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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Capitel IX .

Der Kaiser ist todt. Auf einer öden Insel
des indischen Meeres ist sein einsames Grab,
und Er, dem die Erde zu eng war, liegt ruhig
unter dem kleinen Hügel, wo fünf Trauerweiden
gramvoll ihre grünen Haare herabhängen lassen
und ein frommes Bächlein wehmüthig klagend
vorbeyrieselt. Es steht keine Inschrift auf sei¬
nem Leichensteine; aber Clio, mit dem eisernen
Griffel, schreibt einst Worte darauf, die wie
Geistertöne durch die Jahrtausende klingen werden.

Brittania! dir gehört das Meer. Doch das
Meer hat nicht Wasser genug, um von dir

Capitel IX .

Der Kaiſer iſt todt. Auf einer oͤden Inſel
des indiſchen Meeres iſt ſein einſames Grab,
und Er, dem die Erde zu eng war, liegt ruhig
unter dem kleinen Huͤgel, wo fuͤnf Trauerweiden
gramvoll ihre gruͤnen Haare herabhaͤngen laſſen
und ein frommes Baͤchlein wehmuͤthig klagend
vorbeyrieſelt. Es ſteht keine Inſchrift auf ſei¬
nem Leichenſteine; aber Clio, mit dem eiſernen
Griffel, ſchreibt einſt Worte darauf, die wie
Geiſtertoͤne durch die Jahrtauſende klingen werden.

Brittania! dir gehoͤrt das Meer. Doch das
Meer hat nicht Waſſer genug, um von dir

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[207/0215] Capitel IX . Der Kaiſer iſt todt. Auf einer oͤden Inſel des indiſchen Meeres iſt ſein einſames Grab, und Er, dem die Erde zu eng war, liegt ruhig unter dem kleinen Huͤgel, wo fuͤnf Trauerweiden gramvoll ihre gruͤnen Haare herabhaͤngen laſſen und ein frommes Baͤchlein wehmuͤthig klagend vorbeyrieſelt. Es ſteht keine Inſchrift auf ſei¬ nem Leichenſteine; aber Clio, mit dem eiſernen Griffel, ſchreibt einſt Worte darauf, die wie Geiſtertoͤne durch die Jahrtauſende klingen werden. Brittania! dir gehoͤrt das Meer. Doch das Meer hat nicht Waſſer genug, um von dir

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/215>, abgerufen am 21.11.2024.