Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

was denen gefällt, die reich sind und kaufen. Und je
mehr er bloßer Kopist der Natur ist, destomehr wird
er gefallen. Und er muß behaupten, dieß sey das
Wahre, und alle Ueberflüge der Einbildungskraft,
die nur hie und da einige Sonderlinge aufhielten,
als leeres Zeug verachten, und fragen, was nennt
ihr erhaben?"

Ich wußte nicht, ob ich dieß für Muht-
willen, Satyre oder Ernst aufnehmen sollte;
doch hetzt es mich schnell auf, und ich antwortete
gerade zu, wie es die Lage der Sachen erheischte.

"Erhaben? versetzt ich, ist ein höher We-
sen, das in uns eindringt mit Empfindungen, Ge-
danken, Gestalt, Gebehrde, Handlung; und
man bedarf da keiner weitläuftigen Schreiberey
von Sophisten. Wer nicht über andre ist, soll
sie nicht zu Paaren treiben und ihnen vorpredi-
gen wollen, es sey, worin es seyn mag. Pracht
läßt sich wohl damit vereinigen, aber Pracht ist
nicht Erhabenheit. Ueberall füllt es die Seele mit

Ent-

was denen gefaͤllt, die reich ſind und kaufen. Und je
mehr er bloßer Kopiſt der Natur iſt, deſtomehr wird
er gefallen. Und er muß behaupten, dieß ſey das
Wahre, und alle Ueberfluͤge der Einbildungskraft,
die nur hie und da einige Sonderlinge aufhielten,
als leeres Zeug verachten, und fragen, was nennt
ihr erhaben?“

Ich wußte nicht, ob ich dieß fuͤr Muht-
willen, Satyre oder Ernſt aufnehmen ſollte;
doch hetzt es mich ſchnell auf, und ich antwortete
gerade zu, wie es die Lage der Sachen erheiſchte.

„Erhaben? verſetzt ich, iſt ein hoͤher We-
ſen, das in uns eindringt mit Empfindungen, Ge-
danken, Geſtalt, Gebehrde, Handlung; und
man bedarf da keiner weitlaͤuftigen Schreiberey
von Sophiſten. Wer nicht uͤber andre iſt, ſoll
ſie nicht zu Paaren treiben und ihnen vorpredi-
gen wollen, es ſey, worin es ſeyn mag. Pracht
laͤßt ſich wohl damit vereinigen, aber Pracht iſt
nicht Erhabenheit. Ueberall fuͤllt es die Seele mit

Ent-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0352" n="346"/>
was denen gefa&#x0364;llt, die reich &#x017F;ind und kaufen. Und je<lb/>
mehr er bloßer Kopi&#x017F;t der Natur i&#x017F;t, de&#x017F;tomehr wird<lb/>
er gefallen. Und er muß behaupten, dieß &#x017F;ey das<lb/>
Wahre, und alle Ueberflu&#x0364;ge der Einbildungskraft,<lb/>
die nur hie und da einige Sonderlinge aufhielten,<lb/>
als leeres Zeug verachten, und fragen, was nennt<lb/>
ihr erhaben?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich wußte nicht, ob ich dieß fu&#x0364;r Muht-<lb/>
willen, Satyre oder Ern&#x017F;t aufnehmen &#x017F;ollte;<lb/>
doch hetzt es mich &#x017F;chnell auf, und ich antwortete<lb/>
gerade zu, wie es die Lage der Sachen erhei&#x017F;chte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Erhaben? ver&#x017F;etzt ich, i&#x017F;t ein ho&#x0364;her We-<lb/>
&#x017F;en, das in uns eindringt mit Empfindungen, Ge-<lb/>
danken, Ge&#x017F;talt, Gebehrde, Handlung; und<lb/>
man bedarf da keiner weitla&#x0364;uftigen Schreiberey<lb/>
von Sophi&#x017F;ten. Wer nicht u&#x0364;ber andre i&#x017F;t, &#x017F;oll<lb/>
&#x017F;ie nicht zu Paaren treiben und ihnen vorpredi-<lb/>
gen wollen, es &#x017F;ey, worin es &#x017F;eyn mag. Pracht<lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;ich wohl damit vereinigen, aber Pracht i&#x017F;t<lb/>
nicht Erhabenheit. Ueberall fu&#x0364;llt es die Seele mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ent-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0352] was denen gefaͤllt, die reich ſind und kaufen. Und je mehr er bloßer Kopiſt der Natur iſt, deſtomehr wird er gefallen. Und er muß behaupten, dieß ſey das Wahre, und alle Ueberfluͤge der Einbildungskraft, die nur hie und da einige Sonderlinge aufhielten, als leeres Zeug verachten, und fragen, was nennt ihr erhaben?“ Ich wußte nicht, ob ich dieß fuͤr Muht- willen, Satyre oder Ernſt aufnehmen ſollte; doch hetzt es mich ſchnell auf, und ich antwortete gerade zu, wie es die Lage der Sachen erheiſchte. „Erhaben? verſetzt ich, iſt ein hoͤher We- ſen, das in uns eindringt mit Empfindungen, Ge- danken, Geſtalt, Gebehrde, Handlung; und man bedarf da keiner weitlaͤuftigen Schreiberey von Sophiſten. Wer nicht uͤber andre iſt, ſoll ſie nicht zu Paaren treiben und ihnen vorpredi- gen wollen, es ſey, worin es ſeyn mag. Pracht laͤßt ſich wohl damit vereinigen, aber Pracht iſt nicht Erhabenheit. Ueberall fuͤllt es die Seele mit Ent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/352
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/352>, abgerufen am 15.06.2024.