buris, sitis, tussis, cucumis, amussis, cannabis, sinapis -- Diese Wörter, die so viel Aufsehen in der Welt gemacht haben, bewirkten dieses, indem sie sich zu einer bestimmten Classe schlu¬ gen und dennoch eine Ausnahme blieben; des¬ halb achte ich sie sehr, und daß ich sie bey der Hand habe, wenn ich sie etwa plötzlich brau¬ chen sollte, das giebt mir, in manchen trüben Stunden des Lebens, viel innere Beruhigung und Trost. Aber, Madame, die verba irregula¬ ria -- sie unterscheiden sich von den verbis regu¬ laribus dadurch, daß man bey ihnen noch mehr Prügel bekömmt -- sie sind gar entsetzlich schwer. In den dumpfen Bogengängen des Franziskanerklosters, unfern der Schulstube, hing damals ein großer, gekreuzigter Christus von grauem Holze, ein wüstes Bild, das noch jetzt zuweilen des Nachts durch meine Träume schreitet, und mich traurig ansieht mit starren, blutigen Augen -- vor diesem Bilde stand ich oft und betete: O du armer, gequälter Gott,
buris, sitis, tussis, cucumis, amussis, cannabis, sinapis — Dieſe Woͤrter, die ſo viel Aufſehen in der Welt gemacht haben, bewirkten dieſes, indem ſie ſich zu einer beſtimmten Claſſe ſchlu¬ gen und dennoch eine Ausnahme blieben; des¬ halb achte ich ſie ſehr, und daß ich ſie bey der Hand habe, wenn ich ſie etwa ploͤtzlich brau¬ chen ſollte, das giebt mir, in manchen truͤben Stunden des Lebens, viel innere Beruhigung und Troſt. Aber, Madame, die verba irregula¬ ria — ſie unterſcheiden ſich von den verbis regu¬ laribus dadurch, daß man bey ihnen noch mehr Pruͤgel bekoͤmmt — ſie ſind gar entſetzlich ſchwer. In den dumpfen Bogengaͤngen des Franziskanerkloſters, unfern der Schulſtube, hing damals ein großer, gekreuzigter Chriſtus von grauem Holze, ein wuͤſtes Bild, das noch jetzt zuweilen des Nachts durch meine Traͤume ſchreitet, und mich traurig anſieht mit ſtarren, blutigen Augen — vor dieſem Bilde ſtand ich oft und betete: O du armer, gequaͤlter Gott,
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buris, sitis, tussis, cucumis, amussis, cannabis,
sinapis — Dieſe Woͤrter, die ſo viel Aufſehen
in der Welt gemacht haben, bewirkten dieſes,
indem ſie ſich zu einer beſtimmten Claſſe ſchlu¬
gen und dennoch eine Ausnahme blieben; des¬
halb achte ich ſie ſehr, und daß ich ſie bey der
Hand habe, wenn ich ſie etwa ploͤtzlich brau¬
chen ſollte, das giebt mir, in manchen truͤben
Stunden des Lebens, viel innere Beruhigung
und Troſt. Aber, Madame, die verba irregula¬
ria — ſie unterſcheiden ſich von den verbis regu¬
laribus dadurch, daß man bey ihnen noch mehr
Pruͤgel bekoͤmmt — ſie ſind gar entſetzlich
ſchwer. In den dumpfen Bogengaͤngen des
Franziskanerkloſters, unfern der Schulſtube,
hing damals ein großer, gekreuzigter Chriſtus
von grauem Holze, ein wuͤſtes Bild, das noch
jetzt zuweilen des Nachts durch meine Traͤume
ſchreitet, und mich traurig anſieht mit ſtarren,
blutigen Augen — vor dieſem Bilde ſtand ich
oft und betete: O du armer, gequaͤlter Gott,
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/193>, abgerufen am 22.11.2024.
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