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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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Gestalt den Pfeilern entlang, dann und wann
steigt leises Murmeln aus einer Seitenkapelle, und
ihre langen, langgezogenen Töne stöhnt die Orgel,
wie ein seufzendes Riesenherz --

Es war aber als ob jene Orgeltöne niemals
aufhören, als ob jene Sterbelaute, jener lebende
Tod ewig dauern wollte, ich fühlte so unsägliche
Beklommenheit, so namenlose Angst, als wäre ich
scheintodt begraben worden, ja als wäre ich, ein
Längstverstorbener, aus dem Grabe gestiegen, und
sey, mit unheimlichen Nachtgesellen, in die Ge¬
spensterkirche gegangen, um die Todtengebete zu
hören, und Leichensünden zu beichten. Manchmal
war mir, als sähe ich sie wirklich neben mir sitzen,
in geisterhaftem Dämmerlichte, die abgeschiedene
Gemeinde, in verschollen altflorentinischen Trach¬
ten, mit langen, blassen Gesichtern, goldbeschla¬
gene Gebetbücher in dünnen Händen, heimlich
wispernd, und melancholisch einander zunickend.
Der wimmernde Ton eines fernen Sterbeglöckchens

Geſtalt den Pfeilern entlang, dann und wann
ſteigt leiſes Murmeln aus einer Seitenkapelle, und
ihre langen, langgezogenen Toͤne ſtoͤhnt die Orgel,
wie ein ſeufzendes Rieſenherz —

Es war aber als ob jene Orgeltoͤne niemals
aufhoͤren, als ob jene Sterbelaute, jener lebende
Tod ewig dauern wollte, ich fuͤhlte ſo unſaͤgliche
Beklommenheit, ſo namenloſe Angſt, als waͤre ich
ſcheintodt begraben worden, ja als waͤre ich, ein
Laͤngſtverſtorbener, aus dem Grabe geſtiegen, und
ſey, mit unheimlichen Nachtgeſellen, in die Ge¬
ſpenſterkirche gegangen, um die Todtengebete zu
hoͤren, und Leichenſuͤnden zu beichten. Manchmal
war mir, als ſaͤhe ich ſie wirklich neben mir ſitzen,
in geiſterhaftem Daͤmmerlichte, die abgeſchiedene
Gemeinde, in verſchollen altflorentiniſchen Trach¬
ten, mit langen, blaſſen Geſichtern, goldbeſchla¬
gene Gebetbuͤcher in duͤnnen Haͤnden, heimlich
wispernd, und melancholiſch einander zunickend.
Der wimmernde Ton eines fernen Sterbegloͤckchens

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[46/0060] Geſtalt den Pfeilern entlang, dann und wann ſteigt leiſes Murmeln aus einer Seitenkapelle, und ihre langen, langgezogenen Toͤne ſtoͤhnt die Orgel, wie ein ſeufzendes Rieſenherz — Es war aber als ob jene Orgeltoͤne niemals aufhoͤren, als ob jene Sterbelaute, jener lebende Tod ewig dauern wollte, ich fuͤhlte ſo unſaͤgliche Beklommenheit, ſo namenloſe Angſt, als waͤre ich ſcheintodt begraben worden, ja als waͤre ich, ein Laͤngſtverſtorbener, aus dem Grabe geſtiegen, und ſey, mit unheimlichen Nachtgeſellen, in die Ge¬ ſpenſterkirche gegangen, um die Todtengebete zu hoͤren, und Leichenſuͤnden zu beichten. Manchmal war mir, als ſaͤhe ich ſie wirklich neben mir ſitzen, in geiſterhaftem Daͤmmerlichte, die abgeſchiedene Gemeinde, in verſchollen altflorentiniſchen Trach¬ ten, mit langen, blaſſen Geſichtern, goldbeſchla¬ gene Gebetbuͤcher in duͤnnen Haͤnden, heimlich wispernd, und melancholiſch einander zunickend. Der wimmernde Ton eines fernen Sterbegloͤckchens

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/60>, abgerufen am 21.11.2024.