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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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lich sey), vorhergehen, sondern nur in ihr gedacht wer-
den. Sie ist wesentlich einig; das Mannigfaltige in ihr,
mithin auch der allgemeine Begriff von Substanzen über-
haupt, beruhet lediglich auf Einschränkungen. Hieraus
folgt, dass in Ansehung ihrer eine Anschauung a priori
allen Begriffen von derselben zum Grunde liegt. So wer-
den auch alle naturphilosophische Grundsätze, z. E. dass
alle Substanzen in der Welt in Wechselwirkung stehn,
niemals aus allgemeinen Begriffen von Substanz und Welt,
sondern aus der Anschauung, und zwar a priori, mit apo-
dictischer Gewissheit abgeleitet.

4) Die Substanz wird als eine unendliche gegebene
Grösse vorgestellt. Diese Unendlichkeit bedeutet Nichts
weiter, als dass alle bestimmte Grösse von Substanzen
nur durch Einschränkungen einer einzigen zum Grunde
liegenden Substanz möglich sey. Daher muss die ur-
sprüngliche Erkenntniss der Substanz als uneingeschränkt
gegeben seyn.

Wer Kants Kritik aufschlägt, wird sehn, dass ich
hier mit geringer Veränderung wörtlich abgeschrieben
habe. In diesen Sätzen spiegelt sich aber die heutige so-
genannte Naturphilosophie so klar, dass Niemand mir die
veränderte Lesart als meine Erfindung zurechnen wird.

Nun hat Kant, obgleich er die Symmetrie, die er
hier so leicht erlangen konnte, nur gar zu sehr liebte,
doch nicht für gut befunden, sich selbst in der Lehre
von den Kategorien also abzuschreiben. Er lässt es sich
vielmehr eine saure Mühe kosten, seine Kategorien als
Formen der Verknüpfung darzustellen, wodurch das
Mannigfaltige der Erfahrung, nicht bloss so, wie es in
der Zeit zufällig zusammenkomme, sondern wie es in der
Zeit objectiv sey, zu einer Erkenntniss von Objecten
zusammentrete. Die Substantialität ist daher bey ihm
keine Substanz, die Realität kein Reales, die Causalität
keine Kraft, sondern es sollen erst Substanzen, reale Ge-
genstände, Kräfte u. s. w., in der zeitlichen Erfahrung ge-
funden werden; und nach seiner ausdrücklichen Versiche-

I. B b

lich sey), vorhergehen, sondern nur in ihr gedacht wer-
den. Sie ist wesentlich einig; das Mannigfaltige in ihr,
mithin auch der allgemeine Begriff von Substanzen über-
haupt, beruhet lediglich auf Einschränkungen. Hieraus
folgt, daſs in Ansehung ihrer eine Anschauung a priori
allen Begriffen von derselben zum Grunde liegt. So wer-
den auch alle naturphilosophische Grundsätze, z. E. daſs
alle Substanzen in der Welt in Wechselwirkung stehn,
niemals aus allgemeinen Begriffen von Substanz und Welt,
sondern aus der Anschauung, und zwar a priori, mit apo-
dictischer Gewiſsheit abgeleitet.

4) Die Substanz wird als eine unendliche gegebene
Gröſse vorgestellt. Diese Unendlichkeit bedeutet Nichts
weiter, als daſs alle bestimmte Gröſse von Substanzen
nur durch Einschränkungen einer einzigen zum Grunde
liegenden Substanz möglich sey. Daher muſs die ur-
sprüngliche Erkenntniſs der Substanz als uneingeschränkt
gegeben seyn.

Wer Kants Kritik aufschlägt, wird sehn, daſs ich
hier mit geringer Veränderung wörtlich abgeschrieben
habe. In diesen Sätzen spiegelt sich aber die heutige so-
genannte Naturphilosophie so klar, daſs Niemand mir die
veränderte Lesart als meine Erfindung zurechnen wird.

Nun hat Kant, obgleich er die Symmetrie, die er
hier so leicht erlangen konnte, nur gar zu sehr liebte,
doch nicht für gut befunden, sich selbst in der Lehre
von den Kategorien also abzuschreiben. Er läſst es sich
vielmehr eine saure Mühe kosten, seine Kategorien als
Formen der Verknüpfung darzustellen, wodurch das
Mannigfaltige der Erfahrung, nicht bloſs so, wie es in
der Zeit zufällig zusammenkomme, sondern wie es in der
Zeit objectiv sey, zu einer Erkenntniſs von Objecten
zusammentrete. Die Substantialität ist daher bey ihm
keine Substanz, die Realität kein Reales, die Causalität
keine Kraft, sondern es sollen erst Substanzen, reale Ge-
genstände, Kräfte u. s. w., in der zeitlichen Erfahrung ge-
funden werden; und nach seiner ausdrücklichen Versiche-

I. B b
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[385/0405] lich sey), vorhergehen, sondern nur in ihr gedacht wer- den. Sie ist wesentlich einig; das Mannigfaltige in ihr, mithin auch der allgemeine Begriff von Substanzen über- haupt, beruhet lediglich auf Einschränkungen. Hieraus folgt, daſs in Ansehung ihrer eine Anschauung a priori allen Begriffen von derselben zum Grunde liegt. So wer- den auch alle naturphilosophische Grundsätze, z. E. daſs alle Substanzen in der Welt in Wechselwirkung stehn, niemals aus allgemeinen Begriffen von Substanz und Welt, sondern aus der Anschauung, und zwar a priori, mit apo- dictischer Gewiſsheit abgeleitet. 4) Die Substanz wird als eine unendliche gegebene Gröſse vorgestellt. Diese Unendlichkeit bedeutet Nichts weiter, als daſs alle bestimmte Gröſse von Substanzen nur durch Einschränkungen einer einzigen zum Grunde liegenden Substanz möglich sey. Daher muſs die ur- sprüngliche Erkenntniſs der Substanz als uneingeschränkt gegeben seyn. Wer Kants Kritik aufschlägt, wird sehn, daſs ich hier mit geringer Veränderung wörtlich abgeschrieben habe. In diesen Sätzen spiegelt sich aber die heutige so- genannte Naturphilosophie so klar, daſs Niemand mir die veränderte Lesart als meine Erfindung zurechnen wird. Nun hat Kant, obgleich er die Symmetrie, die er hier so leicht erlangen konnte, nur gar zu sehr liebte, doch nicht für gut befunden, sich selbst in der Lehre von den Kategorien also abzuschreiben. Er läſst es sich vielmehr eine saure Mühe kosten, seine Kategorien als Formen der Verknüpfung darzustellen, wodurch das Mannigfaltige der Erfahrung, nicht bloſs so, wie es in der Zeit zufällig zusammenkomme, sondern wie es in der Zeit objectiv sey, zu einer Erkenntniſs von Objecten zusammentrete. Die Substantialität ist daher bey ihm keine Substanz, die Realität kein Reales, die Causalität keine Kraft, sondern es sollen erst Substanzen, reale Ge- genstände, Kräfte u. s. w., in der zeitlichen Erfahrung ge- funden werden; und nach seiner ausdrücklichen Versiche- I. B b

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/405>, abgerufen am 23.11.2024.