Diss Seyn ist das Element, wodurch das Gewissen unmittelbar mit allen Selbstbewusstseyn in der Be- zichung der Gleichheit steht; und die Bedeutung die- ser Beziehung ist nicht das selbstlose Gesetz, sondern das Selbst des Gewissens.
Darin aber, dass diss Rechte, was das Gewissen thut, zugleich Seyn für anderes ist, scheint eine Un- gleichheit an es zu kommen. Die Pflicht, die es vollbringt, ist ein bestimmter Inhalt; er ist zwar das Selbst des Bewusstseyns, und darin sein Wissen von sich, seine Gleichheit mit sich selbst. Aber vollbracht, in das allgemeine Medium des Seyns gestellt, ist diese Gleichheit nicht mehr Wissen, nicht mehr dieses Unterscheiden, welches seine Unterschiede ebenso unmittelbar aufhebt; sondern im Seyn ist der Un- terschied bestehend gesetzt, und die Handlung eine bestimmte, ungleich mit dem Elemente des Selbstbe- wusstseyns Aller, also nicht nothwendig anerkannt. Beyde Seiten, das handelnde Gewissen und das all- gemeine diese Handlung als Pflicht anerkennende Bewusstseyn sind gleich frey von der Bestimmtheit dieses Thuns. Um dieser Freyheit willen ist die Be- ziehung in dem gemeinschafftlichen Medium des Zu- sammenhangs vielmehr ein Verhältniss der voll- kommen Ungleichheit; wodurch das Bewusstseyn, für welches die Handlung ist, sich in vollkommner Ungewissheit über den handelnden seiner selbst ge- wissen Geist befindet. Er handelt, er setzt eine Be- stimmtheit als seyend; an diss Seyn als an seine
Diſs Seyn iſt das Element, wodurch das Gewiſſen unmittelbar mit allen Selbſtbewuſstseyn in der Be- zichung der Gleichheit ſteht; und die Bedeutung die- ſer Beziehung iſt nicht das ſelbſtloſe Geſetz, ſondern das Selbſt des Gewiſſens.
Darin aber, daſs diſs Rechte, was das Gewiſſen thut, zugleich Seyn für anderes iſt, ſcheint eine Un- gleichheit an es zu kommen. Die Pflicht, die es vollbringt, iſt ein beſtimmter Inhalt; er iſt zwar das Selbſt des Bewuſstſeyns, und darin ſein Wiſſen von ſich, ſeine Gleichheit mit ſich ſelbſt. Aber vollbracht, in das allgemeine Medium des Seyns geſtellt, iſt dieſe Gleichheit nicht mehr Wiſſen, nicht mehr dieſes Unterſcheiden, welches ſeine Unterſchiede ebenſo unmittelbar aufhebt; ſondern im Seyn iſt der Un- terſchied beſtehend geſetzt, und die Handlung eine beſtimmte, ungleich mit dem Elemente des Selbſtbe- wuſstseyns Aller, alſo nicht nothwendig anerkannt. Beyde Seiten, das handelnde Gewiſſen und das all- gemeine dieſe Handlung als Pflicht anerkennende Bewuſstſeyn sind gleich frey von der Beſtimmtheit dieſes Thuns. Um dieſer Freyheit willen iſt die Be- ziehung in dem gemeinſchafftlichen Medium des Zu- ſammenhangs vielmehr ein Verhältniſs der voll- kommen Ungleichheit; wodurch das Bewuſstseyn, für welches die Handlung iſt, ſich in vollkommner Ungewiſsheit über den handelnden ſeiner ſelbſt ge- wiſſen Geiſt befindet. Er handelt, er ſetzt eine Be- ſtimmtheit als ſeyend; an diſs Seyn als an ſeine
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Diſs Seyn iſt das Element, wodurch das Gewiſſen
unmittelbar mit allen Selbſtbewuſstseyn in der Be-
zichung der Gleichheit ſteht; und die Bedeutung die-
ſer Beziehung iſt nicht das ſelbſtloſe Geſetz, ſondern
das Selbſt des Gewiſſens.
Darin aber, daſs diſs Rechte, was das Gewiſſen
thut, zugleich Seyn für anderes iſt, ſcheint eine Un-
gleichheit an es zu kommen. Die Pflicht, die es
vollbringt, iſt ein beſtimmter Inhalt; er iſt zwar das
Selbſt des Bewuſstſeyns, und darin ſein Wiſſen von
ſich, ſeine Gleichheit mit ſich ſelbſt. Aber vollbracht,
in das allgemeine Medium des Seyns geſtellt, iſt dieſe
Gleichheit nicht mehr Wiſſen, nicht mehr dieſes
Unterſcheiden, welches ſeine Unterſchiede ebenſo
unmittelbar aufhebt; ſondern im Seyn iſt der Un-
terſchied beſtehend geſetzt, und die Handlung eine
beſtimmte, ungleich mit dem Elemente des Selbſtbe-
wuſstseyns Aller, alſo nicht nothwendig anerkannt.
Beyde Seiten, das handelnde Gewiſſen und das all-
gemeine dieſe Handlung als Pflicht anerkennende
Bewuſstſeyn sind gleich frey von der Beſtimmtheit
dieſes Thuns. Um dieſer Freyheit willen iſt die Be-
ziehung in dem gemeinſchafftlichen Medium des Zu-
ſammenhangs vielmehr ein Verhältniſs der voll-
kommen Ungleichheit; wodurch das Bewuſstseyn,
für welches die Handlung iſt, ſich in vollkommner
Ungewiſsheit über den handelnden ſeiner ſelbſt ge-
wiſſen Geiſt befindet. Er handelt, er ſetzt eine Be-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/708>, abgerufen am 22.11.2024.
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