Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

in ihm erkennen. Von dieser letzteren Seite würde
ihn Byron geschildert haben, der in seinem ganzen
Streben den Gegensatz zu Scott bildete, und
statt, gleich diesem, den Untergang der alten
Formen zu beklagen, sich sogar von denen, die
noch stehen geblieben sind, verdrießlich beengt
fühlt, sie, mit revoluzionärem Lachen und
Zähnefletschen, niederreißen möchte, und in
diesem Aerger die heiligsten Blumen des Lebens
mit seinem melodischen Gifte beschädigt, und sich,
wie ein wahnsinniger Harlekin den Dolch in's
Herz stößt, um, mit dem hervorströmenden,
schwarzen Blute, Herren und Damen neckisch
zu bespritzen.

Wahrlich, in diesem Augenblicke fühle ich
sehr lebhaft, daß ich kein Nachbeter, oder besser
gesagt Nachfrevler Byrons bin, mein Blut ist
nicht so spleenisch schwarz, meine Bitterkeit
kömmt nur aus den Galläpfeln meiner Dinte,
und wenn Gift in mir ist, so ist es doch nur
Gegengift, Gegengift wider jene Schlangen, die

in ihm erkennen. Von dieſer letzteren Seite wuͤrde
ihn Byron geſchildert haben, der in ſeinem ganzen
Streben den Gegenſatz zu Scott bildete, und
ſtatt, gleich dieſem, den Untergang der alten
Formen zu beklagen, ſich ſogar von denen, die
noch ſtehen geblieben ſind, verdrießlich beengt
fuͤhlt, ſie, mit revoluzionaͤrem Lachen und
Zaͤhnefletſchen, niederreißen moͤchte, und in
dieſem Aerger die heiligſten Blumen des Lebens
mit ſeinem melodiſchen Gifte beſchaͤdigt, und ſich,
wie ein wahnſinniger Harlekin den Dolch in's
Herz ſtoͤßt, um, mit dem hervorſtroͤmenden,
ſchwarzen Blute, Herren und Damen neckiſch
zu beſpritzen.

Wahrlich, in dieſem Augenblicke fuͤhle ich
ſehr lebhaft, daß ich kein Nachbeter, oder beſſer
geſagt Nachfrevler Byrons bin, mein Blut iſt
nicht ſo ſpleeniſch ſchwarz, meine Bitterkeit
koͤmmt nur aus den Gallaͤpfeln meiner Dinte,
und wenn Gift in mir iſt, ſo iſt es doch nur
Gegengift, Gegengift wider jene Schlangen, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0111" n="103"/>
in ihm erkennen. Von die&#x017F;er letzteren Seite wu&#x0364;rde<lb/>
ihn Byron ge&#x017F;childert haben, der in &#x017F;einem ganzen<lb/>
Streben den Gegen&#x017F;atz zu Scott bildete, und<lb/>
&#x017F;tatt, gleich die&#x017F;em, den Untergang der alten<lb/>
Formen zu beklagen, &#x017F;ich &#x017F;ogar von denen, die<lb/>
noch &#x017F;tehen geblieben &#x017F;ind, verdrießlich beengt<lb/>
fu&#x0364;hlt, &#x017F;ie, mit revoluziona&#x0364;rem Lachen und<lb/>
Za&#x0364;hneflet&#x017F;chen, niederreißen mo&#x0364;chte, und in<lb/>
die&#x017F;em Aerger die heilig&#x017F;ten Blumen des Lebens<lb/>
mit &#x017F;einem melodi&#x017F;chen Gifte be&#x017F;cha&#x0364;digt, und &#x017F;ich,<lb/>
wie ein wahn&#x017F;inniger Harlekin den Dolch in's<lb/>
Herz &#x017F;to&#x0364;ßt, um, mit dem hervor&#x017F;tro&#x0364;menden,<lb/>
&#x017F;chwarzen Blute, Herren und Damen necki&#x017F;ch<lb/>
zu be&#x017F;pritzen.</p><lb/>
          <p>Wahrlich, in die&#x017F;em Augenblicke fu&#x0364;hle ich<lb/>
&#x017F;ehr lebhaft, daß ich kein Nachbeter, oder be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ge&#x017F;agt Nachfrevler Byrons bin, mein Blut i&#x017F;t<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;pleeni&#x017F;ch &#x017F;chwarz, meine Bitterkeit<lb/>
ko&#x0364;mmt nur aus den Galla&#x0364;pfeln meiner Dinte,<lb/>
und wenn Gift in mir i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t es doch nur<lb/>
Gegengift, Gegengift wider jene Schlangen, die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0111] in ihm erkennen. Von dieſer letzteren Seite wuͤrde ihn Byron geſchildert haben, der in ſeinem ganzen Streben den Gegenſatz zu Scott bildete, und ſtatt, gleich dieſem, den Untergang der alten Formen zu beklagen, ſich ſogar von denen, die noch ſtehen geblieben ſind, verdrießlich beengt fuͤhlt, ſie, mit revoluzionaͤrem Lachen und Zaͤhnefletſchen, niederreißen moͤchte, und in dieſem Aerger die heiligſten Blumen des Lebens mit ſeinem melodiſchen Gifte beſchaͤdigt, und ſich, wie ein wahnſinniger Harlekin den Dolch in's Herz ſtoͤßt, um, mit dem hervorſtroͤmenden, ſchwarzen Blute, Herren und Damen neckiſch zu beſpritzen. Wahrlich, in dieſem Augenblicke fuͤhle ich ſehr lebhaft, daß ich kein Nachbeter, oder beſſer geſagt Nachfrevler Byrons bin, mein Blut iſt nicht ſo ſpleeniſch ſchwarz, meine Bitterkeit koͤmmt nur aus den Gallaͤpfeln meiner Dinte, und wenn Gift in mir iſt, ſo iſt es doch nur Gegengift, Gegengift wider jene Schlangen, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/111
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/111>, abgerufen am 17.05.2024.