meine Hand und wimmerte beständig: "O Bäbeli! O Bäbeli!"
In diesem verworrenen Treiben, wo die Teller tanzen und die Gläser fliegen lernten, saßen mir gegenüber zwey Jünglinge, schön und blaß wie Marmorbilder, der Eine mehr dem Adonis, der Andere mehr dem Apollo ähnlich. Kaum bemerk¬ bar war der leichte Rosenhauch, den der Wein über ihre Wangen hinwarf. Mit unendlicher Liebe sahen sie sich einander an, als wenn Einer lesen könnte in den Augen des Andern, und in diesen Augen strahlte es, als wären einige Lichttropfen hinein gefallen aus jener Schaale voll lodernder Liebe, die ein frommer Engel dort oben von einem Stern zum andern hinüber trägt. Sie sprachen leise, mit sehnsuchtbebender Stimme, und es waren traurige Geschichten, aus denen ein wunderschmerz¬ licher Ton hervor klang. "Die Lore ist jetzt auch todt!" sagte der Eine und seufzte, und nach einer Pause erzählte er von einem Halleschen Mädchen, das in einen Studenten verliebt war, und als die¬
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meine Hand und wimmerte beſtaͤndig: „O Baͤbeli! O Baͤbeli!“
In dieſem verworrenen Treiben, wo die Teller tanzen und die Glaͤſer fliegen lernten, ſaßen mir gegenuͤber zwey Juͤnglinge, ſchoͤn und blaß wie Marmorbilder, der Eine mehr dem Adonis, der Andere mehr dem Apollo aͤhnlich. Kaum bemerk¬ bar war der leichte Roſenhauch, den der Wein uͤber ihre Wangen hinwarf. Mit unendlicher Liebe ſahen ſie ſich einander an, als wenn Einer leſen koͤnnte in den Augen des Andern, und in dieſen Augen ſtrahlte es, als waͤren einige Lichttropfen hinein gefallen aus jener Schaale voll lodernder Liebe, die ein frommer Engel dort oben von einem Stern zum andern hinuͤber traͤgt. Sie ſprachen leiſe, mit ſehnſuchtbebender Stimme, und es waren traurige Geſchichten, aus denen ein wunderſchmerz¬ licher Ton hervor klang. „Die Lore iſt jetzt auch todt!“ ſagte der Eine und ſeufzte, und nach einer Pauſe erzaͤhlte er von einem Halleſchen Maͤdchen, das in einen Studenten verliebt war, und als die¬
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meine Hand und wimmerte beſtaͤndig: „O Baͤbeli!
O Baͤbeli!“
In dieſem verworrenen Treiben, wo die Teller
tanzen und die Glaͤſer fliegen lernten, ſaßen mir
gegenuͤber zwey Juͤnglinge, ſchoͤn und blaß wie
Marmorbilder, der Eine mehr dem Adonis, der
Andere mehr dem Apollo aͤhnlich. Kaum bemerk¬
bar war der leichte Roſenhauch, den der Wein
uͤber ihre Wangen hinwarf. Mit unendlicher Liebe
ſahen ſie ſich einander an, als wenn Einer leſen
koͤnnte in den Augen des Andern, und in dieſen
Augen ſtrahlte es, als waͤren einige Lichttropfen
hinein gefallen aus jener Schaale voll lodernder
Liebe, die ein frommer Engel dort oben von einem
Stern zum andern hinuͤber traͤgt. Sie ſprachen
leiſe, mit ſehnſuchtbebender Stimme, und es waren
traurige Geſchichten, aus denen ein wunderſchmerz¬
licher Ton hervor klang. „Die Lore iſt jetzt auch
todt!“ ſagte der Eine und ſeufzte, und nach einer
Pauſe erzaͤhlte er von einem Halleſchen Maͤdchen,
das in einen Studenten verliebt war, und als die¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/237>, abgerufen am 04.12.2024.
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