren Folgen unendlich theilt und ausbrei- tet. — Das gewiſſenhaffte Bewuſstseyn iſt dieſer Na- tur der Sache und ſeines Verhältniſſes zu ihr be- wuſst, und weiſs, daſs es den Fall, in dem es han- delt, nicht nach dieſer gefoderten Allgemeinheit kennt, und daſs ſein Vorgeben dieſer gewiſſenhafften Erwägung aller Umſtände nichtig iſt. Dieſe Kennt- niſs und Erwägung aller Umſtände aber iſt nicht gar nicht vorhanden; allein nur als Moment, als etwas, das nur für andere ist; und sein unvollſtändiges Wiſ- ſen, weil es ſein Wiſſen ist, gilt ihm als hinreichen- des vollkommenes Wiſſen.
Auf gleiche Weiſe verhält es sich mit der All- gemeinheit des Weſens, oder der Beſtimmung des In- halts durchs reine Bewuſstseyn. — Das zum Handeln schreitende Gewiſſen bezieht sich auf die vielen Sei- ten des Falles. Dieſer schlägt sich auseinander, und ebenso die Beziehung des reinen Bewuſstseyns auf ihn, wodurch die Mannichfaltigkeit des Falles eine Mannichfaltigkeit von Pflichten ist. — Das Gewiſſen weiſs, daſs es unter ihnen zu wählen und zu ent- ſcheiden hat; denn keine ist in ihrer Beſtimmtheit oder in ihrem Inhalte abſolut, ſondern nur die reine Pflicht. Aber diſs Abſtractum hat in ſeiner Realität die Bedeutung des selbstbewuſsten Ich erlangt. Der
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reinen Bewuſstseyns, das abſolut andere, oder die
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tet. — Das gewiſſenhaffte Bewuſstseyn iſt dieſer Na-
tur der Sache und ſeines Verhältniſſes zu ihr be-
wuſst, und weiſs, daſs es den Fall, in dem es han-
delt, nicht nach dieſer gefoderten Allgemeinheit
kennt, und daſs ſein Vorgeben dieſer gewiſſenhafften
Erwägung aller Umſtände nichtig iſt. Dieſe Kennt-
niſs und Erwägung aller Umſtände aber iſt nicht gar
nicht vorhanden; allein nur als Moment, als etwas,
das nur für andere ist; und sein unvollſtändiges Wiſ-
ſen, weil es ſein Wiſſen ist, gilt ihm als hinreichen-
des vollkommenes Wiſſen.
Auf gleiche Weiſe verhält es sich mit der All-
gemeinheit des Weſens, oder der Beſtimmung des In-
halts durchs reine Bewuſstseyn. — Das zum Handeln
schreitende Gewiſſen bezieht sich auf die vielen Sei-
ten des Falles. Dieſer schlägt sich auseinander, und
ebenso die Beziehung des reinen Bewuſstseyns auf
ihn, wodurch die Mannichfaltigkeit des Falles eine
Mannichfaltigkeit von Pflichten ist. — Das Gewiſſen
weiſs, daſs es unter ihnen zu wählen und zu ent-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/701>, abgerufen am 22.11.2024.
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