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Heidegger, Gotthard: Mythoscopia Romantica oder Discours Von den so benanten Romans. Zürich, 1698.

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Discours von den Rom.
Die Historien geben unendliche Nutz-
barkeit/ und dabey selten sehr geringe
Gefahr. Dise das Widerspiel. Es
kan freilich einer zu Pest-Zeit in dem
Hauß angesteckt werden/ aber es ist
drum nicht zuvertragen/ daß er ohne
Geschäfft zuhaben/ in allen Stanck-
wincklen herum schweiffe. Hier hat
man sich nicht aufzuhalten.

CXI. Die Herren Roman-
Schreiber bekennen es aber ohnwissend
auch selbst/ wann sie etwan viel mit
der schönen Excuse aufgezogen kom-
men/ daß sie Liebes-Händel auf
die Bahn bringen müssen/ damit
die Sachen/ welche/ wie sie sagen/
voll Tugend-Lehren stecken/
gern gelesen wurden etc.
Denn
bekennen sie nicht damit offenbarlich/
sie streichen dem lüstern Fleisch den
Kuntzen/ und brocken ihm ein/ was es
gerne ißt? Mich dunckt ja! und ist
mir dabey ohnerhört/ daß man den
Leuthen die Tugenden einbringen sol/
wie die Laster mit ohnreinem Schleck-
Zucker vermischt: Jch weiß weder
Propheten noch Apostel/ die es also ge-
macht: Solche Leuth werden gewiß
wollen weiser seyn/ als dise. Erleiden

kön-

Diſcours von den Rom.
Die Hiſtorien geben unendliche Nutz-
barkeit/ und dabey ſelten ſehr geringe
Gefahr. Diſe das Widerſpiel. Es
kan freilich einer zu Peſt-Zeit in dem
Hauß angeſteckt werden/ aber es iſt
drum nicht zuvertragen/ daß er ohne
Geſchaͤfft zuhaben/ in allen Stanck-
wincklen herum ſchweiffe. Hier hat
man ſich nicht aufzuhalten.

CXI. Die Herꝛen Roman-
Schreiber bekeñen es aber ohnwiſſend
auch ſelbſt/ wann ſie etwan viel mit
der ſchoͤnen Excuſe aufgezogen kom-
men/ daß ſie Liebes-Haͤndel auf
die Bahn bringen muͤſſen/ damit
die Sachen/ welche/ wie ſie ſagen/
voll Tugend-Lehren ſtecken/
gern geleſen wurden ꝛc.
Denn
bekennen ſie nicht damit offenbarlich/
ſie ſtreichen dem luͤſtern Fleiſch den
Kuntzen/ und brocken ihm ein/ was es
gerne ißt? Mich dunckt ja! und iſt
mir dabey ohnerhoͤrt/ daß man den
Leuthen die Tugenden einbringen ſol/
wie die Laſter mit ohnreinem Schleck-
Zucker vermiſcht: Jch weiß weder
Propheten noch Apoſtel/ die es alſo ge-
macht: Solche Leuth werden gewiß
wollen weiſer ſeyn/ als diſe. Erleiden

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[132/0180] Diſcours von den Rom. Die Hiſtorien geben unendliche Nutz- barkeit/ und dabey ſelten ſehr geringe Gefahr. Diſe das Widerſpiel. Es kan freilich einer zu Peſt-Zeit in dem Hauß angeſteckt werden/ aber es iſt drum nicht zuvertragen/ daß er ohne Geſchaͤfft zuhaben/ in allen Stanck- wincklen herum ſchweiffe. Hier hat man ſich nicht aufzuhalten. CXI. Die Herꝛen Roman- Schreiber bekeñen es aber ohnwiſſend auch ſelbſt/ wann ſie etwan viel mit der ſchoͤnen Excuſe aufgezogen kom- men/ daß ſie Liebes-Haͤndel auf die Bahn bringen muͤſſen/ damit die Sachen/ welche/ wie ſie ſagen/ voll Tugend-Lehren ſtecken/ gern geleſen wurden ꝛc. Denn bekennen ſie nicht damit offenbarlich/ ſie ſtreichen dem luͤſtern Fleiſch den Kuntzen/ und brocken ihm ein/ was es gerne ißt? Mich dunckt ja! und iſt mir dabey ohnerhoͤrt/ daß man den Leuthen die Tugenden einbringen ſol/ wie die Laſter mit ohnreinem Schleck- Zucker vermiſcht: Jch weiß weder Propheten noch Apoſtel/ die es alſo ge- macht: Solche Leuth werden gewiß wollen weiſer ſeyn/ als diſe. Erleiden koͤn-

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Zitationshilfe: Heidegger, Gotthard: Mythoscopia Romantica oder Discours Von den so benanten Romans. Zürich, 1698, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heidegger_mythoscopia_1698/180>, abgerufen am 22.12.2024.