Handlungen auf dieser Welt kümmert mich nicht einmal die Existenz von Himmel und Hölle, ich bin zu groß und zu stolz, als daß der Geitz nach himmlischen Belohnungen, oder die Furcht vor höllischen Strafen mich leiten sollten. Ich strebe nach dem Guten, weil es schön ist und mich un¬ widerstehlich anzieht, und ich verabscheue das Schlechte, weil es häßlich und mir zuwider ist. Schon als Knabe, wenn ich den Plutarch las -- und ich lese ihn noch jetzt alle Abend im Bette und möchte dabey manchmal aufspringen, und gleich Extra-Post nehmen und ein großer Mann werden -- schon damals gefiel mir die Erzählung von dem Weibe, das durch die Straßen Alexan¬ driens schritt, in der einen Hand einen Wasser¬ schlauch, in der andern eine brennende Fackel tra¬ gend, und den Menschen zurief, daß sie mit dem Wasser die Hölle auslöschen und mit der Fackel den Himmel in Brand stecken wolle, damit das Schlechte nicht mehr aus Furcht vor Strafe un¬
Handlungen auf dieſer Welt kuͤmmert mich nicht einmal die Exiſtenz von Himmel und Hoͤlle, ich bin zu groß und zu ſtolz, als daß der Geitz nach himmliſchen Belohnungen, oder die Furcht vor hoͤlliſchen Strafen mich leiten ſollten. Ich ſtrebe nach dem Guten, weil es ſchoͤn iſt und mich un¬ widerſtehlich anzieht, und ich verabſcheue das Schlechte, weil es haͤßlich und mir zuwider iſt. Schon als Knabe, wenn ich den Plutarch las — und ich leſe ihn noch jetzt alle Abend im Bette und moͤchte dabey manchmal aufſpringen, und gleich Extra-Poſt nehmen und ein großer Mann werden — ſchon damals gefiel mir die Erzaͤhlung von dem Weibe, das durch die Straßen Alexan¬ driens ſchritt, in der einen Hand einen Waſſer¬ ſchlauch, in der andern eine brennende Fackel tra¬ gend, und den Menſchen zurief, daß ſie mit dem Waſſer die Hoͤlle ausloͤſchen und mit der Fackel den Himmel in Brand ſtecken wolle, damit das Schlechte nicht mehr aus Furcht vor Strafe un¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0084"n="70"/>
Handlungen auf dieſer Welt kuͤmmert mich nicht<lb/>
einmal die Exiſtenz von Himmel und Hoͤlle, ich<lb/>
bin zu groß und zu ſtolz, als daß der Geitz nach<lb/>
himmliſchen Belohnungen, oder die Furcht vor<lb/>
hoͤlliſchen Strafen mich leiten ſollten. Ich ſtrebe<lb/>
nach dem Guten, weil es ſchoͤn iſt und mich un¬<lb/>
widerſtehlich anzieht, und ich verabſcheue das<lb/>
Schlechte, weil es haͤßlich und mir zuwider iſt.<lb/>
Schon als Knabe, wenn ich den Plutarch las —<lb/>
und ich leſe ihn noch jetzt alle Abend im Bette<lb/>
und moͤchte dabey manchmal aufſpringen, und<lb/>
gleich Extra-Poſt nehmen und ein großer Mann<lb/>
werden —ſchon damals gefiel mir die Erzaͤhlung<lb/>
von dem Weibe, das durch die Straßen Alexan¬<lb/>
driens ſchritt, in der einen Hand einen Waſſer¬<lb/>ſchlauch, in der andern eine brennende Fackel tra¬<lb/>
gend, und den Menſchen zurief, daß ſie mit dem<lb/>
Waſſer die Hoͤlle ausloͤſchen und mit der Fackel<lb/>
den Himmel in Brand ſtecken wolle, damit das<lb/>
Schlechte nicht mehr aus Furcht vor Strafe un¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[70/0084]
Handlungen auf dieſer Welt kuͤmmert mich nicht
einmal die Exiſtenz von Himmel und Hoͤlle, ich
bin zu groß und zu ſtolz, als daß der Geitz nach
himmliſchen Belohnungen, oder die Furcht vor
hoͤlliſchen Strafen mich leiten ſollten. Ich ſtrebe
nach dem Guten, weil es ſchoͤn iſt und mich un¬
widerſtehlich anzieht, und ich verabſcheue das
Schlechte, weil es haͤßlich und mir zuwider iſt.
Schon als Knabe, wenn ich den Plutarch las —
und ich leſe ihn noch jetzt alle Abend im Bette
und moͤchte dabey manchmal aufſpringen, und
gleich Extra-Poſt nehmen und ein großer Mann
werden — ſchon damals gefiel mir die Erzaͤhlung
von dem Weibe, das durch die Straßen Alexan¬
driens ſchritt, in der einen Hand einen Waſſer¬
ſchlauch, in der andern eine brennende Fackel tra¬
gend, und den Menſchen zurief, daß ſie mit dem
Waſſer die Hoͤlle ausloͤſchen und mit der Fackel
den Himmel in Brand ſtecken wolle, damit das
Schlechte nicht mehr aus Furcht vor Strafe un¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/84>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.