merken. Dagegen aber ist es die höchste Politik der Könige, daß sie es ganz geheim halten, an welchen Tagen sie nicht regieren, daß sie sich an solchen Tagen wenigstens einige Mahl auf den Regierstuhl setzen, und etwa Federn schneiden, oder Briefkouverts versiegeln oder weiße Blätter liniiren, Alles zum Schein, damit das Volk drau¬ ßen, das neugierig in die Fenster des Palais hin¬ einguckt, ganz sicher glaube es werde regiert.
Während solche Bemerkungen aus Myladys feinem Mündchen hervorgaukelten, schwamm eine lächelnde Zufriedenheit um die vollen Rosenlippen Franscheskas. Sie sprach wenig. Ihr Gang war jedoch nicht mehr so seufzend entsagungsselig, wie am verflossenen Abend, sie trat vielmehr sieg¬ reich einher, jeder Schritt ein Trompetenton; es war indessen mehr ein geistlicher Sieg, als ein weltlicher, der sich in ihren Bewegungen kund gab, sie war fast das Bild einer triumphirenden Kirche, und um ihr Haupt schwebte eine unsicht¬
merken. Dagegen aber iſt es die hoͤchſte Politik der Koͤnige, daß ſie es ganz geheim halten, an welchen Tagen ſie nicht regieren, daß ſie ſich an ſolchen Tagen wenigſtens einige Mahl auf den Regierſtuhl ſetzen, und etwa Federn ſchneiden, oder Briefkouverts verſiegeln oder weiße Blaͤtter liniiren, Alles zum Schein, damit das Volk drau¬ ßen, das neugierig in die Fenſter des Palais hin¬ einguckt, ganz ſicher glaube es werde regiert.
Waͤhrend ſolche Bemerkungen aus Myladys feinem Muͤndchen hervorgaukelten, ſchwamm eine laͤchelnde Zufriedenheit um die vollen Roſenlippen Franſcheskas. Sie ſprach wenig. Ihr Gang war jedoch nicht mehr ſo ſeufzend entſagungsſelig, wie am verfloſſenen Abend, ſie trat vielmehr ſieg¬ reich einher, jeder Schritt ein Trompetenton; es war indeſſen mehr ein geiſtlicher Sieg, als ein weltlicher, der ſich in ihren Bewegungen kund gab, ſie war faſt das Bild einer triumphirenden Kirche, und um ihr Haupt ſchwebte eine unſicht¬
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merken. Dagegen aber iſt es die hoͤchſte Politik
der Koͤnige, daß ſie es ganz geheim halten, an
welchen Tagen ſie nicht regieren, daß ſie ſich an
ſolchen Tagen wenigſtens einige Mahl auf den
Regierſtuhl ſetzen, und etwa Federn ſchneiden,
oder Briefkouverts verſiegeln oder weiße Blaͤtter
liniiren, Alles zum Schein, damit das Volk drau¬
ßen, das neugierig in die Fenſter des Palais hin¬
einguckt, ganz ſicher glaube es werde regiert.
Waͤhrend ſolche Bemerkungen aus Myladys
feinem Muͤndchen hervorgaukelten, ſchwamm eine
laͤchelnde Zufriedenheit um die vollen Roſenlippen
Franſcheskas. Sie ſprach wenig. Ihr Gang
war jedoch nicht mehr ſo ſeufzend entſagungsſelig,
wie am verfloſſenen Abend, ſie trat vielmehr ſieg¬
reich einher, jeder Schritt ein Trompetenton; es
war indeſſen mehr ein geiſtlicher Sieg, als ein
weltlicher, der ſich in ihren Bewegungen kund
gab, ſie war faſt das Bild einer triumphirenden
Kirche, und um ihr Haupt ſchwebte eine unſicht¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/93>, abgerufen am 21.11.2024.
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