Lustspiel gegeben hat, gar ruhig verzehrt, gleich einer Fliege, die, wenn sie von einem Honig¬ topfe weggetrieben wird, sich gleich mit dem besten Appetit auf einen Quark setzt und ihre Mahlzeit damit beschließt. Ich habe hier vor¬ züglich im Sinne Raupachs "Bekehrten", die ich vorigen Winter zu Hamburg, von den ausgezeichnetsten Schauspielern aufführen sah, und zwar mit eben so vielem Beyfall, wie "die Schülerschwänke", ein parfümirtes Quärkchen, das gleich darauf, an demselben Abend, gegeben wurde. Aber auf unserem Theater gedeiht nicht bloß Mist, sondern auch Gift. In der That, höre ich wie in unseren Lustspielen die heilig¬ sten Sitten und Gefühle des Lebens, in einem liederlichen Tone und so leichtfertig sicher abge¬ leyert werden, daß man am Ende selbst gewöhnt wird, sie als die gleichgültigsten Dinge zu be¬ trachten, höre ich jene kammerdienerliche Liebes¬ erklärungen, die sentimentalen Freundschafts¬ bündnisse zu gemeinschaftlichem Betrug, die la¬
Luſtſpiel gegeben hat, gar ruhig verzehrt, gleich einer Fliege, die, wenn ſie von einem Honig¬ topfe weggetrieben wird, ſich gleich mit dem beſten Appetit auf einen Quark ſetzt und ihre Mahlzeit damit beſchließt. Ich habe hier vor¬ zuͤglich im Sinne Raupachs „Bekehrten“, die ich vorigen Winter zu Hamburg, von den ausgezeichnetſten Schauſpielern auffuͤhren ſah, und zwar mit eben ſo vielem Beyfall, wie „die Schuͤlerſchwaͤnke“, ein parfuͤmirtes Quaͤrkchen, das gleich darauf, an demſelben Abend, gegeben wurde. Aber auf unſerem Theater gedeiht nicht bloß Miſt, ſondern auch Gift. In der That, hoͤre ich wie in unſeren Luſtſpielen die heilig¬ ſten Sitten und Gefuͤhle des Lebens, in einem liederlichen Tone und ſo leichtfertig ſicher abge¬ leyert werden, daß man am Ende ſelbſt gewoͤhnt wird, ſie als die gleichguͤltigſten Dinge zu be¬ trachten, hoͤre ich jene kammerdienerliche Liebes¬ erklaͤrungen, die ſentimentalen Freundſchafts¬ buͤndniſſe zu gemeinſchaftlichem Betrug, die la¬
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Luſtſpiel gegeben hat, gar ruhig verzehrt, gleich
einer Fliege, die, wenn ſie von einem Honig¬
topfe weggetrieben wird, ſich gleich mit dem
beſten Appetit auf einen Quark ſetzt und ihre
Mahlzeit damit beſchließt. Ich habe hier vor¬
zuͤglich im Sinne Raupachs „Bekehrten“,
die ich vorigen Winter zu Hamburg, von den
ausgezeichnetſten Schauſpielern auffuͤhren ſah,
und zwar mit eben ſo vielem Beyfall, wie „die
Schuͤlerſchwaͤnke“, ein parfuͤmirtes Quaͤrkchen,
das gleich darauf, an demſelben Abend, gegeben
wurde. Aber auf unſerem Theater gedeiht nicht
bloß Miſt, ſondern auch Gift. In der That,
hoͤre ich wie in unſeren Luſtſpielen die heilig¬
ſten Sitten und Gefuͤhle des Lebens, in einem
liederlichen Tone und ſo leichtfertig ſicher abge¬
leyert werden, daß man am Ende ſelbſt gewoͤhnt
wird, ſie als die gleichguͤltigſten Dinge zu be¬
trachten, hoͤre ich jene kammerdienerliche Liebes¬
erklaͤrungen, die ſentimentalen Freundſchafts¬
buͤndniſſe zu gemeinſchaftlichem Betrug, die la¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/123>, abgerufen am 24.11.2024.
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