war, schon aufblühender großer Knabe, bey mei- nen Eltern lesen und schreiben lehrte. Hernach legte er sich auf die Handlung, und führte mit der Zeit Kauffahrtey Schiffe; und endlich wurd er Anführer einer Spanischen Galeere. Als sol- chen sah ich ihn noch lange vor zwey Jahren in Genua wieder; wo wir uns einander versprachen, und die Vermählung feyern wollten, wenn er wieder aus dem Türkenkriege käme. Allein er kam nicht wieder; und ich hielt ihn für todt, bis ich vor wenig Tagen die zugleich frohe und traurige Bothschaft hörte, daß er zu Konstantinopel in harter Sklaverey sich befinde. Mir brachte sie ein alter Schiffer aus Antibes, der von dort ab- fuhr, und uns beyde kennt. Nun hoff ich, daß man ihn erlösen, und ihm seinen ehemaligen Po- sten wiedergeben, und wir endlich glücklich seyn werden."
"Zärtliche, verfügt ich darauf, deine Hof- nung steht auf schwachen Füßen; Spanien ist
noch-
war, ſchon aufbluͤhender großer Knabe, bey mei- nen Eltern leſen und ſchreiben lehrte. Hernach legte er ſich auf die Handlung, und fuͤhrte mit der Zeit Kauffahrtey Schiffe; und endlich wurd er Anfuͤhrer einer Spaniſchen Galeere. Als ſol- chen ſah ich ihn noch lange vor zwey Jahren in Genua wieder; wo wir uns einander verſprachen, und die Vermaͤhlung feyern wollten, wenn er wieder aus dem Tuͤrkenkriege kaͤme. Allein er kam nicht wieder; und ich hielt ihn fuͤr todt, bis ich vor wenig Tagen die zugleich frohe und traurige Bothſchaft hoͤrte, daß er zu Konſtantinopel in harter Sklaverey ſich befinde. Mir brachte ſie ein alter Schiffer aus Antibes, der von dort ab- fuhr, und uns beyde kennt. Nun hoff ich, daß man ihn erloͤſen, und ihm ſeinen ehemaligen Po- ſten wiedergeben, und wir endlich gluͤcklich ſeyn werden.“
„Zaͤrtliche, verfuͤgt ich darauf, deine Hof- nung ſteht auf ſchwachen Fuͤßen; Spanien iſt
noch-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0234"n="228"/>
war, ſchon aufbluͤhender großer Knabe, bey mei-<lb/>
nen Eltern leſen und ſchreiben lehrte. Hernach<lb/>
legte er ſich auf die Handlung, und fuͤhrte mit<lb/>
der Zeit Kauffahrtey Schiffe; und endlich wurd<lb/>
er Anfuͤhrer einer Spaniſchen Galeere. Als ſol-<lb/>
chen ſah ich ihn noch lange vor zwey Jahren in<lb/>
Genua wieder; wo wir uns einander verſprachen,<lb/>
und die Vermaͤhlung feyern wollten, wenn er<lb/>
wieder aus dem Tuͤrkenkriege kaͤme. Allein er<lb/>
kam nicht wieder; und ich hielt ihn fuͤr todt, bis<lb/>
ich vor wenig Tagen die zugleich frohe und traurige<lb/>
Bothſchaft hoͤrte, daß er zu Konſtantinopel in<lb/>
harter Sklaverey ſich befinde. Mir brachte ſie ein<lb/>
alter Schiffer aus <hirendition="#fr">Antibes</hi>, der von dort ab-<lb/>
fuhr, und uns beyde kennt. Nun hoff ich, daß<lb/>
man ihn erloͤſen, und ihm ſeinen ehemaligen Po-<lb/>ſten wiedergeben, und wir endlich gluͤcklich ſeyn<lb/>
werden.“</p><lb/><p>„Zaͤrtliche, verfuͤgt ich darauf, deine Hof-<lb/>
nung ſteht auf ſchwachen Fuͤßen; Spanien iſt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">noch-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[228/0234]
war, ſchon aufbluͤhender großer Knabe, bey mei-
nen Eltern leſen und ſchreiben lehrte. Hernach
legte er ſich auf die Handlung, und fuͤhrte mit
der Zeit Kauffahrtey Schiffe; und endlich wurd
er Anfuͤhrer einer Spaniſchen Galeere. Als ſol-
chen ſah ich ihn noch lange vor zwey Jahren in
Genua wieder; wo wir uns einander verſprachen,
und die Vermaͤhlung feyern wollten, wenn er
wieder aus dem Tuͤrkenkriege kaͤme. Allein er
kam nicht wieder; und ich hielt ihn fuͤr todt, bis
ich vor wenig Tagen die zugleich frohe und traurige
Bothſchaft hoͤrte, daß er zu Konſtantinopel in
harter Sklaverey ſich befinde. Mir brachte ſie ein
alter Schiffer aus Antibes, der von dort ab-
fuhr, und uns beyde kennt. Nun hoff ich, daß
man ihn erloͤſen, und ihm ſeinen ehemaligen Po-
ſten wiedergeben, und wir endlich gluͤcklich ſeyn
werden.“
„Zaͤrtliche, verfuͤgt ich darauf, deine Hof-
nung ſteht auf ſchwachen Fuͤßen; Spanien iſt
noch-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/234>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.