sten Zeiten der Kunst, und wo die Griechen schon selbst von ihrer strengen Lebensart sehr ab- gewichen waren, über die Schwelgerey der Per- ser, daß sie ihre Schlafzimmer mit Tapeten be- legten *), damit der unnachgiebige Boden nicht zu hart gegen ihre weichlichen Füße anstrebte, kann uns einigermaßen den Schlüssel dazu ver- leyhen. Hohe Selbstständigkeit des Menschen, Vergnügen des Herzens, und Freude des Gei- stes an Wahrheit und Schönheit ging aller leeren Pracht vor; die Stärke scheute den Kitzel erschlaffter Sinnen. Und die kleinste Re- publik, wo zu gemeinschaftlicher Lust jeder so denkt und für seine Person sich abbricht, kann Berge versetzen, und eine andre Natur schaffen.
So glänzt jedoch, zur Ehre unsrer Reli- gion sey es gesagt, die noch das einzige allgemei-
ne
*) Kyropädie 8 B. 8 K.
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ſten Zeiten der Kunſt, und wo die Griechen ſchon ſelbſt von ihrer ſtrengen Lebensart ſehr ab- gewichen waren, uͤber die Schwelgerey der Per- ſer, daß ſie ihre Schlafzimmer mit Tapeten be- legten *), damit der unnachgiebige Boden nicht zu hart gegen ihre weichlichen Fuͤße anſtrebte, kann uns einigermaßen den Schluͤſſel dazu ver- leyhen. Hohe Selbſtſtaͤndigkeit des Menſchen, Vergnuͤgen des Herzens, und Freude des Gei- ſtes an Wahrheit und Schoͤnheit ging aller leeren Pracht vor; die Staͤrke ſcheute den Kitzel erſchlaffter Sinnen. Und die kleinſte Re- publik, wo zu gemeinſchaftlicher Luſt jeder ſo denkt und fuͤr ſeine Perſon ſich abbricht, kann Berge verſetzen, und eine andre Natur ſchaffen.
So glaͤnzt jedoch, zur Ehre unſrer Reli- gion ſey es geſagt, die noch das einzige allgemei-
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*) Kyropaͤdie 8 B. 8 K.
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[69/0077]
ſten Zeiten der Kunſt, und wo die Griechen
ſchon ſelbſt von ihrer ſtrengen Lebensart ſehr ab-
gewichen waren, uͤber die Schwelgerey der Per-
ſer, daß ſie ihre Schlafzimmer mit Tapeten be-
legten *), damit der unnachgiebige Boden nicht
zu hart gegen ihre weichlichen Fuͤße anſtrebte,
kann uns einigermaßen den Schluͤſſel dazu ver-
leyhen. Hohe Selbſtſtaͤndigkeit des Menſchen,
Vergnuͤgen des Herzens, und Freude des Gei-
ſtes an Wahrheit und Schoͤnheit ging aller leeren
Pracht vor; die Staͤrke ſcheute den Kitzel
erſchlaffter Sinnen. Und die kleinſte Re-
publik, wo zu gemeinſchaftlicher Luſt jeder
ſo denkt und fuͤr ſeine Perſon ſich abbricht, kann
Berge verſetzen, und eine andre Natur
ſchaffen.
So glaͤnzt jedoch, zur Ehre unſrer Reli-
gion ſey es geſagt, die noch das einzige allgemei-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/77>, abgerufen am 16.02.2025.
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