vieles wird bloß Blüthe, oder Frucht, ohne zum Baume zu gedeyhen?
Auch gibt Aristoteles selbst nicht undeutlich zu verstehen, daß er derselben Meinung anhan- ge; die menschliche Seele, oder überhaupt der Mensch, dessen Form sie enthält, ist ihm eine von Ewigkeit fertige Vollkommenheit. Und so war jedes lebendige Ding der Form nach, oder in seinem ersten Keime unzerstörbar von Ewig- keit da, und die Sonnenwärme, oder sein Gott, löst es nur von den Banden, und setzt es in freye Wirksamkeit, wo es so lange genießt und leidet, als es sich mit seinem neuen Umkreis hal- ten kann, oder bis es die umgebenden Kräfte wieder in seinen unzerstörbaren Punkt zurück- drängen. Deßwegen sagt der Weise auch, es gibt nur wenig Menschen, die göttlichen Ver- stand haben. Und gewiß, denen, in deren Ur- kraft er nicht liegt, kann denselben keine Bildung und Erziehung geben. Wer fühlt dieß nicht
durch
vieles wird bloß Bluͤthe, oder Frucht, ohne zum Baume zu gedeyhen?
Auch gibt Ariſtoteles ſelbſt nicht undeutlich zu verſtehen, daß er derſelben Meinung anhan- ge; die menſchliche Seele, oder uͤberhaupt der Menſch, deſſen Form ſie enthaͤlt, iſt ihm eine von Ewigkeit fertige Vollkommenheit. Und ſo war jedes lebendige Ding der Form nach, oder in ſeinem erſten Keime unzerſtoͤrbar von Ewig- keit da, und die Sonnenwaͤrme, oder ſein Gott, loͤſt es nur von den Banden, und ſetzt es in freye Wirkſamkeit, wo es ſo lange genießt und leidet, als es ſich mit ſeinem neuen Umkreis hal- ten kann, oder bis es die umgebenden Kraͤfte wieder in ſeinen unzerſtoͤrbaren Punkt zuruͤck- draͤngen. Deßwegen ſagt der Weiſe auch, es gibt nur wenig Menſchen, die goͤttlichen Ver- ſtand haben. Und gewiß, denen, in deren Ur- kraft er nicht liegt, kann denſelben keine Bildung und Erziehung geben. Wer fuͤhlt dieß nicht
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[203/0211]
vieles wird bloß Bluͤthe, oder Frucht, ohne zum
Baume zu gedeyhen?
Auch gibt Ariſtoteles ſelbſt nicht undeutlich
zu verſtehen, daß er derſelben Meinung anhan-
ge; die menſchliche Seele, oder uͤberhaupt der
Menſch, deſſen Form ſie enthaͤlt, iſt ihm eine
von Ewigkeit fertige Vollkommenheit. Und ſo
war jedes lebendige Ding der Form nach, oder
in ſeinem erſten Keime unzerſtoͤrbar von Ewig-
keit da, und die Sonnenwaͤrme, oder ſein Gott,
loͤſt es nur von den Banden, und ſetzt es in
freye Wirkſamkeit, wo es ſo lange genießt und
leidet, als es ſich mit ſeinem neuen Umkreis hal-
ten kann, oder bis es die umgebenden Kraͤfte
wieder in ſeinen unzerſtoͤrbaren Punkt zuruͤck-
draͤngen. Deßwegen ſagt der Weiſe auch, es
gibt nur wenig Menſchen, die goͤttlichen Ver-
ſtand haben. Und gewiß, denen, in deren Ur-
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und Erziehung geben. Wer fuͤhlt dieß nicht
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/211>, abgerufen am 24.11.2024.
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