Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

sen mehr, als die Gegenwart? Traum ohne
Wirklichkeit alles übrige.

Doch weg mit dieser Mückenweisheit! un-
ser Geist hat mehr Tiefe. Nur die Kraft ist
seelig, die Wiederstand nach ihrem Maaß über-
wältigt, und ihn nach ihrem Seyn ordnet, seys
auch unter Pein und Leiden. Dem Herkules,
als er den Anteus bezwang, rannen die Schweiß-
tropfen süßer hervor aus seiner Stirn, als ihm
je die Umarmungen einer schwachen gefälligen Dir-
ne waren; und nur Omphale, die ihn die
Spindel drehen machte, verdiente die Liebe des
Helden.

Meine Tante schrieb mir nach dem Tode
des Cosmus, daß wichtige Veränderungen am
Hofe vorgefallen wären, und unsre Feinde einen
starken Stoß erlitten hätten; ich sollte mich auf
den Weg in mein Vaterland machen: sie sey ver-
sichert, daß alles gut gehen, und ich meine vä-
terlichen Güter wieder erhalten würde; und

noch

ſen mehr, als die Gegenwart? Traum ohne
Wirklichkeit alles uͤbrige.

Doch weg mit dieſer Muͤckenweisheit! un-
ſer Geiſt hat mehr Tiefe. Nur die Kraft iſt
ſeelig, die Wiederſtand nach ihrem Maaß uͤber-
waͤltigt, und ihn nach ihrem Seyn ordnet, ſeys
auch unter Pein und Leiden. Dem Herkules,
als er den Anteus bezwang, rannen die Schweiß-
tropfen ſuͤßer hervor aus ſeiner Stirn, als ihm
je die Umarmungen einer ſchwachen gefaͤlligen Dir-
ne waren; und nur Omphale, die ihn die
Spindel drehen machte, verdiente die Liebe des
Helden.

Meine Tante ſchrieb mir nach dem Tode
des Cosmus, daß wichtige Veraͤnderungen am
Hofe vorgefallen waͤren, und unſre Feinde einen
ſtarken Stoß erlitten haͤtten; ich ſollte mich auf
den Weg in mein Vaterland machen: ſie ſey ver-
ſichert, daß alles gut gehen, und ich meine vaͤ-
terlichen Guͤter wieder erhalten wuͤrde; und

noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0282" n="276"/>
&#x017F;en mehr, als die Gegenwart? Traum ohne<lb/>
Wirklichkeit alles u&#x0364;brige.</p><lb/>
        <p>Doch weg mit die&#x017F;er Mu&#x0364;ckenweisheit! un-<lb/>
&#x017F;er Gei&#x017F;t hat mehr Tiefe. Nur die Kraft i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eelig, die Wieder&#x017F;tand nach ihrem Maaß u&#x0364;ber-<lb/>
wa&#x0364;ltigt, und ihn nach ihrem Seyn ordnet, &#x017F;eys<lb/>
auch unter Pein und Leiden. Dem Herkules,<lb/>
als er den Anteus bezwang, rannen die Schweiß-<lb/>
tropfen &#x017F;u&#x0364;ßer hervor aus &#x017F;einer Stirn, als ihm<lb/>
je die Umarmungen einer &#x017F;chwachen gefa&#x0364;lligen Dir-<lb/>
ne waren; und nur <hi rendition="#fr">Omphale,</hi> die ihn die<lb/>
Spindel drehen machte, verdiente die Liebe des<lb/>
Helden.</p><lb/>
        <p>Meine Tante &#x017F;chrieb mir nach dem Tode<lb/>
des Cosmus, daß wichtige Vera&#x0364;nderungen am<lb/>
Hofe vorgefallen wa&#x0364;ren, und un&#x017F;re Feinde einen<lb/>
&#x017F;tarken Stoß erlitten ha&#x0364;tten; ich &#x017F;ollte mich auf<lb/>
den Weg in mein Vaterland machen: &#x017F;ie &#x017F;ey ver-<lb/>
&#x017F;ichert, daß alles gut gehen, und ich meine va&#x0364;-<lb/>
terlichen Gu&#x0364;ter wieder erhalten wu&#x0364;rde; und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0282] ſen mehr, als die Gegenwart? Traum ohne Wirklichkeit alles uͤbrige. Doch weg mit dieſer Muͤckenweisheit! un- ſer Geiſt hat mehr Tiefe. Nur die Kraft iſt ſeelig, die Wiederſtand nach ihrem Maaß uͤber- waͤltigt, und ihn nach ihrem Seyn ordnet, ſeys auch unter Pein und Leiden. Dem Herkules, als er den Anteus bezwang, rannen die Schweiß- tropfen ſuͤßer hervor aus ſeiner Stirn, als ihm je die Umarmungen einer ſchwachen gefaͤlligen Dir- ne waren; und nur Omphale, die ihn die Spindel drehen machte, verdiente die Liebe des Helden. Meine Tante ſchrieb mir nach dem Tode des Cosmus, daß wichtige Veraͤnderungen am Hofe vorgefallen waͤren, und unſre Feinde einen ſtarken Stoß erlitten haͤtten; ich ſollte mich auf den Weg in mein Vaterland machen: ſie ſey ver- ſichert, daß alles gut gehen, und ich meine vaͤ- terlichen Guͤter wieder erhalten wuͤrde; und noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/282
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/282>, abgerufen am 23.06.2024.