Sie läßt sich geduldig hinführen, wohin man will, geht auch für sich herum: ringt aber im- mer die Hände und seufzt, versteht platterdings nichts mehr, was man sagt, und nimt an kei- nem Gespräche mit Mienen und Gebehrden An- theil. Sie ißt und trinkt wenig; so bald sie aber genug hat: ringt sie wieder die Hände und seufzt. Es sind von den Aerzten verschiedne Mittel ver- sucht worden, aber alles vergeblich. Sie kennt Fulvien nicht mehr, ihren Bräutigam nicht mehr, und mich nicht mehr; wie sie dieser küssen woll- te, hat sie nach ihm ausgeschlagen, und ihn ins Gesicht gekratzt. Auch von ihren Freundinnen leidet sie dieß nicht: sonst ist sie in allem geduldig. Ich mochte mir immer mit einem Strick die Gurgel zusammenziehn, wenn sie mich so starr ansah, und die Hände rang und seufzte.
Jetzt steckt sie nun in einem Nonnenkloster zur Verpflegung. Florio war im Begriff, sich eine Kugel vor den Kopf zu schießen, und ist nun bey der Flotte, um in der Verzweiflung ge-
gen
Sie laͤßt ſich geduldig hinfuͤhren, wohin man will, geht auch fuͤr ſich herum: ringt aber im- mer die Haͤnde und ſeufzt, verſteht platterdings nichts mehr, was man ſagt, und nimt an kei- nem Geſpraͤche mit Mienen und Gebehrden An- theil. Sie ißt und trinkt wenig; ſo bald ſie aber genug hat: ringt ſie wieder die Haͤnde und ſeufzt. Es ſind von den Aerzten verſchiedne Mittel ver- ſucht worden, aber alles vergeblich. Sie kennt Fulvien nicht mehr, ihren Braͤutigam nicht mehr, und mich nicht mehr; wie ſie dieſer kuͤſſen woll- te, hat ſie nach ihm ausgeſchlagen, und ihn ins Geſicht gekratzt. Auch von ihren Freundinnen leidet ſie dieß nicht: ſonſt iſt ſie in allem geduldig. Ich mochte mir immer mit einem Strick die Gurgel zuſammenziehn, wenn ſie mich ſo ſtarr anſah, und die Haͤnde rang und ſeufzte.
Jetzt ſteckt ſie nun in einem Nonnenkloſter zur Verpflegung. Florio war im Begriff, ſich eine Kugel vor den Kopf zu ſchießen, und iſt nun bey der Flotte, um in der Verzweiflung ge-
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Sie laͤßt ſich geduldig hinfuͤhren, wohin man
will, geht auch fuͤr ſich herum: ringt aber im-
mer die Haͤnde und ſeufzt, verſteht platterdings
nichts mehr, was man ſagt, und nimt an kei-
nem Geſpraͤche mit Mienen und Gebehrden An-
theil. Sie ißt und trinkt wenig; ſo bald ſie aber
genug hat: ringt ſie wieder die Haͤnde und ſeufzt.
Es ſind von den Aerzten verſchiedne Mittel ver-
ſucht worden, aber alles vergeblich. Sie kennt
Fulvien nicht mehr, ihren Braͤutigam nicht mehr,
und mich nicht mehr; wie ſie dieſer kuͤſſen woll-
te, hat ſie nach ihm ausgeſchlagen, und ihn ins
Geſicht gekratzt. Auch von ihren Freundinnen
leidet ſie dieß nicht: ſonſt iſt ſie in allem geduldig.
Ich mochte mir immer mit einem Strick die
Gurgel zuſammenziehn, wenn ſie mich ſo ſtarr
anſah, und die Haͤnde rang und ſeufzte.
Jetzt ſteckt ſie nun in einem Nonnenkloſter
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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