Ehrgeitz, Rückendarre, Reue, Hamorrhoiden, die Herzwunden die uns vom Undank der Freunde, von der Verläumdung der Feinde, und von der eignen Sünde geschlagen worden, alles dieses und noch viel mehr, was eben so leicht unter einer groben Kutte wie unter einem feinen Modefrack seinen Platz zu finden weiß. O! es ist keine Ue¬ bertreibung, wenn der Poet in seinem Schmerze ausruft: das Leben ist eine Krankheit, die ganze Welt ein Lazareth!
"Und der Tod ist unser Arzt --" Ach! ich will nichts böses von ihm reden, und nicht Andre in ihrem Vertrauen stören; denn da er der einzige Arzt ist, so mögen sie immerhin glauben er sey auch der beste, und das einzige Mittel, das er anwendet, seine ewige Erdkur, sey auch das beste. Wenigstens kann man von ihm rühmen, daß er immer gleich bey der Hand ist, und trotz seiner großen Praxis nie lange auf sich warten läßt, wenn man ihn verlangt. Manchmal folgt er seinen
Ehrgeitz, Ruͤckendarre, Reue, Hamorrhoiden, die Herzwunden die uns vom Undank der Freunde, von der Verlaͤumdung der Feinde, und von der eignen Suͤnde geſchlagen worden, alles dieſes und noch viel mehr, was eben ſo leicht unter einer groben Kutte wie unter einem feinen Modefrack ſeinen Platz zu finden weiß. O! es iſt keine Ue¬ bertreibung, wenn der Poet in ſeinem Schmerze ausruft: das Leben iſt eine Krankheit, die ganze Welt ein Lazareth!
„Und der Tod iſt unſer Arzt —“ Ach! ich will nichts boͤſes von ihm reden, und nicht Andre in ihrem Vertrauen ſtoͤren; denn da er der einzige Arzt iſt, ſo moͤgen ſie immerhin glauben er ſey auch der beſte, und das einzige Mittel, das er anwendet, ſeine ewige Erdkur, ſey auch das beſte. Wenigſtens kann man von ihm ruͤhmen, daß er immer gleich bey der Hand iſt, und trotz ſeiner großen Praxis nie lange auf ſich warten laͤßt, wenn man ihn verlangt. Manchmal folgt er ſeinen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0053"n="39"/>
Ehrgeitz, Ruͤckendarre, Reue, Hamorrhoiden, die<lb/>
Herzwunden die uns vom Undank der Freunde,<lb/>
von der Verlaͤumdung der Feinde, und von der<lb/>
eignen Suͤnde geſchlagen worden, alles dieſes und<lb/>
noch viel mehr, was eben ſo leicht unter einer<lb/>
groben Kutte wie unter einem feinen Modefrack<lb/>ſeinen Platz zu finden weiß. O! es iſt keine Ue¬<lb/>
bertreibung, wenn der Poet in ſeinem Schmerze<lb/>
ausruft: das Leben iſt eine Krankheit, die ganze<lb/>
Welt ein Lazareth!</p><lb/><p>„Und der Tod iſt unſer Arzt —“ Ach! ich<lb/>
will nichts boͤſes von ihm reden, und nicht Andre<lb/>
in ihrem Vertrauen ſtoͤren; denn da er der einzige<lb/>
Arzt iſt, ſo moͤgen ſie immerhin glauben er ſey<lb/>
auch der beſte, und das einzige Mittel, das er<lb/>
anwendet, ſeine ewige Erdkur, ſey auch das beſte.<lb/>
Wenigſtens kann man von ihm ruͤhmen, daß er<lb/>
immer gleich bey der Hand iſt, und trotz ſeiner<lb/>
großen Praxis nie lange auf ſich warten laͤßt,<lb/>
wenn man ihn verlangt. Manchmal folgt er ſeinen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0053]
Ehrgeitz, Ruͤckendarre, Reue, Hamorrhoiden, die
Herzwunden die uns vom Undank der Freunde,
von der Verlaͤumdung der Feinde, und von der
eignen Suͤnde geſchlagen worden, alles dieſes und
noch viel mehr, was eben ſo leicht unter einer
groben Kutte wie unter einem feinen Modefrack
ſeinen Platz zu finden weiß. O! es iſt keine Ue¬
bertreibung, wenn der Poet in ſeinem Schmerze
ausruft: das Leben iſt eine Krankheit, die ganze
Welt ein Lazareth!
„Und der Tod iſt unſer Arzt —“ Ach! ich
will nichts boͤſes von ihm reden, und nicht Andre
in ihrem Vertrauen ſtoͤren; denn da er der einzige
Arzt iſt, ſo moͤgen ſie immerhin glauben er ſey
auch der beſte, und das einzige Mittel, das er
anwendet, ſeine ewige Erdkur, ſey auch das beſte.
Wenigſtens kann man von ihm ruͤhmen, daß er
immer gleich bey der Hand iſt, und trotz ſeiner
großen Praxis nie lange auf ſich warten laͤßt,
wenn man ihn verlangt. Manchmal folgt er ſeinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/53>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.