und bedaurte, daß so etwas ungenutzt für die Kunst vergehen sollte. Allein eben am Verborg- nen habe Phryne so sehr die andern Mädchen übertroffen; vollkommne Bildung an diesen Thei- len, der Reife nahe, ohne Ueberfluß und Ma- gerkeit, die zarten häufigen, und doch festen Schwingungen des Lebens in den reinsten For- men mit aller reizenden Mannigfaltigkeit zur größten harmonischen Einheit durch keine Klei- dung und Stubenluft verdorben, immer in gehö- riger Munterkeit und Bewegung erhalten, von hohem und heiligem und wollüstigem Geist beseelt, ein wenig Ueberfülle, wo sie seyn müsse, üppige sanfte Wölbung und wieder straffer Umriß sey äußerst selten, und ein Wunder in der Natur und man könn es immer, wenn man es fände, als das allergöttlichste auf diesem Erdenrund be- trachten. Es fiel mir nun freylich ein, daß sie höher glühte, wenn er von fern im Schatten die Laute spielte, oder mit seiner verführerischen
Stim-
G
und bedaurte, daß ſo etwas ungenutzt fuͤr die Kunſt vergehen ſollte. Allein eben am Verborg- nen habe Phryne ſo ſehr die andern Maͤdchen uͤbertroffen; vollkommne Bildung an dieſen Thei- len, der Reife nahe, ohne Ueberfluß und Ma- gerkeit, die zarten haͤufigen, und doch feſten Schwingungen des Lebens in den reinſten For- men mit aller reizenden Mannigfaltigkeit zur groͤßten harmoniſchen Einheit durch keine Klei- dung und Stubenluft verdorben, immer in gehoͤ- riger Munterkeit und Bewegung erhalten, von hohem und heiligem und wolluͤſtigem Geiſt beſeelt, ein wenig Ueberfuͤlle, wo ſie ſeyn muͤſſe, uͤppige ſanfte Woͤlbung und wieder ſtraffer Umriß ſey aͤußerſt ſelten, und ein Wunder in der Natur und man koͤnn es immer, wenn man es faͤnde, als das allergoͤttlichſte auf dieſem Erdenrund be- trachten. Es fiel mir nun freylich ein, daß ſie hoͤher gluͤhte, wenn er von fern im Schatten die Laute ſpielte, oder mit ſeiner verfuͤhreriſchen
Stim-
G
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0103"n="97"/>
und bedaurte, daß ſo etwas ungenutzt fuͤr die<lb/>
Kunſt vergehen ſollte. Allein eben am Verborg-<lb/>
nen habe <hirendition="#fr">Phryne</hi>ſo ſehr die andern Maͤdchen<lb/>
uͤbertroffen; vollkommne Bildung an dieſen Thei-<lb/>
len, der Reife nahe, ohne Ueberfluß und Ma-<lb/>
gerkeit, die zarten haͤufigen, und doch feſten<lb/>
Schwingungen des Lebens in den reinſten For-<lb/>
men mit aller reizenden Mannigfaltigkeit zur<lb/>
groͤßten harmoniſchen Einheit durch keine Klei-<lb/>
dung und Stubenluft verdorben, immer in gehoͤ-<lb/>
riger Munterkeit und Bewegung erhalten, von<lb/>
hohem und heiligem und wolluͤſtigem Geiſt beſeelt,<lb/>
ein wenig Ueberfuͤlle, wo ſie ſeyn muͤſſe, uͤppige<lb/>ſanfte Woͤlbung und wieder ſtraffer Umriß ſey<lb/>
aͤußerſt ſelten, und ein Wunder in der Natur<lb/>
und man koͤnn es immer, wenn man es faͤnde,<lb/>
als das allergoͤttlichſte auf dieſem Erdenrund be-<lb/>
trachten. Es fiel mir nun freylich ein, daß ſie<lb/>
hoͤher gluͤhte, wenn er von fern im Schatten die<lb/>
Laute ſpielte, oder mit ſeiner verfuͤhreriſchen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G</fw><fwplace="bottom"type="catch">Stim-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[97/0103]
und bedaurte, daß ſo etwas ungenutzt fuͤr die
Kunſt vergehen ſollte. Allein eben am Verborg-
nen habe Phryne ſo ſehr die andern Maͤdchen
uͤbertroffen; vollkommne Bildung an dieſen Thei-
len, der Reife nahe, ohne Ueberfluß und Ma-
gerkeit, die zarten haͤufigen, und doch feſten
Schwingungen des Lebens in den reinſten For-
men mit aller reizenden Mannigfaltigkeit zur
groͤßten harmoniſchen Einheit durch keine Klei-
dung und Stubenluft verdorben, immer in gehoͤ-
riger Munterkeit und Bewegung erhalten, von
hohem und heiligem und wolluͤſtigem Geiſt beſeelt,
ein wenig Ueberfuͤlle, wo ſie ſeyn muͤſſe, uͤppige
ſanfte Woͤlbung und wieder ſtraffer Umriß ſey
aͤußerſt ſelten, und ein Wunder in der Natur
und man koͤnn es immer, wenn man es faͤnde,
als das allergoͤttlichſte auf dieſem Erdenrund be-
trachten. Es fiel mir nun freylich ein, daß ſie
hoͤher gluͤhte, wenn er von fern im Schatten die
Laute ſpielte, oder mit ſeiner verfuͤhreriſchen
Stim-
G
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/103>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.