dran denken, ihn schon jetzt auf Erden an ihren Genüssen Theil nehmen zu lassen, und ihn z. B. nie des Sommers auf ihre Landhäuser einladen, wo es gewiß Leckerbissen giebt, die den armen Schelm eben so gut schmecken würden, als genösse er sie im Himmel selbst.
Das ist erklärlich, Mylady, die himmlischen Genüsse kosten sie nichts, und es ist ein doppeltes Vergnügen, wenn wir so wohlfeilerweise unsre Nebenmenschen beglücken können. Zu welchen Genüssen aber kann der Ungläubige jemanden einladen?
Zu nichts, Doktor, als zu einem langen ruhi¬ gen Schlafe, der aber zuweilen für einen Unglück¬ lichen sehr wünschenswerth seyn kann, besonders wenn er vorher mit zudringlichen Himmelseinla¬ dungen gar zu sehr geplagt worden.
Dieses sprach das schöne Weib mit stechend bitteren Akzenten, und nicht ganz ohne Ernst ant¬ wortete ich ihr: Liebe Mathilde, bey meinen
dran denken, ihn ſchon jetzt auf Erden an ihren Genuͤſſen Theil nehmen zu laſſen, und ihn z. B. nie des Sommers auf ihre Landhaͤuſer einladen, wo es gewiß Leckerbiſſen giebt, die den armen Schelm eben ſo gut ſchmecken wuͤrden, als genoͤſſe er ſie im Himmel ſelbſt.
Das iſt erklaͤrlich, Mylady, die himmliſchen Genuͤſſe koſten ſie nichts, und es iſt ein doppeltes Vergnuͤgen, wenn wir ſo wohlfeilerweiſe unſre Nebenmenſchen begluͤcken koͤnnen. Zu welchen Genuͤſſen aber kann der Unglaͤubige jemanden einladen?
Zu nichts, Doktor, als zu einem langen ruhi¬ gen Schlafe, der aber zuweilen fuͤr einen Ungluͤck¬ lichen ſehr wuͤnſchenswerth ſeyn kann, beſonders wenn er vorher mit zudringlichen Himmelseinla¬ dungen gar zu ſehr geplagt worden.
Dieſes ſprach das ſchoͤne Weib mit ſtechend bitteren Akzenten, und nicht ganz ohne Ernſt ant¬ wortete ich ihr: Liebe Mathilde, bey meinen
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dran denken, ihn ſchon jetzt auf Erden an ihren
Genuͤſſen Theil nehmen zu laſſen, und ihn z. B.
nie des Sommers auf ihre Landhaͤuſer einladen,
wo es gewiß Leckerbiſſen giebt, die den armen
Schelm eben ſo gut ſchmecken wuͤrden, als genoͤſſe
er ſie im Himmel ſelbſt.
Das iſt erklaͤrlich, Mylady, die himmliſchen
Genuͤſſe koſten ſie nichts, und es iſt ein doppeltes
Vergnuͤgen, wenn wir ſo wohlfeilerweiſe unſre
Nebenmenſchen begluͤcken koͤnnen. Zu welchen
Genuͤſſen aber kann der Unglaͤubige jemanden
einladen?
Zu nichts, Doktor, als zu einem langen ruhi¬
gen Schlafe, der aber zuweilen fuͤr einen Ungluͤck¬
lichen ſehr wuͤnſchenswerth ſeyn kann, beſonders
wenn er vorher mit zudringlichen Himmelseinla¬
dungen gar zu ſehr geplagt worden.
Dieſes ſprach das ſchoͤne Weib mit ſtechend
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/83>, abgerufen am 21.11.2024.
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