zustand, indem eine Vorstellung die von ihr ausgehende Reihe hervorzuheben strebt, leihen wir der Quelle; darum belebt sie sich für uns, als ob auch in ihr etwas wäre, welches sich anstrengte, das Wasser zu heben und zu fördern. Ueberhaupt bedeutet im gemeinen Sprachge- brauche die Redensart: das kommt davon, genau so viel als: dies hier ist die Wirkung von jener Ursache dort; und wenn hiemit der gemeine Verstand noch ein dunkles Gefühl des Widerspruchs verbindet, der in dem Leidenden entstanden wäre, wenn es sich selbst verän- dert hätte, so geht er schon weiter als die Kantische Schule ihn führen würde, die, freylich seltsam genug, in dem Causal-Begriff auch nichts anderes zu finden wusste, als den Anfang einer Reihe.
Ein zweyter Umstand, den wir aus unserm Verhält- nisse zur Aussenwelt hervorheben müssen, ist die Be- weglichkeit des Menschen in seiner Umgebung. Ohne diese würden die Anschauungen der Dinge stets für die Dinge selbst gehalten werden; dadurch aber, dass der Mensch einen Unterschied des Abwesenden und des Gegenwärtigen fasst, lernt er, dass den Gegenständen ihr Erscheinen oder Nicht-Erscheinen zufällig ist. Die Ge- genstände bekommen, so fern sie vest stehn, auch veste Plätze in seinen sich allmählig bildenden, ordnenden, und verknüpfenden Vorstellungsreihen, worin die Reihen- folge der Anschauungen aufbewahrt wird. Ihr Erschei- nen aber (ihre Sichtbarkeit, Hörbarkeit u. dergl.) wird ihnen wie eine Art von Ausstrahlungs-Sphäre zugeschrie- ben, die mit wachsender Entfernung an Stärke abnimmt. Sie selbst, die Gegenstände, werden betrachtet als das, woher das Erscheinen kommt; und der Mittelpunkt, in welchem die Strahlen des Erscheinens sich von allen Sei- ten her vereinigen und kreuzen, legt den Grund des Ich, welches zu seiner Ausbildung noch der innern Welt bedarf, die in der Mitte der Aussenwelt oder des Nicht- Ich sich umherbewegend, nicht bloss Reihen in sich auf- nimmt und endigt, sondern auch andre Reihen theils von
zustand, indem eine Vorstellung die von ihr ausgehende Reihe hervorzuheben strebt, leihen wir der Quelle; darum belebt sie sich für uns, als ob auch in ihr etwas wäre, welches sich anstrengte, das Wasser zu heben und zu fördern. Ueberhaupt bedeutet im gemeinen Sprachge- brauche die Redensart: das kommt davon, genau so viel als: dies hier ist die Wirkung von jener Ursache dort; und wenn hiemit der gemeine Verstand noch ein dunkles Gefühl des Widerspruchs verbindet, der in dem Leidenden entstanden wäre, wenn es sich selbst verän- dert hätte, so geht er schon weiter als die Kantische Schule ihn führen würde, die, freylich seltsam genug, in dem Causal-Begriff auch nichts anderes zu finden wuſste, als den Anfang einer Reihe.
Ein zweyter Umstand, den wir aus unserm Verhält- nisse zur Auſsenwelt hervorheben müssen, ist die Be- weglichkeit des Menschen in seiner Umgebung. Ohne diese würden die Anschauungen der Dinge stets für die Dinge selbst gehalten werden; dadurch aber, daſs der Mensch einen Unterschied des Abwesenden und des Gegenwärtigen faſst, lernt er, daſs den Gegenständen ihr Erscheinen oder Nicht-Erscheinen zufällig ist. Die Ge- genstände bekommen, so fern sie vest stehn, auch veste Plätze in seinen sich allmählig bildenden, ordnenden, und verknüpfenden Vorstellungsreihen, worin die Reihen- folge der Anschauungen aufbewahrt wird. Ihr Erschei- nen aber (ihre Sichtbarkeit, Hörbarkeit u. dergl.) wird ihnen wie eine Art von Ausstrahlungs-Sphäre zugeschrie- ben, die mit wachsender Entfernung an Stärke abnimmt. Sie selbst, die Gegenstände, werden betrachtet als das, woher das Erscheinen kommt; und der Mittelpunkt, in welchem die Strahlen des Erscheinens sich von allen Sei- ten her vereinigen und kreuzen, legt den Grund des Ich, welches zu seiner Ausbildung noch der innern Welt bedarf, die in der Mitte der Auſsenwelt oder des Nicht- Ich sich umherbewegend, nicht bloſs Reihen in sich auf- nimmt und endigt, sondern auch andre Reihen theils von
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zustand, indem eine Vorstellung die von ihr ausgehende
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belebt sie sich für uns, als ob auch in ihr etwas wäre,
welches sich anstrengte, das Wasser zu heben und zu
fördern. Ueberhaupt bedeutet im gemeinen Sprachge-
brauche die Redensart: das kommt davon, genau so
viel als: dies hier ist die Wirkung von jener Ursache
dort; und wenn hiemit der gemeine Verstand noch ein
dunkles Gefühl des Widerspruchs verbindet, der in dem
Leidenden entstanden wäre, wenn es sich selbst verän-
dert hätte, so geht er schon weiter als die Kantische
Schule ihn führen würde, die, freylich seltsam genug, in
dem Causal-Begriff auch nichts anderes zu finden wuſste,
als den Anfang einer Reihe.
Ein zweyter Umstand, den wir aus unserm Verhält-
nisse zur Auſsenwelt hervorheben müssen, ist die Be-
weglichkeit des Menschen in seiner Umgebung.
Ohne diese würden die Anschauungen der Dinge stets
für die Dinge selbst gehalten werden; dadurch aber, daſs
der Mensch einen Unterschied des Abwesenden und des
Gegenwärtigen faſst, lernt er, daſs den Gegenständen ihr
Erscheinen oder Nicht-Erscheinen zufällig ist. Die Ge-
genstände bekommen, so fern sie vest stehn, auch veste
Plätze in seinen sich allmählig bildenden, ordnenden,
und verknüpfenden Vorstellungsreihen, worin die Reihen-
folge der Anschauungen aufbewahrt wird. Ihr Erschei-
nen aber (ihre Sichtbarkeit, Hörbarkeit u. dergl.) wird
ihnen wie eine Art von Ausstrahlungs-Sphäre zugeschrie-
ben, die mit wachsender Entfernung an Stärke abnimmt.
Sie selbst, die Gegenstände, werden betrachtet als das,
woher das Erscheinen kommt; und der Mittelpunkt, in
welchem die Strahlen des Erscheinens sich von allen Sei-
ten her vereinigen und kreuzen, legt den Grund des Ich,
welches zu seiner Ausbildung noch der innern Welt
bedarf, die in der Mitte der Auſsenwelt oder des Nicht-
Ich sich umherbewegend, nicht bloſs Reihen in sich auf-
nimmt und endigt, sondern auch andre Reihen theils von
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/395>, abgerufen am 21.11.2024.
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